Kapitel vom 12.02.1880: Das Fasten.
Unser Vater sprach zu uns über das Fasten der Fastenzeit. Wir können es wegen unseres Lehrerberufes nicht beobachten, das ist sehr bedauerlich. Wir müssen das, was die Kirche will und anordnet, glauben. Wenn die derzeitigen Verhältnisse uns das Fasten unmöglich machen, muss es gleichwohl die Lehre der Kongregation sein, dass die Kirche recht hat, dass sie immer recht hat. Dass das Fasten nicht nur unserer Seele, sondern auch unserem Leibe nützt. Im Allgemeinen schreiben auch die Ärzte das Fasten vor, weil viele wollen, man solle sich vor allem Fleisch als unersetzlichem Hauptnahrungsmittel nähren, was aber dem Hl. Geist widerspricht. Wir wollen lieber unser Vertrauen nicht auf derlei Dinge, sondern auf Gott setzen, auf seine Befehle und seinen ausdrücklichen Willen.
Hegen wir besonders in unseren Krankheiten dieses Vertrauen! Dehnen wir es auf die Sakramentalien der Kirche aus, weil es in diesen Dingen nie zu groß sein kann. Sagen wir, wie es die Heiligen taten: „Medicinam carnalem corpori meo numquam adhibui.“ (Anm.: „Eine fleischliche Medizin habe ich meinem Leib nie gegeben.“).
Und schließlich bemühen wir uns darum, einen Ersatz für dieses Fasten zu finden. Das ist der ausdrückliche Wille der Kirche. Wenn sie vom Fasten befreit, ist das nur ein Zugeständnis, das sie nur unter der Bedingung macht, dass wir für Ersatz sorgen. Darum verpflichtet sie auch in der Fastenzeit zum Almosengeben. Das Almosen verlangt aber Opfer. Wir müssen uns darum für streng verpflichtet betrachten, in der Fastenzeit mehr zu tun als zu anderer Zeit. Sämtliche Orden halten sich da genauer an ihre klösterliche Observanz. So sollte der Gedanke an die Fastenzeit uns jetzt stets gegenwärtig sein. Wenn wir uns also z.B. beim Aufstehen gehen lassen aus Trägheit, so sollten wir jetzt unsere Energie verdoppeln, um uns zu überwinden. Im Speisesaal wollen wir ebenfalls exakter unsere Abtötung praktizieren.
Treten wir großmütig und frei in diese hl. Vierzig Tage ein, gehen wir voran, ohne rückwärts zu schauen. In unseren Beichten sollte sich unsere Gewissensprüfung nicht allein auf die Gebote Gottes beschränken. Sehen wir auch nach, welches unsere Schwächen und Unentschlossenheiten war. Ob wir fest und unabänderlich standhielten.
Heften wir uns an die Fersen unseres guten Meisters, der gefastet und gehungert hat. Lieben wir ihn, nicht bloß mit einer Gefühlsliebe, das ist schon etwas, lieben wir ihn vor allem mit einer Tatliebe, die begierig all seine Worte sammelt, ohne auch nur eines zu verlieren, und die sie aufs Wort erfüllt. Trösten wir ihn auf diese Weise für die Vergesslichkeiten, Kälte und Beleidigungen, die er Tag für Tag ernährt. Ihm sei Ruhm und Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.
