15. Ansprache bei der Einkleidung des P. Siroux am 26.08.1888.
Mein lieber Freund, ich wiederhole die Worte des Anfangs der heutigen Messe: „Herr, schau mit einem Blick der Liebe auf den, den du heute erwählst, weil es besser ist, einen einzigen Tag in deinem Haus zu wohnen als Tausende von Jahren der begütertsten Sünder zu verbringen.“
Warum erlaubt Gott, dass dieses Wort die hl. Messe vom heutigen Morgen einleitet, ohne dass wir es vorgesehen hätten? Warum dieses Zusammentreffen der Worte des Introitus und dieser Zeremonie dermaßen passen? Weil Gott für uns Aufmerksamkeiten und Zärtlichkeiten bereithält, die man mit nichts anderem vergleichen kann. Die Gute Mutter sagte mir oft: „Wie zartfühlend Gott doch alles anordnet! Wie gut man seine Hand in allem erkennen kann. Und diese Hand zeigt sich so gütig, so wohlwollend und einsichtig, um uns Freude zu machen!“
Ich bestätige diese Worte der Guten Mutter und begrüße es, dass Gott Sie am heutigen Tag erwählt hat, dass Sie in Wahrheit sein Gesalbter und sein Eigentum werden, der, den er zeichnet, salbt und mit seiner Gnade, Liebe und Zuneigung weiht. Ich beglückwünsche Sie, mein teurer Freund, dass Sie sich heute dazu entschlossen haben. Es ist die beste Wahl, die Sie treffen konnten. Heute nehmen Sie am Fuße des Kreuzes das Joch unseres Herrn auf die Schultern und legen das heilige Gewand seines Dienstes um. Das ist tausendmal besser als die Feste der Sünder. Sie haben den ersten und besten Platz erwählt, der Ihnen nicht mehr weggenommen wird, der Ihnen für immer garantiert ist. Denn was Sie heute geben, geben Sie für alle Zeiten, und Gott entzieht niemals seine einmal gegebene Gnade, er vermehrt sie noch. Wem gegeben wurde, dem wird weiter gegeben, dass er im Überfluss hat…
Seien Sie also beglückwünscht dazu, dass Sie heute das eigentliche Kleid der Diener des Herrn und seiner Apostel anziehen. Umsonst gießt die gottlose Welt Verachtung und Beschimpfung über die priesterlichen Gewänder, sie bleiben dennoch mit Ehre und Ruhm umgeben.
Nehmen Sie dieses Kleid in Empfang, mein lieber Freund, dessen sich alle Helden Christi bedient haben. Hat es doch die größten Heiligen bedeckt, jene, die die Gesellschaft der Menschen gerettet haben und heute noch retten. Und diesem Gewand haben die liebsten und eifrigsten Herzen für Gottes Ehre geschlagen. Das sind alle jene, die ihn mehr geliebt haben als die anderen, ein Zeichen, ein Sinnbild der Liebe also. Jawohl, Sie lieben ihn ebenfalls mehr, unseren Herrn, Sie opfern sich ihm alle Tage Ihres Lebens so wie der Gehorsam es Ihnen im Einzelnen sagen wird. Ihr Wille wird aufgehen in seinem. Sie werden keine eigene Aktion mehr ausüben, oder besser gesagt: Ihre Aktion wird verhundertfacht und vergöttlicht. Und Gott wird alle Wünschen Ihres Herzens erfüllen.
Wenn wir uns Gott geben, oder vielmehr, wenn Gott sich uns gibt, tut er es dann, um uns ein Joch auf die Schultern zu drücken? Nein. Warum tut er es dann? Die Hl. Schrift verrät es uns: Damit er unseren Will tun, die Wünsche unseres Herzens erfüllen kann. Sie werden es selber erleben. Alles, was es in uns an Gutem und Großmütigem, an Klugem und Ergebenem gibt, wirkt Gott in uns, er unterstützt und verhundertfacht es. Er tut es, das ist seine Aktion.
Möge Gott, wenn wir Sie jetzt mit seinem Gewand umkleiden, wie die Weihegebete, die wir jetzt beten werden, sagen Sie mit seiner Stärke und seiner Heiligkeit einhüllen. Mögen Sie, wie der hl. Paulus sich ausdrückt, mit unserem Herrn selbst bekleidet werden, nicht nur mit seinem Geist, sondern auch sogar mit seinem Gewand, dass Sie ihm gleichen und wie er seien. Welch große Gnade wird Ihnen mit dieser Weiheformel erbeten! Man wird Sie mit diesem Gewand nicht mehr wiedererkennen. Was ist denn der Priester im Bußgericht, in der Seelenführung, inmitten der Volksscharen anders? Ist er nicht ganz gekleidet wie unser Herr? Sieht man nicht ihn bei seinem Anblick?
Erweisen Sie sich treu dieser Gnade Ihres klösterlichen Talars! Wandeln Sie sich um! Lassen Sie Ihre alten Kleider, die Sie nicht mehr brauchen, und ziehen Sie beständig das ewige Gewand unseres Herrn an. Handeln Sie wie ein anderer Jesus Christus beten, wirken und schaffen Sie so wie Er es getan hat.
Das ist der Sinn der Zeremonie, nicht nur, was Sie betrifft, mein lieber Freund, sondern auch, was mich, was Ihren teuren Onkel, Ihren Vater, Ihre Mutter, unsere Patres und Brüder angeht, die mit Ihnen die Übungen dieser hl. Exerzitien absolviert haben.
Sie möchten mit Ihnen ein Herz und eine Seele bilden, und darum fühlen sie sich verpflichtet oder vielmehr sanft und liebevoll gedrängt, für Sie zu beten und an Ihrer Stelle die Gelübde abzulegen, von denen ich gesprochen habe.
Jawohl, lieber Freund, alle unsere Wünsche vereinigen sich auf Sie hin. Möge unser Herr Sie mit seiner Person bedecken und Sie Besitz ergreifen lassen von jenem wahren Königreich, da er selbst ja der unsterbliche König der Ewigkeit ist. Die Soutane, die Sie gleich tragen werden, ist ein echtes Königsgewand, das Gewand derer, die im Himmel befehlen. Öffnet sich der Himmel denn nicht auf Befehl des Priesters, jener also, die auf Erden befehlen? … Denn geben wir uns keiner Illusion hin: Ketten und Todesqualen können wohl Schergen auszeichnen, ihnen überlassen wir gern diese Kennzeichen. Wir hingegen tragen ein Kleid anderer Auszeichnung, ein königliches Gewand, das jene umso mehr beherrscht, als sie gar nicht mehr wissen, welche Anstrengungen sie noch machen sollen, um die Herrschaft dessen zu vernichten, der uns führt.
Ehre sei Gott, dem ewigen König der Zeiten! Christus befiehlt und regiert, und seines Reiches ist kein Ende. Und jene, die mit ihm gehen, herrschen auch mit ihm in nicht endenden Ewigkeiten. Glauben Sie daran, mein Freund, und übergeben Sie sich in diesem Glauben nun Gott bei dieser ersten Hingabe Ihrer Person, die Sie jetzt vornehmen! Amen.
