Ansprachen

      

41. Ansprache zur Einkleidung und zum Beginn des Noviziates des P. Mahoney am 07.02.1895.

Lieber Freund, ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Entschluss, sich Gott im Gott der Oblaten des hl. Franz v. Sales hinzugeben.

Setzen Sie die schönen Überlieferungen Ihres Landes fort. Der hl. Papst Gregor sah eines Tages auf dem Marktplatz von Rom zwei junge Sklaven mit zarter weißer Gesichtsfarbe stehen. Er erkundigte sich nach ihrer Nationalität. Man antwortete ihm: Es sind Engländer („Sunt angli.“) – „Nein, nicht Angli“, fuhr er fort, „sondern angeli, also Engel!“ Und von da an dachte er nur noch daran, dieses noch heidnische Land zu bekehren, das bald ein wahres Paradies werden sollte, die Insel der Heiligen. Und als etwas später das bekehrte Volk den Papst um Reliquien aus Rom bat, antwortete der Papst ihrem Gesandten: „Was braucht ihr Reliquien? Sammelt etwas von der Erde Englands, das ihr mit Füßen tretet, da diese Erde das Blut und den Schweiß von Heiligen getrunken hat.“

Dieser Glaube Englands wurde während drei bis vier Jahrhunderte verdunkelt und ausgerottet. Jetzt beginnt er wieder im hellen Tageslicht aufzuleuchten. Der Papst hat die alte Hierarchie wiederhergestellt.

Sie sind, mein Freund, der Vertreter eines Volkes, das glorreiche Ehrentitel verdient hat. Aus einer gut katholischen Familie hervorgegangen, haben Sie dort den Samen des Glaubens und bei uns den Keim des Ordensberufes gefunden. Werden Sie ein guter Oblate! Sie stammen aus dem Land der Heiligen. Werden auch Sie ein Heiliger. Ist das schwer? --…

Hören Sie gut zu, was ich Ihnen jetzt sage: Im Priesterseminar meint man, die Heiligkeit sei etwas Außergewöhnliches. Um ein Heiliger zu sein, müsse man so etwas wie ein hl. Ignatius von Loyola, ein hl. Franz v. Sales oder Vinzenz v. Paul werden. Das ist ein gewaltiger Irrtum. Niemand von uns kann leisten, was diese geschafft haben, und doch muss die Heiligkeit allen ohne Ausnahme zugänglich sein. Heiligkeit ist nichts anderes als die Angleichung unseres Willens an den Willen Gottes in den Dingen, die er von uns verlangt.

Von den Wundertätern verlangte er Wunder, von uns erwartet er, dass wir unseren Willen in all unseren kleinen Umständen unseres Lebens seinem heiligen Willen unterwerfen: in Arbeit und Ruhe, im Wachen wie im Schlafen, in Kälte wie in Hitze, und vor allem in den kleinen Widersprüchen und Prüfungen des Alltags.
Die Oblaten sind nicht zu dem Zweck Oblaten, um eine noch so schöne Andacht zu lehren. Sonderandachten für sich genommen, sie öffnen uns nicht die Tür zum Paradies, sie dienen nur als Hilfsmittel. Gewiss haben die Andachten zum hl. Altarsakrament, zum hl. Herzen Jesu und zur allerseligen Jungfrau ihre Vorzüge. Man darf sie gleichsam nicht, wie es manchmal geschieht, als Ziel und Zweck der Heiligkeit betrachten, da sie, wie gesagt, nur Mittel zum Zweck, Stärkungsmittel sind. Der Holzfäller, der von Morgen bis Abend Holz schneidet und spaltet im tiefen Wald, hält manchmal erschöpft inne und nimmt begierig einen erfrischenden Trank, dann kann er neu gestärkt seine Arbeit wiederaufnehmen. Diese Rolle spielen auch die Andachten, so heilig und erhaben sie immer sein mögen. Man darf sie nicht zum Inhalt der Heiligkeit machen, sondern lediglich zu einem Stimulus, zu einem Anreiz. Sie sind wirksame Mittel für unsere Heiligung, die Heiligkeit selber dagegen besteht in der beständigen Erfüllung des Willens Gottes in allem.

Einzig und allein von Andachten und speziellen Vereinigungen mit Gott leben wollen, ist sehr schön, ist zu schön sogar. Das gliche einem Maler, der viel Phantasie hat, und in seinen Gedanken ein herrliches Gemälde komponiert, schöner als Raffaels „Verklärung“ im Vatikan. Er erzählt uns seine Idee, seinen Plan, macht sich aber nicht die Mühe, diese herrliche Idee auf die Leinwand zu bringen, Pinsel, Farben zur Hand zu nehmen, um all das zur Darstellung zu bringen, was er im Geist gesehen hat. Ob da sein Werk je das Licht der Welt erblickt?

Die Heiligkeit ist die Leinwand. Alles, was nicht realisiert wird, ist Rauch, ist Meeresnebel. Lasst euch von diesem Gedanken durchdringen, dann findet ihr die Leinwand, auf die ihr eure Farben auftragen könnt. Euer Werken wird solide sein und bis zur Frömmigkeit währen. Hegen wir recht lebhafte Gefühle und Gesinnungen der Frömmigkeit, bleiben wir dabei aber nicht stehen. Gehen wir zur Praxis über und verwirklichen in der Treue eines jeden Augenblicks, was das hl. Herz Jesu, was die selige Jungfrau uns eingeben.

Seht unseren hl. Stifter, sein Direktorium, seine hl. Regel! Mein Freund, welch ungeheuren Reichtum halten wir da in Händen! Stunde für Stunde, Minute für Minute finden wir darin Material, uns zu heiligen. Die Freizeit für sich genommen ist nichts, im Geist des Direktoriums verbracht, ist sie alles. Sie ist der Wille Gottes im gegenwärtigen Augenblick, ist Heiligkeit.

Welch gesundes Urteil und starken Willen erhalten wir doch, wenn wir so vorgehen! Das ist Gott, wie er in der Vereinigung mit uns lebt. Darin finden wir keine außerordentlichen Dinge, sondern unser Leben, das wir gut verbringen. Und dieses Leben führt uns zur Heiligkeit. So wird Ihr Haus in Walmer zu einem Haus von Heiligen. Und Gott wird unser Häuschen segnen, in das sie demnächst zurückkehren. Die Luft des irdischen Paradieses schenkte einst das Leben, wohlan, atmen wir die Luft des Ordenslebens tief ein, damit Sie die Nahrung Ihrer Seele jenen bringen können, denen Sie das Licht des Evangeliums bringen wollen.
Beten Sie gleich für Ihre Mitbrüder, damit Gott in ihr Herz all diese Dinge in so untilgbaren Lettern eingravieren möge, dass sie alle treue Befolger der hl. Regel bleiben. Dann wird ein Tag kommen, wo Gott keinen langen Weg zurücklegen muss, um zu uns zu kommen. Und auch wir können dann leicht zu ihm gehen, und werden ihm in der ewigen Glückseligkeit verbunden bleiben. Amen.