Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Vom Aufstehen der Oblaten.

„Es ist von größter Wichtigkeit“, sagt unser Vater, „dass alle, Patres und Brüder, die Gedanken des Direktoriums übernehmen und sich angewöhnen, nach Art des hl. Franz v. Sales zu Gott zu gehen.“ Obwohl wir an Gott auch auf eine andere Weise denken können, tun wir es nicht auf die Weise des hl. Franz v. Sales, dann sind wir keine Oblaten. Nach dieser Gussform müssen wir uns bilden, dieser Methode uns unterwerfen, zumal in den Anfängen. Später wird uns die Vielzahl der geistlichen Akte nicht mehr belasten. Sie wird zu einer Einheit verschmelzen, die alle die unterschiedlichen Akte einschließt.

Ohne diese Unterwerfung unseres Geistes unter unsere Methode in Form innerer Akte, ermangeln wir des Oblatencharakters. Wir sind dann vielleicht Regularkleriker, Christen, sogar Ordensleute, aber keine Oblaten des hl. Franz v. Sales. Den Oblaten eignet diese Besonderheit, dass  ihr inneres Verhaltensmuster (Anm.: „Das Directoire“) von Franz v. Sales gezeichnet ist und dass sie durch seine treue Befolgung ihren Stifter tiefinnerlich nachahmen.

Darum möge es sich jeder angelegen sein lassen, die Gedanken des Aufstehens zu übernehmen, die sich im Artikel des Direktoriums finden. Dazu bedarf es nicht unbedingt bestimmter Worte und Formeln, weil es sich um Gedanken und Herzenserhebungen zu Gott hin handelt. Da unser Leben ein Leben der Gottvereinigung ist, geziemt es sich, dass wir gleich im ersten Augenblick des Tages uns ganz in Gott versenken und im Herzen Jesu, unserer Wohnstatt, untergehen. Die übrigen Gedanken sollen dann ebenso liebevoll diesem ersten Gedanken der Liebe folgen.

Der „Engel des Herrn“ sollte einige Minuten nach dem Aufstehen läuten. Jeder soll ihn in diesem Augenblick beten, auch dann, wenn er nicht geläutet werden sollte. Dem „Engel des Herrn“ folgt das Morgengebet, das man mit großem Glauben beten soll, indem man sich ganz von der heiligen Majestät Gottes, die uns umgibt, durchdringen lässt. Wichtig ist, dass diese ersten Herzenserhebungen zu Gott lebhaft und brennend von Gottesliebe gebetet werden, sollen doch die Oblaten vom ersten Augenblick an Gott ungeteilt gehören und in ihn versenkt sein. Für das Aufstehen wird uns vor allem Pünktlichkeit und Schnelligkeit empfohlen. Im ersten Augenblick des Tages alles und mit Lebhaftigkeit Gott schenken, ist ein zarter Liebesakt, der das Herz Gottes rührt und zahlreiche Segnungen für den ganzen Tag auf uns herabruft, ein Mittel auch, stark und gut gelaunt allen kommenden Handlungen entgegenzustehen. Steht man nämlich verschlafen auf, dann „döst“ man sozusagen den ganzen Tag weiter. Möge sich darum jeder beim ersten Glockenzeichen frisch erheben, damit auf diese Weise Gott und nicht dem Teufel der erste Augenblick des Tages gehöre.