Kapitel aus dem Jahre 1882 (ohne Datumsangabe): Der erste Artikel und der erste Wunsch.
„Ihres ganzen Lebens und all ihrer Übungen Ziel soll sein, sich mit Gott zu vereinigen.“
Dieser erste Satz fasst das ganze Direktorium zusammen. Unser Leben hat nur ein Ziel, einen einzigen Akt: uns mit Gott zu vereinigen, absehen von all unseren Fähigkeiten, menschlichen Mitteln und Möglichkeiten, uns selbst auszuschalten.
Das Direktorium führt zur vollkommenen Abtötungen unserer Eigenliebe, um die Liebe zu Gott an ihre Stelle zu setzen. In den anderen Orden finden wir am Anfang der Ordensregel bedeutsame Traktate über zu übende Tugenden, die Demut, die Abtötungen etc. Man nimmt seine Zuflucht zu menschlichen Mitteln und Fähigkeiten, Kräften des Körpers, um zu diesen Tugenden zu gelangen und mittels dieser Tugenden zur Vereinigung mit Gott. Diese Mittel aber liegen nicht in der Reichweite aller. Der hl. Franz v. Sales fasst alles in der Liebe und der Gottvereinigung zusammen. Und die hl. Kirche nennt diesen Weg „tutum ac planum“ (Anm.: „Sicher und eben.“). In den anderen Orden geht man mit Hilfe Gottes zu den Tugenden. Das soll nicht heißen, man sei schon vollkommen, sobald man das Direktorium übt. Aber man kommt zur Vollkommenheit, indem man es übt und mit ihm erwirbt man alle Tugenden. Um es aber zu verstehen, und zu üben, ist ein gewisses Niveau des Geistes und Urteils erforderlich, was nicht jedermann gegeben ist.
„…um durch Gebet, Arbeit und gutes Beispiel…“ Wir sollen beten für unsere Eltern, Verwandten, Freunde, etc. und wenn unsere Gebete nicht für den, für den wir eintreten, das erbetene Heil erlangen, so werfen diese himmlischen Gunsterweise eben anderen zuteil. „Wir haben kein anderes Band als das der Liebe.“ Der hl. Franz v. Sales lässt alles auf der Liebe ruhen, auf der Liebe zu Gott wie zum Nächsten. Man liebt freilich Gott leicht ein bisschen auf seine eigene Art und Weise. Was dagegen die Nächstenliebe betrifft, so ist das etwas mit Händen zu Greifendes: Verschiedenheit der Charaktere, der Geschmäcker, der Ansichten, etc. Die Gute Mutter hat, und das wird ihre Heiligsprechung am meisten fördern, niemals ein Wort gegen die Liebe gesagt, nicht gegen eine einzige ihrer Schwestern.
„Denn stark wie der Tod ist die Liebe.“ Der Tod unterwirft sich alles uns verschont niemand. Desgleichen die Liebe. Sie weicht keiner Leidenschaft und verschont keine. „Unbeugsam wie die Hölle.“ Die Hölle kennt kein Nachgeben, ändert sich nie, hat nicht heute diese Meinung und morgen eine andere.
