Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 25.02.1885: Exerzitien und Volksmissionen.

„Exerzitien und Volksmissionen werden nur auf ausdrückliches Verlangen der Pfarrer und Oberen übernommen.“
Dieser Artikel hat seine Wichtigkeit. Es kommt häufig vor, dass Pfarrkinder um eine Volksmission bitten. Sie brauchen eine Erneuerung in der Frömmigkeit durch eine ihnen etwas weniger bekannte Persönlichkeit. Die Satzungen ordnen an, dass wir dazu die Zustimmung des Pfarrers einholen. Sonst könnte daraus mehr Nachteil als Vorteil entstehen. Es wäre nämlich zu viel des Guten, wollte man Menschen gegen ihren Willen Gutes aufdrängen. Unser Herr hat nicht so gehandelt. Die Gute Mutter Maria Salesia pflegte ihren Nonnen zu sagen: „Mir wurde die Gabe zuteil, mehr den Seelen Gott zu bringen als selber die Seelen zu Gott zu führen.“ Das ist auch unsere Rolle. Möge unser Eifer und unsere Aktivität noch so groß sein, wir finden Nahrung für unseren Eifer immer im Opfer, das wir aus unserer eigenen Substanz Gott darbringen. „Dabei wird man nichts ohne Rücksprache und Zustimmung des Pfarrers beginnen... Dieses Einvernehmen wird in wunderbarer Weise den Erfolg der Mission fördern.“ Wir brauchen doch eine gewisse Sicherheit, dass Gott das begonnene Werk fortführen wird. Denn ohne das wäre unsere Arbeit eine Frucht, die unter anderen Früchten zu faulen beginnt. Was vor allem nottut, ist, die Seelen dahin zu bringen, dass sie beichten und kommunizieren, denn da sucht Gott ihre Seelen heim, und das ist eine große Gnade.

Mit „äußeren Werken“ sind die Errichtung von frommen Kongregationen, Bruderschaften, u.ä., gemeint. Es leuchtet ein, dass dazu die Übereinstimmung mit dem Pfarrer gesucht werden muss. Können wir doch keinerlei anderen Einfluss ausüben als jenen, der von oben kommt. Wir haben nur Macht, Gott herabkommen zu lassen. Aus eigener Kraft und Vollkommenheit vermögen wir hier nichts. Alles rein Menschliche heißt es da zurückstellen: darum betreiben wir auch keine Politik und kümmern uns nicht um äußere Dinge, sondern überlassen die Sorge dafür der göttlichen Vorsehung. Wir wollen in den Volksmissionen und den Seelsorgewerken immer die kleinen Rollen übernehmen. Gebrauchen wir nicht Worte wie: „die Ehre des Ordensstandes“ oder „die Mission, mit der wir betraut sind.“ Nein, diese Rolle ist nicht die unsere. Denn die Rolle Gottes beginnt immer erst da, wo wir aufhören. Er beginnt nicht nur, sondern setzt auch fort und vollendet. Das ist unser Geist und unsere unabänderliche Regel. Selbst wenn unsere Sendung uns zu Werken bei Laien riefe, wollen wir erfinderisch sein, den anderen zu helfen, das Gute zu wirken. Auch auf unsere Kosten. Sollte also der Gedanke der Bruderschaften sich ausbreiten, wie es den Anschein hat, falls diese Bruderschaften sich bilden und wir gerufen werden, unsere Mithilfe zu leisten, dann wollen wir beten, dass die Dinge ihren guten Lauf nehmen, und wollen den anderen durch unsere Gebete und Ratschläge zur Seite stehen. Jedes Mal aber, wenn der Verlauf nicht unserem Verständnis entspricht, wollen wir uns bescheiden zurückhalten und unseren Herrn in seinem Denken und Handeln nachahmen.

„Man spreche mit dem Pfarrer und füge sich seiner Entscheidung.“
Was vom Pfarrer gesagt wird, gilt von allen Oberen. Hält man in einer Klostergemeinde geistliche Exerzitien ab, so beachte man, was in der Kommunität den Ton angibt: es ist die hl. Regel und der Obere. Man soll nicht die Zügel auf Kosten der Regel und der Vorgesetzten an sich reißen wollen: das wäre ein Diebstahl, eine wahre Erschleichung. So ist es doch auch in der Familie: darin Fuß fassen und unsere Autorität aufrichten wollen auf Kosten derer, denen sie zusteht, wäre völlig unangebracht. Es wäre erbärmlich. Wir dürfen also nie etwas ändern, und umstellen wollen. Unser Herr sagt zu den Aposteln: Ihr seid das Salz der Erde, nicht die Könige, die Gewürze, sondern das Salz. Das Salz erhält die Sache in einem Zustand, in den die Natur oder Gott sie gesetzt hat. Nichts anderes darf uns leiten. Wir dürfen uns nicht mit den Vollmachtsträgern der Kirche verwechseln, wir bleiben immer nur Hilfskräfte. Um das gut zu begreifen, muss Gott es uns eingeben, und er schenkt uns diese Einsicht, wenn wir willig auf die uns gegebenen Richtlinien eingehen. Wir richten uns da ganz nach dem Geist unseres seligen Vaters. Bischof Macedo von Para in Brasilien sagt, um die Mauer der Freimaurerei niederzureißen, braucht es übernatürlicher Hilfen, und Franz v. Sales gibt uns die besten davon. Darum bittet er um Unterstützung bei den Oblaten und dem „Werk des hl. Franz v. Sales.“ Denn Freimaurerei heißt Kampf des Menschen. Um sie zu zerstören, bedarf es des Kampfes Gottes. Beten wir zur Mutter Maria Salesia, sie möge uns diesen Geist vermitteln. Das waren ihre letzten Wünsche und Versprechungen. So werden wir in der Kirche keine unnütze Kongregation sein.