Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 07.04.1886: Der Gehorsam.

Das Gehorsamsgelübde lässt sich nur dann praktizieren, wenn man sich auf den Standpunkt des Glaubens einer übernatürlichen Lehre und Gnade stellt, wenn man also übernatürliche Mittel benutzt Der Gehorsam des Menschen gegenüber verdient keine Bewunderung, sondern ist Feigheit, weil niemand das Recht hat, seinem Menschenbruder zu befehlen.

Im Gehorsam heißt es entschlossen sein, sagte die Gute Mutter. Mit ihm darf man nicht diskutierten, es wäre eine verlorene Zeit. Ob der Gehorsam gelegen oder ungelegen kommt, spielt keine Rolle, wenn es dabei um uns geht. Wir müssen uns da in der Gegenwart unseres Herrn halten, der der seligsten Jungfrau, dem hl. Josef und allen Menschen mit Autorität gehorcht hat. Das ist der Beweggrund, den unsere Satzungen unserem Gehorsam geben. Das Beispiel Gottes selbst also, und die Gnade, die dieses Beispiel begleitet, wird uns die Kraft verleihen. Das Ordensleben ist ein eigenartiges Leben und kein bürgerliches, kein Familienleben, kein Zusammensein von Freunden unter sich. Es ist ein Leben „sui generis“.
Um es zu praktizieren, muss man sich auf eine andere Grundlage stellen, auf andere Grundsätze stützen. Der Gehorsam setzt sich nicht aus Akten der Knechtschaft zusammen, sondern der Freiheit. Darum sind niedrige Wesen und viele Menschen zu einem klösterlichen Gehorsam unfähig. Es ist ein großartiger, edler, heldenmütiger Akt. Das ist der wahre Standpunkt, auf den wir uns stellen müssen., kein anderer ist hier zulässig. Verstandesüberlegung kann uns soweit führen, doch die Gnade allein wird es überall schaffen. Wenn wir wollen, dass unser Herr uns liebt, müssen wir gehorsam sein wie er „usque ad mortem, mortem autem crucis“ (Anm.: „Bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz.“). Wir sollen gütig und demütig sein. Wem diese Überlegung möglich ist, kann sich seines Herzens bedienen, um sich das Gehorchen zu erleichtern, sonst muss man sich auf Vernunftschlüsse stützen.

Gehorchen wir prompt, sagen die Satzungen. Das ist klar und bedarf keiner Erklärung.

Gehorchen wir freudig, weil es sich um einen ausgezeichneten und verdienstlichen Akt für den Himmel handelt, der dem Martyrium gleichkommt. Der hl. Thomas lehrt, Gott gehe bis ans Ende seiner Macht, um den Gehorsam auf Erden wie im Himmel zu belohnen. Es ist nicht zu begreifen, dass man freudig soll. Denn im Augenblick der Unterwerfung ist man ganz Schwierigkeit, man schwebt in Dunkelheit. Gehen wir aber dennoch freudig heran, weil wir da am sichersten finden.

Gehorchen wir mit Ausdauer, beharrlich. Nur gelegentlich gehorchen, verdient den Namen Gehorsam nicht, man muss immer gehorchen. Überhaupt, man muss ein entschlossener Mensch sein. Der Ordensmann ist ein Mensch, der sich ins Wasser wirft und darin untergeht und erstickt: er hat es gewollt. Mit dem Gehorsam soll man andererseits kein Aufhebens machen und ihn nicht als etwas Außergewöhnliches betrachten. Wir gehorchen in aller Einfachheit und Bescheidenheit. Der Gehorsam bleibt derselbe, ob ich einen Strohhalm aufhebe oder nach Südafrika gehe. Das ist keine in die Augen fallende Tugend, sondern eine unscheinbare, ein Veilchen, das zu Füßen des Kreuzes blüht.

„Sie werden ihr Urteil und ihren Willen unterwerfen“, sagen die Satzungen. Man befiehlt uns, dies oder das zu tun. Wir wissen aber, es endet mit einem Misserfolg. Was ist da zu tun? Auf welche Weise unser Urteil unterwerfen?

Zunächst können wir das, indem wir einfach sagen: Ich bin Ordensmann, muss darum gehorchen. Ich setze hier nicht lange mein Urteil in Bewegung, sondern gehorche einfach.

Sollen wir unser Urteil in dem Sinn unterwerfen, dass wir uns sagen: ich glaube, die befohlene Sache ist in sich die bessere, dass also weiß ist, was wir als schwarz sehen, trotz unseres anderslautenden Urteils? Nein, sondern wir bringen unser Urteil zum Schweigen, und folgen dem Gehorsam, indem wir unserem eigenen Urteil entgegenhandeln. Das ist die wahre Unterwerfung des Urteils.

