Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 15.05.1879: Die Kulp und die hl. Regel.

Unser Vater empfiehlt uns, die Übung der Kulp (Anm.: „Selbstanklage“) ernst zu nehmen. Sie erlässt nicht nur die dabei angeklagten Fehler, sondern auch die anderen. Der hl. Thomas unterscheidet zwei Ordnungen in der Kirche: 1. Prälaten (d.h. die Bischöfe) und Ordensleute, und 2. die übrigen Christen. Nun bestehen aber kein Zweifel, dass die erste Gruppe große Gnaden erhält, und das nicht bloß für die gute Verwaltung ihrer Ämter, sondern auch für ihre persönliche Heiligung. Das gilt auch für Ordensleute. Sie befinden sich auf einem Weg, wo ihnen die Gnaden Gottes überreich zufließen, falls sie sich keine Versäumnisse vorzuwerfen haben, die der göttlichen Freigebigkeit Grenzen setzen. Da Fälle aber nicht zu vermeiden sind, müssen wir diese Fehler durch das dem Ordensstand eigene Mittel sühnen: und das heißt, die öffentliche Selbstanklage (genannt die „Kulp“) üben. Wir sollen sie im Geist der Demut vornehmen.

Nach dem Beispiel des hl. Bernhard, der seinen Beichtkindern ein Vaterunser zur Buße aufgab, sollen auch wir dieses Gebet jenen auferlegen, die sich öffentlich ihrer Fehler anklagen, solange es sich um nichts Besonderes handelt.

Dann erklärte uns unser Vater die hl. Regel. Er sagte, an den Anfang der hl. Regel habe man ursprünglich eine Darlegung von Beweggründen gesetzt, die die Gründung der Oblaten bewirkt haben. Zu diesen Gründen zählten u.a. die Wünsche des hl. Franz v. Sales und der hl. Mutter Chantal, ferner die dringenden Bitten mehrerer Bischöfe. Die römische Kurie strich aber all das. Der Hl. Stuhl billigte oder missbilligte nämlich nur aus eigener Machtvollkommenheit, er ist unabhängiger Richter und braucht keine anderen Motive als seine eigene Entscheidung.

Die hl. Regel lässt uns das bloße Entscheidungsrecht unserer Güter. Besitzen wir z.B. ein Haus, so können wir es nicht verkaufen, vermieten, ausbessern oder sonst etwas damit tun. Die Verfügung über dieses Haus steht allein der Ordensgemeinde zu. In den Zivilakten jedoch steht es auf unseren Namen, und wollten wir darüber verfügen, bräuchten wir die Erlaubnis des Hl. Stuhles. Der Oblate darf nichts zu seinem Gebrauch haben ohne Wissen seines Vorgesetzten und er muss bereit sein, auf einen bloßen Wink des Oberen darauf zu verzichten. Er wird sich darum bemühen, gern die Wirkungen der Armut zu spüren, und wird dafür Sorge tragen, dass nichts von dem, was ihm anvertraut ist, zugrunde geht.

Schließlich soll unsere Armut sich nur auf uns persönlich beziehen, soll also nur uns einschränken, nicht die anderen. Beachten wir all das nach dem Beispiel unseres hl. Stifters, der diese Tugend in hervorragender Weise geübt hat. Einmal wollte ihm die hl. Franziska v. Chantal eine zweite Soutane schenken. Er aber lehnte ab, und meinte, er sei nur ein armer Bischof.

Gehorsam: Sich aufopfern als Sühne für alle Beleidigungen, die unserem Herrn angetan werden. Tun wir das aus einem Motiv der Liebe und Dankbarkeit.

Samstag: Es gibt viele Heilige und heilige Seelen in unseren Ländern. Wir sollten ihre Werke fortsetzen, das ist unsere Pflicht.
Montag: Beten wir besonders zur Guten Mutter.
Dienstag: Der Noviziatsassistent empfahl uns, wir sollten uns in einem ununterbrochenen Akt der Dankbarkeit gegenüber Gott befinden.
Mittwoch: Derselbe Pater empfahl uns, die Gegenwart Gottes zu pflegen und unseren Willen in Gott zu werfen.
Donnerstag: Unser Vater mahnte uns, viel für unser Vaterland zu beten.