Kapitel vom 22.01.1880: Ehrlichkeit gegenüber Gott.
Unser Vater sagt, heutzutage werde man überall versucht. Erregte Epochen wie die unsrige erschüttern nicht nur das Äußere, sondern vornehmlich die Seelen. Die Willen sind erschlaffen, die Geister verdunkelt, so dass die Seele den rechten Weg nicht mehr entschlossen zu betreten versteht, den sie nicht klar erkennt. Was wir jetzt erleiden, erleidet die ganze Welt, und Gott lässt diese Augenblicke der Krise zu, um zu prüfen, wozu wir fähig sind. Die Früchte der Bäume, die gut sind, bleiben hängen, aber jene, die nur locker verankert sind, widerstehen nicht den dem Baum mitgeteilten Stößen.
Das Heilmittel nun gegen diese allgemeine Versuchung, ist die Ehrlichkeit Gott gegenüber, eine sehr seltene Tugend. Denn man belügt sich selbst ebenso wie Gott. „Omnis homo mendax.“ (Anm.: „Jeder Mensch ist ein Lügner.“), sagt der Psalmist. Darum müssen wir Gott gegenüber aufrichtig sein. Was wünscht er von uns, was will er? Das müssen wir uns in aller Wahrheit fragen, und dem müssen wir uns in aller Offenheit und ohne Einschränkung hingeben. Wir dürfen die Dinge nicht nur halb tun oder dreiviertel, sondern ganz.
Stehen wir darum ehrlich zu unserer Klosterdisziplin, zu unserem Direktorium, mit allem, was Gott von uns erwartet. Das war die Tugend des hl. Petrus. Er hat Fehler begangen, seinen Meister verleugnet, und doch sucht dieser verirrte Wille immer wieder ehrlich seinen Meister. Sobald er ihn auf dem Meer erkennt, eilt er über die Wogen auf ihn zu. So müssen auch wir, sobald wir ihn erkannt haben, sei es auf den Wogen oder mitten in der Hölle, geradewegs auf ihn zueilen.
Bitten wir darum füreinander um diese Ehrlichkeit als Hauptgnade, die wir von unserem seligen Gründer an seinem Festtag zu erlangen wollen.
Kürzlich gesammelte Dokumente bezeugen, dass kein Heiliger mehr als er zu leiden hatte. In Annecy gibt es ein Zimmer, wo alle jene Papiere zusammengetragen sind, die beweisen, welchen Verfolgungen er allein wegen der Gründung der Heimsuchung ausgesetzt war. Hier heißt er sich entscheiden: alles oder nichts. Wollen wir den gleichen Weg betreten, machen wir uns auf die Prüfungen gefasst. Und diese werden umso härter sein, als wir treu sind. Sie kommen vor allem zum Fest unseres seligen Vaters und vielleicht auf eine unerwartete und besondere Weise.