Ich habe in einem Zeitraum von 30 Jahren keine Schwester der Heimsuchung gekannt, die ihrem eigenen Urteil, entgegen den Weisungen der Oberin, folgte. Dabei sind Frauen in Sachen des Geistes und Gewissens oft scharfsinniger und spitzfindiger als Männer, die unkompliziert gehorchen. Bei den Schwestern erlebte ich, was „Unterwerfung des Urteils“ bedeutet. Hier heißt es vorgehen wie bei den Versuchungen gegen die hl. Reinheit: den Gedanken kurz abschneiden. Ihr haftet nicht für die Tat, das Urteil kann revoltieren, sondern ihr seid allein verantwortlich für den Gehorsam, der trotzdem geschieht.

Kraft unseres Gelübdes des Gehorsams sind wir verpflichtet, uns nicht bei den Einwürfen unseres Urteils aufzuhalten, so wie wir auf Grund des Keuschheitsgelübdes gehalten sind, nicht bei schlechten Gedanken zu verweilen.

Der Gehorsam ist sicher das schwierigste Gelübde, das am meisten Gnadenhilfe braucht. Und um diese müssen wir in der hl. Kommunion beten. Betrachtet den Herrn in diesem Sakrament: er gehorcht da der Stimme eines Menschen, selbst eines schlechten Priesters. „In cruce latebat sola deitas, at hic latet simul et humanitas.“ (Anm.: „Am Kreuze war die Gottheit nur verhüllt, hier hüllt die Menschheit auch sich gnädig in ein Bild.“). Er löscht sich aus vor der Stimme eines Priesters. Betrachtet ihn in seinem Ölberg-Todeskampf, seht ihn an am Kreuz, wo er allen gehorcht, die sein Kreuz umstehen. Durch solche Gedanken können wir uns stärken und so bis zum Gehorsam vordringen.

Diesen Gehorsam schulden wir dem Generaloberen und allen anderen Vorgesetzten. In Rom wurden diesbezüglich vielerlei Übungen angestellt Der Gehorsam, den man den einen oder anderen leistet, hat zwar denselben Charakter. Kann man aber von einem Oberen einen höheren appellieren? Ja, weil es Naturgesetz ist. Hat man aber Glaubensgeist, dann wird man dem Lokaloberen ebenso gehorchen wie dem höchsten und Gott wird dem dieselbe Gnade verleihen, der an den Gehorsam glaubt.

Damit euer Gehorsam keine Unsicherheit aufweist, seid beim Gehorchen demütig und bescheiden, macht daraus keinen großen Fall, keine Zurschaustellung und kein Aufhebens, praktiziert dieses Gelübde vielmehr in der Stille eurer Seele und in der Demut eures Geistes. Vor allem aber muss man zur Gnade Gottes seine Zuflucht nehmen. Stehen wir vor einem schwierigen Gehorsam, so sollte man sich schon des Morgens bei der Betrachtung darauf vorbereiten, und im Voraus Urteil und Willen unterordnen. Der Gehorsam wird nur der Demut geschenkt. Er ist die Gabe der Gaben Gottes. Unser Herr hat ihn sozusagen auf eine unendliche Weise geübt, weil er Gott war. Der Gehorsam ist die innigste und stärkste Vereinigung, die es zwischen Gott und uns gibt. Denn durch ihn hat er uns erlöst. Sein ganzes Leben war ein einziger Akt des Gehorsams. Je mehr wir gehorchen, umso mehr leben wir in ihm und nehmen teil an den Verdiensten seines göttlichen Lebens und an der göttlichen Ähnlichkeit. Der Gehorsam ist die Tugend mit Auszeichnung.

Dem Ruf der Glocke sollen wir mit der größten Pünktlichkeit gehorchen wie der Stimme unseres Herrn selbst.

Kraft des Gehorsams bleibe jeder, wie die Satzungen bestimmen, im Rahmen seiner Kompetenzen. Es ist schon schwer genug zu gehorchen, ohne dass man sich auch noch in anderer Leute Zuständigkeiten mischt.

Die Satzungen geben die Möglichkeit, frei und ohne Kontrolle mit dem Papst zu korrespondieren. In der Erstausgabe der hl. Regel konnte man auch an den Bischof ohne Einsichtnahme schreiben. Das wurde gestrichen, weil es kein Daseinsrecht hatte. Der Briefwechsel mit dem Bischof gleicht dem der anderen und genießt kein Vorrecht. Bitten wir die Gute Mutter um die Gnade des Gehorsams, damit wir alles gut machen. Was am meisten kostet, ist am meisten wert. Im Gehorsam heißt es entschlossen sein, wie Menschen, die sich ins Wasser werfen und nicht fürchten, Haare und Füße zu nässen. Da heißt es allerlei Mühsale einstecken, vielerlei Hindernissen begegnen, aber die Gnade überwindet alles.