Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 10.03.1886: Das Noviziat. Das Gelübde.

Wir wollen wieder von den Novizen sprechen. Man ist nicht wirklich ein Ordensmann, ein redlicher Ordensmann, wenn man nicht sein ganzes Leben lang Novize bleiben will. Man darf sich also bei der Gelübdeablegung nicht emanzipieren wollen, sondern muss fortfahren, ein Novizenleben ganz zu führen.

Es ist ein großer Irrtum, der die Ordensgemeinden vor der Großen Französischen Revolution verdorben hat, nämlich allzu sehr zu unterscheiden zwischen Novizen und Professen. Welche Offiziere sind die besten in der Armee? Es sind jene, die auch in der Armee Schüler des Polytechnikums bleiben. Ein Priester bleibt kein vorbildlicher Priester, wenn er nicht die Gewohnheiten des Priesterseminars beibehält. Wenn ich in Paris mit dem Erzbischof zu verhandeln habe, sehe ich dort alte Priester, die diese Gewohnheiten bewahrt haben. Sie verkörpern Werte in sich, leiten die Diözese mit Weisheit und sind wirklich noch nicht aus St. Sulpice (Anm.: „Das Priesterseminar der Erzdiözese Paris“) ausgezogen. So sind sie alle im Erzbischöflichen Ordinariat.

In den letzten Tagen erhielt ich aus Südafrika einen schönen Brief. Pater Simon war gerührt, desgleichen die Schwestern. Sie hatten nämlich gefürchtet, sie hätten einige kleine Regelverstöße bemerkt. Vielleicht hatte man sich etwas zu viel an Freiheiten erlaubt… Gewiss kann man den Professen etwas mehr Weite des Geistes zugestehen als den Novizen, doch der Grundbestand muss derselbe bleiben. Man sollte nichts ändern am Noviziatsgehaben, alles hält sich gegenseitig, verkettet sich, der Mut und die Abtötung verbinden alles.

„Magnam aedificationem“ (Anm.: „Alles diene zur Erbauung.“), sagt der hl. Paulus, eins trägt das andere. Wenn du das Noviziat zerstörst, bricht alles zusammen. Was willst du tun, um alles wieder aufzubauen?
P. Becoulet schreibt mir, er habe sechsmal gegen die Abtötung im Esszimmer verstoßen. Man hat nur eine „Pappsuppe“ (einen Brei) zur Verfügung und davon nicht einmal genug. Wie schön das ist!

Alles soll aufs Noviziat aufbauen, und jeder bleibe, was er war! Wie ein Edelreis heißt es Neues auf Altes pflanzen, so wie man eine Bibliothek order seine Besitzungen vergrößert. Erinnert euch euer ganzes Leben lang an das, was man euch im Noviziat gelehrt hat und praktiziert es dann mir größerer Treue als damals im Noviziat!

Werdet immer klarer, indem ihr euch eurer eigenen Wertschätzung, eurer Ansprüche, und eurer Wünsche begebt, sogar dem Wunsch nach Fortschritt und Vervollkommnung. Hütet sorgsam das Gut des Noviziates, es ist ein wesentliches Gut. Bittet den Herrn inständig, davon nichts verderben und nichts entstellen zu lassen.

Sobald der Novize, sagt die hl. Regel, sein Probejahr vollendet hat, legt er die Gelübde für ein Jahr ab, erneuert diese während der nächsten fünf Jahre und legt dann seine ewigen Gelübde ab.

In der Heimsuchung bestimmt die Regel des hl. Franz v. Sales, dass diese Gelübde schon bei der ersten Profess ewige sin. Die Professen kehren fünf Jahre lang ins Noviziat zurück und werden deshalb erst nach dieser Spanne Zeit als richtige Professen betrachtet. Diese fünf Jahre sind damit noch echte Noviziatsjahre und man vollzieht sämtliche Übungen.

Später, wenn wir einmal zahlreicher sind, wird es gut sein, fünf Jahre im Noviziat zu verbringen, ohne dass die jungen Mitbrüder dadurch gehindert würden, dem Kapitel der Kommunität beizuwohnen. Diese doppelte Übung nützt der Seele sehr, und es ist nicht zu viel, sich fünf Jahre hindurch in der Praxis des Noviziates zu bilden.

Unsere Gelübde sind ewig. Diese fünf zeitlichen sind eher Versprechen zu nennen als eigentliche Ordensgelübde. Denn man gibt sich Gott nicht nur für ein Jahr hin. Das klösterliche Gelübde ist seiner Natur nach ewig. Daraus erhellt aber, dass es sehr notwendig ist, dass die jungen Professen solange wie möglich den Übungen des Noviziates folgen.

Gewöhnen wir uns an, im Ordensleben so zu handeln, als wären wir immer im Noviziat und wären als Letzte angekommen. Dann kann Gott Großes mit uns und durch uns wirken. Jedes Mal, wenn ihr, Oblaten, etwas aus euch selbst tut, aus eigenem Wollen, eigener Anstellung, wird es zusammenbrechen und ihr habt Misserfolg. Immer, wenn ihr etwas tut, um euch selbst zu gefallen, selbst in den Angelegenheiten Gottes, und es nicht aus dem Gehorsam kommt, wird es ein Fiasko werden. Das war bei uns immer so, und ich wünsche, dass Gott euch jederzeit so behandelt wie kleine Kinder, mit dem „Schmiedehammer“. Unserem Herrn hat es so sehr Freude gemacht, mit Kleinen zusammenzuarbeiten.