Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 23.06.1886: Das Lehrgut des hl. Franz v. Sales und die Haupttugenden der Kongregation.

„Die Oblaten befolgen so viel als möglich die Grundsätze des hl. Franz v. Sales.“

Wir sollten uns mit allem, was wir im Direktorium und in den Schriften des hl. Franz v. Sales vorfinden, durchdringen und durchtränken. Jeder sollte darum stets ein Blatt Papier bei sich tragen, um zu notieren, was wir bei unserer Lektüre finden und was die Erfüllung unseres Amtes, das uns übertragen ist, fördern kann. Von allem, was uns begegnet, sollten wir profitieren, und sorgfältig zurückbehalten, was unseren Bedürfnissen entspricht.

Was die Studien in unseren Kollegien betrifft, heißt es überall die Einheit wahren, damit alles genau und einheitlich gestaltet sei. Im Gedanken des Hl. Vaters Leo XIII. und im Segen, den er all jenen erteilt, die mit uns zusammenarbeiten, erkennen wir, dass jeder persönlich den Willen Gottes erfüllt, der bei unseren Werken mitarbeitet. Darum suchen wir keine anderen Methoden als die des hl. Franz v. Sales. Wir identifizieren uns mit allem, was er gelehrt hat. Mit Gottes Gnade sind wir treue Söhne des hl. Franz v. Sales, leisten gute Arbeit und setzen sein Werk fort. Und dann wird immer etwas davon Bestand haben und überleben. Wir erziehen aufrichtige, tief überzeugte und echte Christen. Die Erziehung selbst trägt sehr stark zum Erwerb dieser Ehrlichkeit bei, wenn der Lehrer selbst diese Ehrlichkeit besitzt. Bemühen wir uns darum um einen klaren, lebendigen und aufrichtigen Glauben. Seien wir hochherzig, bringen wir alle Opfer und zeigen wir unseren Schülern, dass darin allein die Art besteht, ein echter Christ zu sein. Lassen wir sie nicht fad und weich werden. Seien wir stark im Glauben, damit sie es auch werden, mit jenem Glauben, der Berge versetzt. Bitten wir oft die Gute Mutter den hl. Franz von Sales, unseren hl. Stifter darum: „Domine, adauge nobis fidem.“ (Anm.: „Herr, vermehre unseren Glauben.“)! Seien wir losgeschält von uns selbst, damit sie auch losgeschält werden. Jungen Menschen fällt Losschälung nicht leicht, das erfordert Unterwerfung. Ordensleuten fällt das leichter. Nichtordensleute brauchen dafür einen energischen Glauben, den nichts zu erschüttern vermag. Beachten wir ferner, dass selbst Leute, die keinen Glauben haben, immer den Menschen verzeihen, die für etwas eine feste Überzeugung mitbringen, so wie man auch einem Menschen gern verzeiht, der Ehre hat.

Um Tugenden muss sich jeder von uns bemühen, und niemand ist davon dispensiert. Das ist also keine bloß fromme Ermahnung für uns, sondern ein Gesetz, eine Satzung. Viel Arbeit und Mühe erfordert es, seinen Willen biegsam und geschmeidig zu machen, Charakter und Glauben zu festigen. Diesen Artikel der Satzungen sollten wir uns abschreiben, um ihn jederzeit vor Augen zu haben und sich damit zu durchdringen. Bitten wir unseren Herrn und die Gute Mutter, uns beim Erwerb dieser Tugenden zu helfen, damit wir sie an andere weitergeben könne. Der hl. Paulus sagt: „Die Ringkämpfer trainierten sich durch ständiges Üben. Die christliche Seele stärkt sich ebenso durch Überwindung ihrer Neigungen.“