Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 19.05.1886: Die hl. Keuschheit.

Es ist sicher, dass wir die hl. Keuschheit wahren müssen. Ein katholisches Priestertum ohne Keuschheit gibt es nicht. Die griechisch-orthodoxe Kirche lässt die Heirat für die niederen Weihen zu. Die Päpste haben aus sehr ernsten Gründen diese Ordnung der Dinge geduldet, fordern aber wenigstens von allen Priestern das Gelübde der Keuschheit. Die Disziplin der Duldsamkeit scheint mehr und mehr zu verschwinden. Ich glaube, dass der Papst bei den Unierten niemand mehr zum Priesterstand zulässt ohne bedingungsloses Versprechen, die hl. Keuschheit zu wahren … (Anm.: „Hier befindet sich eine Textlücke!“) … In der Tat, was täte ein Priester ohne dies Gelübde? Ein verheirateter Priester kann keine Frau Beichthören, die christliche Moral protestiert dagegen. Ist die hl. Keuschheit aber für einen Priester schon notwendig, dann noch viel mehr für den Ordensmann. Kein Mönch ohne Keuschheit!

Sie verpflichtet zur Wachsamkeit der Sinne. Der Teufel ist immer zur Stelle. Die Keuschheit ist ein beständiger Akt des Willens, der den Lauf der Natur korrigiert. Das Empfinden des Bösen ist an sich nicht schlecht. Schlecht dagegen ist, ihm zuzustimmen. Die Versuchungen, weit entfernt, in sich schon ein Hindernis zu sein, werden für gewisse Seelen sogar zu einer ganz besonderen Quelle von Gnaden.

Ein origineller Priester hatte ein Beichtkind, das er nicht voranbrachte. Da bat er den Herrn, er möge diesem jungen Mann Versuchungen schicken. Er wurde daraufhin so stark versucht, dass er nicht mehr ein noch aus wusste. Da verspürte er so stark das Bedürfnis nach Gott, dass er sich auf Gedeih und Verderb seinem Beichtvater auslieferte, der ihn nach Belieben lenken konnte. Der Beichtvater selber hat mir das erzählt. Die Versuchung erhält uns in der Demut und im Vertrauen.

„Mors ascendit per fenestras.“ (Anm.: „Der Tod dringt ein durch die Fenster.“). Die Mehrzahl unserer Untreuen beginnt mit Blicken.

Die Worte. Dass ein Oblate zweideutige Worte vermeidet, versteht sich von selbst. Er meide aber auch grobe Worte, die Derbheit und bäuerliches Wesen verraten. In Gegenwart von jungen Mädchen lässt man Wort entfallen, über die sie ihre Bemerkungen machen, Worte, die sie übel auslegen. Bei den Gesprächen heißt es gut achten auf den Ton der Unterhaltung mit den verschiedenen Menschen, mit denen man zusammenkommt. Es gibt Leute, besonders Frauen aus dem Volk, aber auch „bessere Leute“, alte Gräfinnen, z.B., ich habe solche gekannt, die sich darauf etwas zugutetun, dass sie grobe Redensarten gebrauchen. Wir wollen immer die Würde wahren mit unseren Gesprächspartnerinnen und das Gespräch abzulenken suchen, vor allem aber außerordentlich achtgeben auf unsere eigenen Worte.

Auch im Beichtstuhl heißt es auf der Hut sein. Manche Beichtkinder sprechen gern von derlei Dingen und möchten alle sieben bis acht Beichten eine Generalbeichte ablegen, um sich das Vergnügen solcher Dinge zu erlauben. Hier bedarf es großer Umsicht. Eine Beichtende soll man nie grob anfahren, sondern leiten und ihr verständlich machen, dass es besser wäre, anders zu handeln. Vor zwei Dingen heißt es sich da hüten: entweder man gibt sich Blößen, sie stoßen nach, um zu sehen, wie weit sie mit uns gehen können, oder aber man wahrt allzu sehr die Distanz. Auch das ist zu vermeiden, weil sie dann einem anderen Gebiet Fallen zu stellen suchen. Wir sollen da dem Wasser gleichen, das zunächst den Schmutz abwäscht und dann selber allen Schmutz zurück weist.

Die Gedanken. Der Gedanke erweckt den Wunsch aber die Tat. Der Gedanke kann allein schon schwer schuldhaft sein, wenn man ihm zustimmt.
Wir haben das Direktorium, das unser Leben ausfüllen soll, und den Gehorsam, um uns zu beschützen. Beschäftigen wir während der Versuchung unseren Geist mit unserem Unterricht, unseren Studien, und konzentrieren wir unsere Gedanken darauf. Widmen wir uns den Gedanken des Direktoriums, die genügen, um die Leere zwischen unseren Arbeiten zu füllen. Wir wollen uns jedenfalls nur an Gott anschließen. Lieben wir die Arbeiten, die Gott uns anvertraut, lieben wir die Mensch, zu denen Gott uns sendet, die Seelen, die wir zu Gott führen sollen. Hüten müssen wir uns sehr vor allen Anhänglichkeiten, die niemals ein gutes Resultat zeitigen, sondern nur unheilvolle Konsequenzen haben. Jeder Ordensmann, der Anhänglichkeiten liebt, verliert unfehlbar seinen Beruf. Was soll man in solchen Fällen tun? Seinen Oberen oder Novizenmeister verständigen, ihm den Funken aufzeigen, der zum Feuer entbrennen will. Der Ordensmann, der nicht offen darüber spricht, verliert die Gnade Gottes, und alles, was er in Angriff nimmt, misslingt. Gott lässt auch oft die Verleumdung und üble Nachrede zu.

Ich möchte diese Morgenunterhaltung beschließen, indem ich euch empfehle, euch an die Lehre der Guten Mutter zu halten. Nehmt im Gebet zu ihr eure Zuflucht. Das Werk, das sie unternommen hat, ist, wie sie immer wieder beteuert hat, von Gott gewollt. Es liegt somit eine große Gnade darin verborgen. Arbeiten wir in Vereinigung mit ihr. Das ist umso notwendiger, als die gegenwärtigen Umstände schwierig sind. Es ist der Kampf Satans gegen Gott in der Welt. Die Lehre der Guten Mutter bestand aber gerade darin, Gott überall dort an seinen Platz zurückzuversetzen, wo die Irrlehrer unserer Zeit ihn vertrieben haben.

Der Antichrist wird kommen, sagt der hl. Paulus, wenn die Welt sich gegen alles Göttliche erheben wird. Bitten wir die Gute Mutter, sie möge ihre Lehre in den Herzen verbreiten, damit wir auf die von ihr aufgezeigte Lebensart leben, immer und überall in Gott und seiner Liebe zu stehen. Bitten wir bei der hl. Messe und Kommunion darum. Für mich bedeutet es ein großes Glück, festzustellen, wie die Gute Mutter uns immer mehr auf den Weg führt, der dem Lauf der Welt direkt entgegengesetzt ist.