Ansprachen

      

53. Ansprache zum Thema „Gottvereinigung in Gebet und Arbeit“ anlässlich einer Einkleidung und einer Profess am 29.04.1897.
- gehalten zu St. Bernhard -

Während eures Noviziats studiert ihr, meine Freunde, die Mittel eure Seelen sowie die Seelen der anderen zu heiligen.

Darüber habt ihr sicher viele Belehrungen, Betrachtungen und Übersichten erhalten. Das ist notwendig, da es ja unzulässig ins Kloster zu gehen, ohne dass man sich in seinem Geist und seinem Herzen häufig Gedanken über dieses Ziel macht. Ihr habt euch sicher schon oft die Frage gestellt: Wie muss ich mich dabei anstellen? Über welche Hilfsquellen kann ich zu diesem Zweck verfügen?

Unter diesen Mitteln gilt uns eins, an das ihr vielleicht nicht gedacht habt. Es wurde uns aber unmittelbar von unserem Herrn gegeben.

Wenn ihr wollt, dass Gott mit allem sei, was ihr unternehmt, wenigstens in der Ordnung der Glorie und des göttlichen Willens, dann beherzigt folgenden Text:

„Dico vobis quia si du ex vobis consenserint super terram, de omni re quacumque petierint, fiet illis a Patre meo qui in caelis est“ (Anm.: „Ich sage euch, wenn zwei von euch einig sind auf Erden, werden sie von meinem Vater alles erhalten, um was auch immer sie bitten.“).

Was ist also zu tun, wenn wir Erfolg haben wollen? Wir müssen, wenn uns irgendein Werk zusammen mit einem Mitbruder oder mehreren Mitbrüdern übertragen wird, unsere Willen zur Übereinstimmung bringen. Man muss sich verständigen und einig werden und dann mit ganzem Herzen sich an die Arbeit machen. Unter dieser Bedingung erlangt das Gebet, das zum Himmel steigt, unfehlbare Erhörung. Der Obere befiehlt etwas. Ob das nun eurer Natur liegt oder nicht, ihr stimmt zu, „consentiens“, gebt euch dann der Sache mit ganzem Herz hin. Dann habt ihr Erfolg und euer Gebet wird erhört…

Der Erlöser wird mit euch sein. Wenn er aber dabei ist, kann die Sache nie schief gehen, gleichgültig welcher Mittel ihr euch bedient, vorausgesetzt, sie liegen in der Ordnung des göttlichen Willens.
Der Wortlaut Gottes ist hier klar. Will man daraus eine andere Folgerung ziehen, als genannte, dass diese Einheit der Willen also nicht den Herrn herbeizieht und man mit ihm nicht allmächtig wird, dann bedürfte es wahrlich einer sehr spitzfindigen Exegese.

Suchen wir das zu verstehen, meine Freunde. Es ist so schön, zu tun, was unser Erlöser gesagt hat. Es ist so richtig, Vertrauen auf sein Wort zu setzen, das die Wahrheit selbst ist. Seht nur im Evangelium nach: was zieht sein Herz am meisten an? Es ist der Glaube. „O Frau, dein Glaube ist groß! Solch einen großen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden!“ Unser Herr findet Lobworte also nur für den Glauben. Glauben wir aber nicht mit einem spekulativen, sondern mit einem praktischen Glauben. Darum „ex toto corde“, aus ganzer Seele, aus ganzem, aus all unseren Kräften! Glauben wir an das, was unser Herr gesagt hat, denn es ist wahr. Ich sage oft dieselbe Wahrheit, aber müsste man sie nicht noch viel öfter sagen, damit sie wirklich Grundlage unseres religiösen Lebens wird? „Magister ubi habitas“ (Anm.: „Meister, wo wohnst du?“)? Ich bin zwischen dem Herzen deines Mitbruders und dem deinen… Ich versichere euch, dort allein findet ihr mich. Nicht daneben und nichts anderswo? Ihr seht schon die gewaltige Konsequenz dieses Wortes sowie unseres Glaubens an dieses Wort!

Seien wir nicht leichtsinnig in unserem Denken, unüberlegt in unserem Tun, unentschlossen in unserem Wollen, und springen wir nicht von einer Sache zur anderen, ohne Festigkeit und ohne Grundsatztreue. Lassen wir unser ganzes Leben übereinstimmen mit diesem Wort des göttlichen Meisters!

„Magister, ubi habitas?“ (Anm.: „Meister, wo wohnst du?“) fragen ihn die Apostel. „Venite et videte“ (Anm.: „Kommt, und seht!“), antwortet er ihnen. Und er führt sie sicher in das bescheidene Quartier, wo er gerade wohnt und reiht sie in die Schar seiner Apostel ein…

Wo bist du Herr? Ich bin hier, mitten zwischen dir und dem, mit dem du gerade zusammenarbeitest… Seien wir Männer des Glaubens, jenes Glaubens, der Berge versetzt. Der Glaube, ihr wisst es, wirkt in der übernatürlichen Ordnung alles. Habt Glauben an dieses Wort des Herrn. Würdet ihr aus der heutigen Zeremonie nur diese paar Worte behalten, ihr hättet eure Zeit nicht verloren. Ihr hättet einen Schatz gewonnen, den Schatz, mit dem man den Himmel erkauft.

