Kapitel vom 03.10.1886: Zum Schuljahresbeginn.
Ein neues Schuljahr hebt an. Ein Grund, uns wieder mit ganzem Herzen unserer religiösen Pflichten zu erinnern.
Die erste ist das Direktorium. Üben wir es liebevoll wie etwas, das uns an Gott bindet und mit ihm vereinigt. Das muss uns ein Bedürfnis sein. Wir sollen mit echter Liebe all diese Übungen umfangen. Denn was man mit Liebe tut, ermüdet nicht.
Eben diese Übungen des Direktoriums haben den hl. Franz v. Sales geformt. Diese Methode ist also vortrefflich und sie muss uns eine Herzenssache sein. Oft habe ich von Weltleuten gehört, dass diese oder jene Methode, die man ihnen im Beichtstuhl vermittelte, ihnen sehr geholfen hat. Umso sicherer finden wir eine wirkliche Hilfe in der Methode, die uns der hl. Stifter an die Hand gibt. Obendrein ist das ein Band, das uns miteinander verbindet. Wenn alle dasselbe tun, liegt in dieser Hinsicht eine unvorstellbare Kraft. Es wäre sehr zu wünschen, dass wir ein Büchlein besäßen, das in diesem Sinn verfasst ist und in die Hände aller gelegt werden könnte. Dann würde die Lehre des hl. Stifters sich überall ausbreiten und viel Gutes wirken.
Jawohl, denn Bücher wenden sich an alle Arten von Menschen. Unsere jungen Leute haben bereits ihr Lehrbuch, ihren Leitfaden. Es ist ganz enorm, welchen Einfluss man mit einem Buch ausüben kann. Seht nur die „Geistlichen Exerzitien“ des hl. Ignatius v. Loyola: Welch ein einfaches Buch, in dem sich auf den ersten Blick nichts Sonderliches findet. Und doch, welch einen Einfluss hat es ausgeübt und übt es weiter aus!
Betrachtet das Direktorium: was steckt schon in diesem Büchlein? Bringt aber dieses Wenige zur Geltung, setzt es in Leben um, und ihr erzielt ein immenses Resultat: „Timeo lectorem unius libri.“ (Anm.: „Ich fürchte den Leser eines einzigen Buches.“), sagt ein altes Sprichwort. So sollt ich auch dieses Handbüchlein zur vollen Geltung bringen. Es möge das Direktorium unserer Schüler und jungen Menschen werden. Mit diesem Leitfaden müssten wir eine ebenso große Wirkung hervorbringen wie die Jesuiten mit ihren „Geistlichen Exerzitien“. Über dieses Exerzitienbüchlein wurden mehr als hunderttausend Werke verfasst. Machen wir dieses Handbüchlein ebenfalls zur Lebensgrundlage und erfüllen wir damit Geist und Sinn. Formen wir mit seiner Hilfe die Seelen unserer Schüler. Wenn jeder sich nur ins Auge fasst, tut jeder nur das Werk eines Einzelnen. Ist aber jeder ganz voll von diesem Buch und seinem Lehrgehalt und wendet er es im Alltag an, dann bleibt er nicht mehr auf sich allein beschränkt. Alle möglichen Einblicke und Überblicke und Erleuchtungen kommen dann über uns, und wir gelangen so zur Vollkommenheit. Alle Ordensleute sollten sich bemühen, das so zu begreifen und es zu praktizieren und es auch von anderen verwirklichen zu lassen. Ihre Aktionskraft würde sich dann ins Unermessliche steigern.
Woraus erwächst denn die Macht der orientalischen Völker, jener Massen, die zum Islam zählen? Es ist der Koran! Zergliedert den Koran, und ihr stoßt nur auf fünf oder sechs Wahrheiten. Aber es ist eben ein Buch und wird damit zu einer unwiderstehlichen Macht.
Möge unser Handbuch darum auch der Rahmen werden, der uns alle umschließt. Haben wir sonst noch eigene Gedanken und Ideen, dann ist es gut: aber bringen wir alle unsere eigenen Ideen in Verbindung mit diesem Schatz, breiten wir sie über diese Grundlage aus, damit alles nur eine Ausstrahlung dieses Büchleins sei und es nur noch eine vollständigere Anwendung bringe: indem es sich ganz auf diese Grundlage stützt.
Es wäre wünschenswert, dass wir alle unser Handbuch hätten, und wir uns eifrig bemühen würden, es in unser Leben zu überführen.
Nehmen wir darum alle unsere klösterlichen Übungen ernst, dann wandeln wir nicht auf einem beweglichen Grund, sondern stehen überall fest und aufrecht und machen keine falschen Schritte.
Was die Betrachtung angeht, macht sie gewissenhaft nach der Methode, die ich euch angegeben habe, und die ich euch hiermit bestätige. Wollt ihr über ein Glaubensgeheimnis betrachten, sollen diese Überlegungen immer zu Gemütserhebungen und zur Einheit unseres Herzens und Willens mit dem Heiland führen. Für die Besuchung des Allerheiligsten empfehle ich euch dringend, wenn ihr zerstreut seid, und dem Herrn nichts zu sagen wisst, euch der „Besuchungen“ des hl. Alfons zu bedienen. Das ist ein kleines Büchlein, das sehr viel Gutes bewirken kann. Darin finden sich eine große Zahl von Zitaten aus Väterwerken, und es kann für uns zu einer wahren Fundgrube werden. Die Gläubigen sind damit bestens bedient und man kann es ihnen nicht genug empfehlen. Der hl. Alfons hat die Frömmigkeit in ganz Süditalien mit diesem kleinen Büchlein erneuert.
Machen wir die Gegenwart Gottes zu unserer Herzenssache. Soll das bedeuten, man müsse jeden Augenblick an Gott denken? Nein, es genügt, für ihn zu handeln, und ihm gefallen zu wollen. Wenn wir die Gute Meinung erweckt haben, und sollten uns Reaktionen unserer Natur überraschen, so haben wir jedenfalls in der Gegenwart Gottes gehandelt. Es ist nicht schwer, inmitten vieler Beschäftigungen des Tagewerkes oft und oft an Gott zu denken, und das macht sie gut und fruchtbar und verleiht ihnen großen Einfluss über die Seelen.
Vergessen wir nicht die Gewissenserforschung am Mittag, fünf bis sechs Minuten genügen, in denen wir das „Confiteor“ sprechen. Das ist ein Augenblick des Innehaltens und des Schweigens, der unsere Seele für den Rest des Tages in die Freiheit und Einheit mit Gott versetzt.
