36. Ansprache zur Ewigen Profess von P. Siroux und zur Zeitlichen Profess von P. Poisson, am 21.11.1894.
Meine lieben Freunde, Jesus wandte sich an seine Umgebung und sagte: Mein Joch ist süß und meine Bürde leicht. Wenn dieses Wort schon wahr ist, wenn es an alle Christen gerichtet ist, wieviel wahrer, wenn es sich an Ordensleute wendet. Ja, meine Freunde, nehmt das Joch des Herrn auf euch, und sagt „Ja“ zu seiner Last. Dann werdet ihr finden, dass sein Dienst angenehm ist und nichts mit sich bringt, was allzu mühsam ist. Ich beglückwünsche euch, die ihr jetzt zu Gott kommt, um auf eure Schultern sein gesegnetes Joch zu nehmen. Wieviel Heimsuchungen, Unruhen, Enttäuschungen, Ungerechtigkeiten und Verleumdungen schließt doch die Welt in sich, die wir niemals kennenlernen.
Wie man sich doch täuscht, wenn man das Ordensleben für eine einzige Mühsal hält! Hat unser guter Meister uns denn getäuscht? Hat er sich selber getäuscht? Wie kommt es, dass Ordensleute selber ihre Lebensweise mühsam nennen? Was soll das bedeuten? Das Joch unseres Herrn ist doch angenehm, wenn man es ganz und ohne Einschränkung trägt. Sagt man freilich kein großmütiges „Ja“ zu allem, was Gott schickt, dann verwundet man sich und bringt eine bittere Note in sein Leben. Die Seele empfindet dann Widerwillen und Traurigkeit. Ihr erstrebt dann eine Sache, doch sie entgleitet euch wieder. Das ist das Los derer, die das Joch unseres Herrn nicht ungeteilt auf sich nehmen wollen.
Ihr, die ihr jetzt die drei großen Verpflichtungen des Ordensstandes übernehmen wollt, tut es mit eurem ganzen Herzen! Ihr nehmt damit gleichsam Platz in einem Wagen, der euch recht bequem voranbringen soll. Steigt ihr unterwegs aus, so müsst ihr den Wagen hinter euch herziehen, und ihr spürt dann den Unterschied. Das ist ein gutes Bild des Ordensstandes.
Lasst euch zu Gott führen, ihr, die ihr euch Gott jetzt übergebt. Er sagt zu euch dasselbe wie zu Petrus: „Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Was sind wir denn schon? Nichtse, arme Sünder, die unsere Lebenslast dahinschleppen und uns schwerfällig und mühsam abmühen. Und du, lieber Gott, willst uns zu Menschenfischern machen? Was bedeutet das? Nun, dass wir wie du verhalten, Wohltaten spendend voranschreiten. Denn so ist euer künftiges Leben beschaffen, der Weg, den ihr verfolgt. Bereitet euch darauf vor, indem ihr ohne Abstriche eure Gelübde erfüllt. Tragt sie wie eine Ruhmeskrone auf eurem Haupt.
Ich betone, dass ihr eure Seelen ohne Vorbehalte Gott ausliefern müsst in aller Einfachheit. Geht über eure Neigungen hinweg, über euren Geschmack, euer Urteil, eure Eigenliebe, eure Fehler. All das sind Erbärmlichkeiten, die sich euch an die Fersen heften, und euch am Voranschreiten hindern.
Preist den Herrn, denn unter allen Gnaden, die er uns erteilt, findet sich eine besonders große: Er schenkt uns seine Liebe. Für uns vollbringt er das Unmögliche. Obwohl arme Sünder, machte er euch zu seinen Freunden wie einen anderen Johannes, und spricht zu euch: „Gehe nur sicheren Schrittes voran!“ Der euch ruft, täuscht euch nicht. Er verspricht euch vielmehr seine Hilfe und gibt euch alles, was er nur geben kann: seine Liebe. So sagt zu ihm: „Danke, guter Gott, ich komme zu Dir, ohne je den Mut zu verlieren, bis ich in den Himmel komme, und dort das ewige Halleluja singe. Ja, mein Herr, ich komme, nimm mich in Deine Hände, ich übergebe mich Dir ganz, weil Du es so willst. Amen.“