Die Lehre des Herrn wird durch die ganze Geschichte der Kirche bestätigt. Seht, unser Herr hat zwölf Apostel und 72 Jünger. Was tut er mit ihnen? Er schickt sie nicht gemeinsam und nicht einzeln aus, sondern in kleinen Gruppen, zu zwei und zwei, damit sie seine Ankunft vorbereiten. So gibt es auch in der Leitung der Kirche zwar nur einen Papst, aber er stützt sich auf andere Autoritäten, auf Räte, auf Gehilfen. Und für die besondere Geschichte der in der Kirche vollbrachten Werke gilt dasselbe. Jedes bedeutende Werk beginnt damit, dass mehre sich zusammentun, und überall ist es die Einigkeit, die zum Werk stark macht: Basilius einigt sich mit Gregor von Nazianz… und so im Lauf der Kirchengeschichte: zwei oder drei geeinte Willen geben den Anstoßen zu den großen religiösen Unternehmungen. Warum ist das so? Weil unser Herr gesagt hat: Wahrlich, ich sage euch: Wo zwei einig gehen auf Erden, um etwas, was es auch immer sei, zu erbitten, werden sie es erlangen von meinem Vater im Himmel. Das ist ebenso gewiss wie die reale Gegenwart des Herrn im hl. Sakrament. Man kann den Glauben nicht besitzen, wenn man an dieses Wort nicht glaubt. Es ist ein Wort des Herrn, und alle seine Worte sind göttlich und alle sind sie gleich wahr und sicher. Ein göttliches Wort ist immer unbegrenzt an Wahrheit und Wirksamkeit und kann infolgedessen nicht ohne Wirkung bleiben.

Glauben wir an diese Dinge! Handeln wir in diesem Geist des Glaubens, so werden unsere Worte Macht besitzen. Sie mögen mühsam und anstrengend sein. Aber wären sie mühselig bis hin zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz, so haben wir gleichwohl nichts zu befürchten. Jesus ist da, er hört uns und bringt uns Hilfe mit seinem allmächtigen Arm… Wo bist du Herr? Ich bin in eurer Mitte… Vor diesem Wort werfe ich mich auf den Boden nieder, glaube und bete an. Dieses Wort ist meine Stütze und meine Kraft: Du hast es gesagt, der du die Wahrheit selber bist, der du deinen Worten eine ganz göttliche Wirksamkeit zu geben wisst.

Wer kann dieses Wort anders verstehen? Wer dürfte es als einen bildhaften Ausdruck oder eine rednerische Übertreibung bezeichnen? Vielleicht die Protestanten… Aber welcher Katholik würde es wagen, es als ein Gleichnis und nicht als eine Realität aufzufassen?

Machen wir dieses Wort zu einem Gesetz unseres Ordenslebens, wie es die Gute Mutter tat. Sie sah nie so voller Glaube und Liebe, als dann, wenn sie dieses Wort des Herrn auslegte und kommentierte.

Vergesst nicht, dass ich es bin, von dem alles seinen Anfang nimmt… Doch für welche Fragen? „De quacumque re“: Für jede Art von Dingen, seien sie materieller oder spiritueller Art… Werdet immer erst einig mit eurem Mitbruder und betet! …

Soll das heißen, eure beiden Geister und Willen werden zu einem einzigen? Das nicht. Gott, der uns im körperlichen Bereich unähnlich machte, erlaubte auch, dass wir es im geistigen Bereich sind. Zweifellos ist da ein Weg zurückzulegen von beiden Seiten, bis zwei menschliche Willen übereinstimmen…

Indem er den Grundsatz aufstellte, gab der Herr zweifellos das stärkste Mittel, vollkommen und heilig zu werden, das Schönste in Bezug auf Engel und Menschen. Macht selber die Erfahrung. Das ist dermaßen schön, ein Ordensmann zu sein, der wie ein lebendes und freies Werkzeug Gottes handelt, der sich nur bewegen und betätigen will auf Grund des göttlichen Wollens, des göttlichen Wohlgefallens unseres Erlösers. Da wir heute lediglich zwei Teilnehmer an dieser Zeremonie haben, werden diese zwei umso treuer die Erinnerung an diese Ansprache bewahren. Sie wurde ja speziell für sie gehalten, zur Profess des einen und zum Noviziatseintritt des anderen. Und nachdem sie dieses Wort des Herrn von der Einheit gut verstanden haben, sind sie sicher, jederzeit mit ihm verbunden zu bleiben, da sie immer in Übereinstimmung mit ihren Mitbrüdern handeln. Sie werden restlos Gott angehören, werden in seinen Fußstapfen vorangehen. Und an dem Tag, wo sie in den Himmel eingehen, wird er ihnen die Türe öffnen und sprechen: „Kommt ihr Gesegneten meines Vaters, das Reich zu besitzen, das euch bereitet ist, und an dem Tag begonnen hat, wo ihr euch geeinigt habt, gemeinsam zu arbeiten und gemeinsam zu beten.“ Amen.