Kapitel vom 08.05.1879: Aufnahme von Ordensleuten.
Unser Vater erklärte uns den Artikel der Regel, der von der Aufnahme von Ordensleuten handelt. Die hl. Regel erlaubt nicht, dass man Postulanten vor vollendetem 16. Lebensjahr aufnimmt, legt aber keinen Zeitpunkt fest für später, der ein Hindernis für die Zulassung von Älteren wäre, wie das bei anderen Orden der Fall ist. Das kommt daher, dass unser hl. Stifter das Werk der Vervollkommnung nicht auf uns selbst und unsere Anstrengung verlegt, sondern auf den Willen Gottes. Vollbringen wir also eine gute Tat, dann ist der Entschluss etwas Gutes und vermehrt unser Verdienst. Aber nicht dieser unser Entschluss bringt uns die Tat ein, wir brauchen vielmehr im selben Augenblick eine Hilfe Gottes. Da die Gebrechen des Alters aber nur auf einer Zulassung Gottes beruhen, hielt der hl. Franz v. Sales es nicht angezeigt, im Orden der Heimsuchung eine Altersgrenze festzulegen, und wir halten uns ebenfalls daran.
Wer bei uns aufgenommen werden will, soll es nach einigen Tagen auch werden. Diese wenigen Tage sind dazu bestimmt, ihn zu prüfen: Widersteht er der Versuchung, sich sozusagen verlassen vorzukommen, dann ist das bereits ein Beweis von Berufung, ein Zeichen, dass der innere Zug, in dem der hl. Stifter die Berufung sieht, fortbesteht. Die Beihilfe, die der Postulant beisteuern soll, regelt sich nach den Bedürfnissen der Kommunität, etc. Was uns betrifft, so wir arbeiten mit unseren Händen, richten Zelte auf, die unseren Herrn aufnehmen sollen, indem wir die Seelen der Kinder erziehen.
Wir machen es wie die Heimsuchung, die die Gewohnheit hat, die Postulanten vor der ganzen versammelten Gemeinde, einschließlich der Novizen, aufzunehmen. Diese Gewohnheit können wir beibehalten, können sie aber auch notfalls abändern. Die Novizen werden vom Kapitel zugelassen. Das Noviziat dauert zwei Jahre, während es in den anderen Kongregationen im Allgemeinen nur ein Jahr währt. Unsere Ordensregel ist nämlich so beschaffen, dass der Ordensmann, müsste er sofort die ganze hl. Regel praktizieren, schon nach 14 Tagen zermalmt und erschöpft wäre. Der Novize muss darum erst allmählich, je nach den empfangenen Erleuchtungen und Gnaden, die ihm von oben kommen, schrittweise zur vollkommenen Erfüllung seiner Regel gelangen. Darum gewährt man ihm zwei volle Jahre. Bei uns ist es nicht wie in den anderen Orden, wo die Betrachtung z.B. aufgeteilt ist in mehrere Punkte, Erwägungen, Vorstellungen, Affekte, wo man also bald seinen Geist, bald seine Phantasie in Tätigkeit setzt. Diese Betrachtungsweise wir uns nicht nur nicht empfohlen, sondern entspricht nicht unserem Geist. Unser Weg besteht darin, ganz einfach zu Gott zu gehen, uns in ihn ohne Methode und System zu werfen. Dazu bedarf es aber einer Grundlage inneren Lebens, und das erfordert seine Zeit.
Die Novizen müssen an die Praxis der drei Gelübde und des Direktoriums herangeführt werden. Mit dem Direktorium hat der hl. Stifter sein eigenes Leben beschrieben, die Weise, wie er selbst zu Gott ging.
Es ist notwendig, dass wir mit unserem hl. Stifter eng verbunden bleiben. Die Ordensgründer haben nämlich ihre Aktivität auf Erden nicht mit ihrem Tod abgeschlossen, sondern setzen sie im Himmel mit ihrem Beistand fort. Das trifft vornehmlich auf Franz v. Sales zu, und es ist eine Erfahrungstatsache, dass er machtvoll den Seelen beisteht, die sich ihm übergeben.
Gehorsam: Freitag: Treu auch die kleinen Regelvorschriften halten, um dadurch in einem beständigen Gehorsamsakt zu verharren.
Samstag: Unser Vater besteht noch einmal auf der Treue gegenüber Gott.
Sonntag: Das Werk des Erlösers geht mit dem Kreuzestod nicht zu Ende. Es muss sich vielmehr in der Folgezeit fortsetzen. Und das geschieht vor allem durch die Ordensleute. Verbinden wir unseren Willen innig mit unserem Herrn, damit wir so das Werk vollbringen, das er uns abverlangt.
Montag: Unsere Treue gegenüber Gott soll der Treue Gottes uns gegenüber entsprechen, die er übt in seinen Gnadenzuwendungen und indem er seine Verheißungen erfüllt.
Dienstag, Mittwoch, Donnerstag: Dem Willen Gottes treu entsprechen.
