61. Ansprache zur Aufnahme ins Noviziat des P. de Hond am 29.03.1898
Mein lieber Freund, Sie kommen heute, um das hl. Kleid in Empfang zu nehmen und um Ihren offiziellen Eintritt in die Kongregation der Oblaten des hl. Franz v. Sales zu vollziehen. Sie kommen in einer speziellen Absicht, nämlich um Missionar zu werden.
Unser Hl. Vater hat uns vor ungefähr 20 Jahren zu einer ausgedörrten Küste Afrikas gesandt, die von einer z.T. fast noch wilden Bevölkerung bewohnt ist. Und dabei hat er gesagt: „Ihr werdet zu leiden haben, das dortige Klima setzt sehr zu, die Erde ist unfruchtbar und verweigert den Bewohnern oft die Nahrung. Die Bewirtschaftung ist schwierig, die Menschen dort verstehen nicht, die Erde zu bearbeiten. Manche wissen nicht einmal, wie sich kleiden und wohnen. Der Begriff von Gott ist bei ihnen sehr verdunkelt…“
Unsere Patres aber sind abgereist. Unsere Schwestern sind ihnen gefolgt, um diesen Flecken Erde urbar zu machen, den die hl. Kirche ihrer Obsorge anvertraut hat…
Ihre Bemühungen sind nicht ohne Frucht geblieben. Nach zehn Jahren haben sie die Liebe und Verehrung des Volkes errungen, das sie zivilisiert und für den Ackerbau gewonnen haben. Die Missionare haben sie gelehrt, gesunde Wohnungen zu bauen, haben ihnen Unterricht gegeben in Lebensart und Höflichkeit. Seitdem haben sie eine Kirche gebaut, eine wahre Kathedrale, und das in einem Land, wo es nicht Holz, nicht Eisen und Steine gibt, noch sonst etwas, was zum Hausbau notwendig ist, z.B. eine etwas längere Leiter… Sie haben die benachbarten Einwohner herbeigerufen, und die sind gekommen. Sie bringen ihr Kinder und lassen sich auf die Worte der Missionare ein.
Das ist es also, auf was Sie sich vorbereiten. Sie wollen sich ihnen beigesellen. Ich muss Sie aber darauf aufmerksam machen, dass man dort ein ganz anderes Leben führt als in unserem und in Ihrem Land. Man begnügt sich dort nicht damit zu predigen und Katechismus zu unterrichten. Der gute Bischof von Cape Town schrieb an den Papst: „Ich preise Gott, dass er mir Oblaten geschickt hat, weil das nicht mehr Ordensleute alten Stils sind: denn sie beten, unterrichten, treiben Landwirtschaft und bauen Häuser… Ich wünsche, dass man mir wieder solche sende, damit das begonnene Werk sich weiter ausbreite.“
Sie müssen dorthin also, mein lieber Freund, Ihr ganzes Herz mitbringen, die Kraft Ihrer Arme, die Hingabe Ihres Glaubens. Ständige Verzichte, mitunter von äußerster Härte, heißt es annehmen. Seit vier Jahren fehlt es der Mission an allem, die Sterblichkeit dort ist erschreckend hoch, das Elend furchtbar, die Heimsuchungen nehmen kein Ende. Unsere Patres zeugen in ihren Briefen von einer bewundernswerten Hochherzigkeit. Sie sagen, dass sie glücklich sind, dort zu sein. Dass sie ihren Posten nicht aufgeben, was auch immer geschehen mag. Dass sie wenn nötig, die Letzten sind, dort auszuharren und auch zu sterben.
So also sieht das Volk aus, das Sie in der Arbeit unterweisen sollen wie in der Tugendübung. Die Leute werden Sie freundlich aufnehmen, wenn sie hören, dass Sie ihre Sprachen sprechen. Kommt ein Fremder zu ihnen, dann verstehen sie ihn nicht, sind überrascht und verwirrt. Was will der uns denn sagen? … Er muss sich doch, so meinen sie, nach unserer Sprache und unseren Gebräuchen richten, nicht wir nach den seinen. Bei Ihnen ist das anders, denn wie zu Zeiten der Apostel können diese armen Leute ausrufen: „Audivimus unusquisque linguam nostram, in qua nati sumus.“ (Anm.: „Jeder von uns hört sie in der Sprache, in der wir geboren sind.“). Die Menschen sollen Sie lieben. Sie sprechen ja Ihre Sprache, sie werden darum auch Ihren Glauben verstehen. Und Gott wird, wenn Sie sich treu erweisen, Ihr Apostolat segnen.
