Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 20.03.1879: Die Prüfungen. Hinweise betreffend das Direktorium.

Unser Vater empfahl uns zunächst ein unbegrenztes Vertrauen in die Führung der Vorsehung, inmitten aller Prüfungen, die uns begegnen können, indem wir nichts anderes sagen noch denken können als uns Gott auszuliefern. Was immer geschieht, wir sind sicher, dass alle zu unserem größten geistigen Wohl ausschlagen wird und uns ein Mittel zum Heil daraus erwächst, auf das wir vergeblich gewartet hätten. „Was mich betrifft“, sagte unser Vater, „so bin ich überzeugt, dass Gott alles zu unserem, selbst materiellen Nutzen lenken wird.“ Auf jeden Fall sind wir für die Kongregation wie für jeden einzelnen von uns eines großen geistlichen Profits gewiss.

Vor der Großen(Anm.: „d.h. französischen“) Revolution lagen die religiösen Orden am Boden darnieder. Die Verfolgung hat sie zweifelsohne wieder vom Boden aufgehoben und neu belebt, denn die Prüfung gereicht den Kindern Gottes immer zum Nutzen. Als ich zu Füßen Seiner Heiligkeit, des Papstes Pius IX. war, sagte ich ihm, wir würden viel beten für die Beendigung seiner Heimsuchungen. Er gab mir zur Antwort: „Was sagen Sie da? Man soll nicht darum beten, dass ich nicht mehr geprüft werde. Sagen Sie allen, denen Sie von dieser Audienz erzählen, der Papst wünsche nicht, dass man dafür bete, sondern dass er alle nötigen Gnaden erhalte, die Kirche gut zu leiten. Ihr seht, wenn die Prüfung uns trifft, darf sie uns nur noch fester zur treuen Observanz unseres Direktoriums und unserer Regeln zusammenschließen.

Dan las uns unser Vater den „Avis“ (Anm.: „Bemerkungen, Vorwort.“) über die Übung des Direktoriums vor. Als die Familien noch christlich waren, konnten sie sich die zum Ordensstand berufenen Ordensleute schon in ihren Familien auf ihren Beruf vorbereiten. Sie gingen ins Kloster, seit langem vorbereitet und trugen in sich einen starken Vorrat an Gottvereinigung. Doch unser hl. Stifter sagt, „anfangs sei es gut und angemessen, den Geist in geregelter Zucht und Tätigkeit zu halten“, bis die Seele zu einem der Zustände gelange, die er anführt. Im ersten, die Liebe des Wohlgefallens, nimmt die Seele in innerer Zufriedenheit alles, was ihr begegnet aus der Hand Gottes kommend an: Widerwillen, Tröstungen, Trockenheiten, Gesundheit oder Krankheit. Das ist ein vollkommener Zustand, und dabei erst der Anfang des geistlichen Lebens. Im zweiten Zustand, der Liebe des Wohlwollens, nimmt die Seele nicht nur, was von Seiten Gottes kommt, an, sondern sie legt ihr ganzes Vertrauen hinein, da alles für sie nur sehr gut und nützlich sein kann. Sie wirft sich in die Arme Gottes und überlässt ihm die ganze Sorge. Und schließlich im dritten Zustand ist die Vereinigung der Seele mit dem Willen Gottes so vollkommen, dass die Seele nichts anderes mehr will, als was Gott will.

Nur um diesen Preis entbindet uns unser hl. Stifter von den verschiedenen Übungen des Direktoriums. Kein Zweifel, wenn die Seele einmal dahin gelangt ist, nur noch zu wollen, was Gott will, braucht sie keine lange Vorbereitung auf die hl. Messe, das Offizium mehr.

Der hl. Stifter lässt am Ende dieses Artikels dem Novizenmeister die Freiheit, die Seelen auch auf einem anderen Weg zu führen. Er wusste, dass es auserwählte Seelen geben könne, die ihren speziellen Weg haben könnten. Solche Seelen sind aber rar. Es wäre vermessen, auf eigene Verantwortung Seele auf einem Sonderweg zu führen. Wir müssen uns vielmehr an das halten, was der hl. Stifter am Schluss sagt: „Die Erfahrung zeigt, dass der Weg des Direktoriums der richtige und vortreffliche ist.“

Gehorsamserteilung: Unser Vater empfahl uns in diesen vierzehn Tagen, aus der Hand Gottes treu alles anzunehmen, was uns begegnet und von Stunde zu Stunde selbst in den kleinsten Dingen seinen Willen zu erfüllen.