Kapitel vom 05.06.1879: Gehorsam und Keuschheit.
Unser Vater erinnert uns daran, dass unsere Kulp, wenn sie gut ist, nicht nur die vorgebrachten Fehler sühnt, sondern auch die lässlichen Sünden. Darum sollen wir die vorgetragenen Fehler ehrlich bereuen, damit unsere Noviziatsvorträge uns so zur Reinigung verhelfen.
Er erinnert des Weiteren an den Preis des Gehorsams. Der Gehorsam ist das, was am meisten kostet und folglich uns am meisten heiligt. Der hl. Augustinus sagt es treffend, wie wir in den Lesungen des Breviers mitverfolgen können. Auf die äußeren Güter und selbst auf die Vergnügungen verzichten, ist wenig, groß aber ist, auf sich selbst zu verzichten (Anm.: „abnegare semetipsum.“) Der hl. Bernhard sagt, die Hölle sei der eigene Wille, das Paradies das Hängen am Willen Gottes. Unser Vater erläuterte uns den Artikel von der Keuschheit. Wir dürfen nie irgendwo hingehen, ohne von dieser Tugend eingehüllt zu sein wie mit einem undurchdringlichen Bollwerk. Meiden müssen wir Zuneigungen. Auf der Straße sollen wir auf eine geziemende Distanz vorausschauen und brauchen unseren Blick nicht zu senken, was nur auffiele. Man muss lernen zu sehen, ohne anzusehen. In der Unterhaltung vermeide man, was auch nur den Schein des Bösen haben könnte, denn was bei Laien Leichtsinn ist, wäre bei uns eine Gotteslästerung. Schneiden wir in unserem Inneren treu alles ab, was auch nur im geringsten die vollkommene Reinheit unserer Seele trüben könnte. Handelt es sich auch um etwas Verbotenes, so doch immer um etwas Gefährliches, und sei es auch nur die Zerstreuung, die daraus erwächst. Es besteht kein Zweifel, dass Gott hundertfach die Opfer belohnt, die man ihm auf diesem Gebiete bringt, und, kommen wir bei der Betrachtung auf keinen grünen Zweig, weil Gott nicht zu uns spricht, so brauchen wir nur bei uns die Schuld zu suchen.
Was unser Herz betrifft, dulden wir keine andere Zuneigung als die Liebe Gottes. Natürlich dürfen wir die Seele lieben, die uns anvertraut sind, doch muss Gott die Seele dieser Zuneigung und unsere einzige Liebe sein.
So also vergessen wir nie unsere Abtötungen des Speisesaals. Erfinden wir kleine Listen, um uns dort abzutöten. Übrigens soll sich nicht bloß in den Mahlzeiten der Anteil Gottes finden, sondern auch in der Freizeit und bei all unserem Tun. Uns gebricht es an Mut zu großen Bußübungen, darum müssen die tagsüber tausendmal wiederholten kleinen Opfer das Gewicht der großen Strengheiten der Trappisten und Kartäuser erreichen. Erweisen wir uns großmütig in der Annahme der Selbstüberwindungen. Denken wir daran, dass der Himmel zweifelsohne ein großes Gut ist, dass aber Gott gefallen ein noch viel größeres, ja ein unendlich größeres Gut ist.
Denn in der Tat ist der Himmel für uns bestimmt, Gott gefallen, aber für Gott!
Gehorsamserteilung:
Freitag: Erbitten wir uns den Geist Gottes.
Samstag: Beten wir, dass der Geist Gottes in uns und um uns herrsche in diesen Zeiten, wo das Böse mit verzehrendem Eifer tätig ist.
Sonntag: Bieten wir uns als Brandopfer Gott dar zur Sühne für die schrecklichen Beleidigungen, die gegen Gott und den Hl. Geist geschehen.
Montag (P. Rollin): Beten wir noch einmal zum Hl. Geist und opfern wir uns zur Sühne auf.
Dienstag (P. Rollin): Beten wir zum Hl. Geist, er möge uns erleuchten und entflammen, damit wir den Willen Gottes gut erfüllen.
Mittwoch: Erfüllen wir treu unsere Regelvorschriften.
Donnerstag: Die Gute Mutter Maria Salesia gelangte, wie einer ihrer Beichtväter bezeugt, zu dem hohen Grad der Heiligkeit, den sie erreichte, nur durch die gemeinsame Übung der klösterlichen Observanz. Bedenken wir, dass dies auch unser Weg ist, um zu Gott zu kommen.