Wie schön ist doch ein so verstandenes Apostolat! So hat es auch der Völkerapostel begriffen, das Apostolat: Von allen Aposteln hat er allein sein Handwerk beibehalten. Nachdem er mehrere Städte bekehrt hatte, blieb er längere Zeit in Korinth und fabrizierte Zelte: „Niemand hab ich um Brot gebeten“, konnte er den Ältesten von Ephesus sagen, „mit diesen meinen Händen bin ich für meine Bedürfnisse und für die meiner Gefährten aufgekommen. Ich habe euch freigebig das Wort Gottes ausgeteilt, ohne dafür etwas von euch zurückverlangen…“
Aber warum sollen wir nicht den ersten Arbeiterapostel anführen, Jesus Christus selber? Wie hat er sich denn auf seine Sendung vorbereitet? Nicht durch Studium. Gewiss hatte er das auch nicht nötig, da er allwissend war. Warum aber übte er bis zu seinem 30. Lebensjahr ein so hartes Handwerk aus? Er kommt, um Herzen zu gewinnen, Licht zu verbreiten, die Menschen einzuladen, ihm nachzufolgen, weil er gütig und selbstlos ist (sanft und demütig)…
Und darauf bereitet er sich gerade durch Handarbeit vor! Lange Jahre bleibt er Maria und Josef Untertan, isst jeden Tag sein Brot im Schweiße seines Angesichtes. Wer möchte da nicht gerne auch so handeln, wie er es uns da vorgemacht hat? Wer möchte nicht den Weg dieses göttlichen Erlösers gehen, um das Heil und die Wiedergeburt der Welt zu bewirken?
So werden auch Sie, mein lieber Freund, arbeiten und in Ihrer Handarbeit eine große Hilfsquelle und Hilfsmittel zu finden, um Ihren Verstand zu bereichern. Denn es gibt keine bessere Studiermethode als diese.
Ein großer Theologe, der später Erzbischof und Kardinal wurde, hatte bis zu seinem 20. Lebensjahr den Pflug geschoben. Ich kannte ihn gut, den Kardinal Gousset, Erzbischof von Reims. Wenn ich ihn besuchte, um ihn um Rat zu fragen, sagte er: „Ich bin schwerlich ein Gelehrter zu nennen. Darum verstehe ich nicht, wie der liebe Gott zulassen konnte, dass ich Bücher schrieb, die man gar nicht übel findet, und wie der Papst den Wunsch ausdrücken konnte, die Kirche Frankreichs möge sich mit meiner Lehre durchdringen…“ Woher kam das? Weil er gelernt hatte, indem er arbeitete, indem er seine Pflugschar lenkte. Die Gnade der Handarbeit teilte ihm eine Art eingegossenes Wissen mit…
Verharren auch Sie auf diesem Weg! Bringen Sie auch Ihre Mitbrüder soweit und flößen Sie ihnen denselben Mut ein und die Einsicht in die Mittel, mit denen Sie arbeiten und beten sollen. Jesus wird in Ihrem Herzen wohnen mittels seiner Gnade, der hl. Kommunion und des Gebetes. So bereiten Sie sich auf Ihre Zukunft vor und Ihre geliebte Mission.
Jetzt wollen wir Ihnen das hl. Ordenskleid überreichen und Ihren Namen unter die Oblaten des hl. Franz v. Sales einschreiben. Unsere Kongregation ist ja noch sehr klein. Aber die Gute Mutter hat gesagt, dass wir uns vermehren und viele Seelen gewinnen werden. Und bis jetzt preisen die Seelen, die zu uns gestoßen sind, den Herrn dafür.
Ich wiederhole für jene, die es nicht wissen sollten: Als ich in Rom zu Füßen des Papstes weilte und er Ziel und Zweck unseres Werkes vernommen hatte, rief er aus: „Was Sie tun, will Gott auch. Ich, der Papst, arbeite mit Ihnen… Gehen Sie nach Frankreich, gehen Sie auch anderswohin in die ganze Welt hinaus! Und um Gott Seelen zu erobern, seien Sie großmütig bis zum Blutvergießen, ‚usque ad effusionem saguinis.‘ Ich bin mit Ihnen. Und jene, die mit Ihnen arbeiten, erfüllen persönlich den Willen Gottes über sie…“
Ich weiß nicht, ob ein Papst jemals ähnlich Worte zu einem Ordensgründer gesprochen hat. Welch eine Garantie, welch eine Sicherheit! Wenn man also der Kongregation angehört, ist man sicher, den Auftrag auszuführen, den Gott uns übergeben hat. Und all unsere Handlungen werden voll verdienstlich.
Seien Sie gesegnet, mein lieber Freund. Unsere Gebete begleiten Sie heute und später an den fernen Küsten Afrikas, und mit den unsrigen vereinigen sich die Wünsche all jener, die Sie kennen und die an unseren Werken Anteil nehmen, vor allem die Wünsche jener, die uns im Himmel zusammen mit der Guten Mutter erwarten. Wie gern hätte sie auf Erden ihr Werk verwirklicht gesehen. Sie hat das Opfer gebracht. Gott aber wird ihre Wünsche erhören und wird durch ihren Dienst und den der anderen Oblaten Jesus in jedem Ordensmann wieder erscheinen lassen, damit er besser gekannt, mehr geliebt und ihm von den Seelen, die er uns bestimmt, gedient wird. Amen.
