Kapitel vom 29.05.1879: Der Gehorsam.
Unser Vater las uns den Artikel vom Gehorsam vor. Der Gehorsam muss umfassend sein, und nach dem Franz v. Sales aktiv, nicht passiv. Der Ordensmann soll die befohlene Sache lieben, und sie auf der Stelle, freudig und liebevoll, tun. Das sollte, wie er sich ausdrückt, mit der feinen Spitze der Seele geschehen, weil es uns oft unmöglich ist, sie auch im niederen Teil unserer Seele zu vollziehen. Im Übrigen wird uns nicht vorgeschrieben, die befohlene Sache an sich zu lieben und der Triebkraft unseres Willens Gewalt anzutun, indem man ihn zwingt, etwas zu lieben, was ihm gegen die Natur geht. Lieben müssen wir sie aber, insofern sie uns auferlegt und infolge dessen Gott angenehm ist, wenn wir sie ausführen.
In den anderen religiösen Orden wird vorgeschrieben, unseren Willen dem Gehorsam unterzuordnen. In der Regel des hl. Franz v. Sales liegt mehr: es wird verlangt, dass wir auch unser Urteil mit unterwerfen. Das scheint ziemlich stark und schwierig, sobald wir einen Befehl erhalten, der unserer Einsicht und unserem Empfinden zuwiderläuft. Dann sollen wir zu uns sagen: Ich habe mich entschlossen, mich allen Befehlen zu unterwerfen, die gegeben werden. Darum tue ich es auch hier und zwar ohne Wenn und Aber, und darum unterwerfe ich mein Urteil. Steigen in uns nachher Gedanken auf, der Befehl sei schlecht, dann weisen wir diese Gedanken ab wie wir es mit den Gedanken gegen den Glauben oder gegen die hl. Reinheit gewohnt sind. Nun ist es aber nicht schwer, sich von einem Gedanken gegen den Glauben oder die Keuschheit abzuwenden. Ebenso vermag ein gehorsamer Ordensmann auch die Einflüsterungen des eigenen Urteils zurückzuweisen. Der hl. Bernhard lehrt, wenn wir uns auf unser eigenes Urteil verlassen, vertrauen wir uns einem Toren an. Wer sich blind dem Gehorsam anheimgibt, wirkt Wunder, und wir kennen eine große Zahl solch wunderbarer Taten. Eines Tages erfährt ein Jesuitenpater durch einen Brief, dass sein Vater in den letzten Zügen liegt, und nur er allein könne ihn noch dazu bewegen, zu beichten. Sein Oberer jedoch lässt ihn nicht heim. Das Urteil unterwerfen war hier schwer. Der Ordensmann kannte seinen Vater, dazu war er nur einige Meilen von ihm entfernt. Dennoch unterwirft er sich, und bald darauf erfuhr er durch eine Offenbarung während der hl. Messe, dass sein Vater soeben verstorben war und gerettet wurde. In der Tat kam bald darauf ein Brief mit der Nachricht, dass sein Vater bei seinem Pfarrer gebeichtet hatte und einen erbaulichen Tod gestorben war.
Die Mutter Maria Salesia Chappuis sagt, wenn der Mensch sich unterwirft und selbst dabei bedingungslos zurücksetzt, ist es nicht mehr er, der handelt, nein, es ist der Erlöser, der daraufhin seinen Platz einnimmt. Und Thomas erklärt fürderhin, die inneren Verzichte auf das eigene Urteil und den Willen ererben uns eine ähnliche Glorie und auch ein ähnliches Verdienst wie das Martyrium.
Möge Jesus, der der hl. Jungfrau und den irdischen Mächten gehorcht hat, uns den Gehorsam lehren.
Gehorsamserteilung:
Freitag: Entsprechen wir dem Willen Gottes, damit wir Gott den Anteil an Verdiensten, Mühsalen und Opfern anbieten können, die er von uns erwartet.
Samstag: Schätzen wir hoch den Entschluss, den Willen Gottes in jedem Augenblick zu erfüllen. Diesen Willen zeigt Gott uns an in den Regelvorschriften, durch den Mund der Oberen und die Ereignisse.
Montag: Bitten wir um unser tägliches Brot, besonders um das Licht und die Kraft, die wir brauchen, um jeden Augenblick dem göttlichen Willen zu entsprechen.
Dienstag: Freuen wir uns, das Joch unseres Herrn zu tragen, indem wir es freudig annehmen, was uns an Peniblem begegnet.
Mittwoch: Denken wir an die Himmelfahrt des Herrn. Erheben wir unsere Gedanken zur Gottesstadt, wo wir nicht eine Zeitspanne, sondern eine Ewigkeit verbringen sollen.
Donnerstag: Beten wir speziell zur Guten Mutter Maria Salesia.
Samstag (P. Rollin): Nichts widerspricht sosehr unserer Vereinigung mit Gott als unser Eigenwille. Handeln wir ihm darum treu zuwider.
Sonntag (P. Seguin): Bitten wir um den Geist Gottes, dass er unser Leben führe.
Montag (P. Seguin): Gesellen wir uns den Aposteln im Abendmahlssaal bei!
Dienstag: Erinnern wir uns der Tatsache, dass unsere Regeltreue der einzige Weg ist, auf dem wir zu Gott kommen!
Donnerstag: Unterwerfen wir uns dem Willen Gottes, weil er alles zu unserem Wohl anordnet und unsere Bedürfnisse, zur Heiligkeit zu gelangen, kennt.
