05. Ansprache zur Einkleidung des P. Ludwig Gat in der Kapelle der Heimsuchung am Ostermontag, 14.04.1884.
Thema: Das Ordenskleid.
Lieber Freund, wir übergeben Ihnen gleich die Soutane. Ein bekanntes und sehr bekanntes Sprichwort sagt: Das Kleid macht nicht den Mönch. Ja, nicht der Talar macht jemand zum Priester oder Ordensmann, kein Zweifel. Doch recht verstanden und recht getragen sind sie nicht nur ein Zeichen, sondern ein Ding, eine Realität.
Der Habit, das Kleid wurde immer als ein unterscheidendes Merkmal, als ein Zeugnis betrachtet. Josef war der Liebling seines Vaters. Warum liebte ihn Jakob mehr als all seine andere Söhne? Nicht allein deshalb, weil er der Sohn seiner Lieblingsfrau Rachel war. Er liebte ihn auch vor allem wegen der Reinheit seiner Seele, wegen seiner Redlichkeit und Arglosigkeit. Er gleicht nicht seinen Brüdern, hatte er doch Jakob verraten, dass diese sich eines ganz schlimmen Vergehens schuldig gemacht hatten.
Zum Zeichen dieser besonderen Zuneigung hatte ihm Jakob eine „tunica polymita“ (Anm.: „ein aus verschiedenen Stücken zusammengesetzter bunter Leibrock“) anfertigen lassen. Dieser Leibrock kam sicher aus Ägypten, da dort die Künste sehr entwickelt waren. Die Goldschmiedekunst, obwohl nicht von derselben Art und demselben Stil wie heute, stand der unsrigen doch in nichts nach. Auch die Weberei war ebenso künstlerisch hochentwickelt. Die gelehrten Erklärer sagen von diesem Leibrock des Josef, man dürfe „polymita“ nicht einfach mit „buntfarbig“ übersetzen, sondern es besage noch feine Zwischentöne. Unter dem Einfluss unterschiedlicher Lichter und Örtlichkeiten, wo es sich gerade befand, zeigte es verschiedene Reflexe und Farbabstufungen.
Der hl. Chrysostomos greift dieses Bild auf und vergleicht mit der Tunika das priesterliche Gewand, das den Priester umhüllt und beschützt und ebenfalls verschiedene Nuancen widerspiegelt, je nach den Orten, Gesellschaften und Umständen, wo sich der Priester aufhält und wirkt.
Wenn der Priester studiert, dann reflektiert das Priestergewand ein himmlisches Licht, das Licht der göttlichen Wissenschaft. Es flößt Sammlung ein und zieht Erleuchtungen von oben herab. Wenn er betet, so spiegelt sein Kleid einen anderen Farbton wider. Nämlich dann umgeben Eifer und Aufmerksamkeit sein Herz, die ihn von den irdischen Zerstreuungen abziehen und seine Frömmigkeit erwärmen. Wenn er leidet und sich selbst vergisst im Dienst… Dann spiegelt sein Priesterkleid die Nuance des Martyriums wider, ein Kleid voll Kraft und Mut, voll heldenmütiger Selbstvergessenheit.
Im Priesterkleid liegt also eine Gnade verborgen, die allen Umständen des Lebens angepasst ist. Der Talar, das Ordenskleid schützt und segnet den Priester, den Leviten und den jungen Ordensmann auf Schritt und Tritt.
Was ist der Priester und der Ordensmann ohne seine Soutane? Gewiss gibt es Länder, wo das Tragen des Talars verboten ist. Das ist ein Unglück. Wie viel Fehltritte, wie viel Unklugheiten, wie viel Sünden, die den Augen der Welt oft entgegen gehen mögen, sind die Folge dieses Unglücks. Unser hl. Stifter küsste jeden Morgen beim Anziehen seine Soutane. Die Bescheidenheit, die dieses hl. Kleid ausdrückt, hüllte ihn jeden Morgen als Bischof und Priester von neuem ein.
Tragt auch ihr jeden Tag eures Lebens auf diese Weise das Ordenskleid! An eurem letzten Tag werden dann die Engel euren Talar zu den Füßen Gottes niederlegen mit den Worte: Erkennst du darin den Leibrock deines geliebten Sohnes? – Ja, ich erkenne ihn… Gewiss konnte er so manchen Fleck erhalten und durch den Staub des Weges besudelt werden. Der Zahn wilder Tiere konnte ihn blutig färben. Dennoch erkenne ich ihn deutlich, es ist der Leibrock des ägyptischen Josef.
Noch ein letztes Wort zum Schluss. Heute ist der Tag der Auferstehung. Als Jesus lebend aus dem Grab erstand, ließ er unter der Obhut der Engel die Grabtücher und sein Schweißtuch zurück, die ihn eingehüllt hatten und gezeichnet waren vom Blut der Dornenkrone, und seiner Seitenwunde. „Wer gibt mir“, ruft der hl. Bernard aus, „dass ich mich in dieses kostbare Schweißtuch einhülle und meinem Leib die blutigen (Spuren) der Wunden meines Gottes einpräge, die dieses Kleid bedecken? (Worum) bittest du, hl. Bernard? Ist es das weiße Kleid, das du trägst, nicht (das) Leichentuch des Herrn und drückt es auf deine Wunden ein, (die) der Herrenleib darauf zurückgelassen hat? Spürst du nicht, dass deine Hände angenagelt (sind) durch den Gehorsam, deine Füße gefesselt sind und sich nicht bewegen können aus Gehorsam, dass vor allem dein Herz geöffnet ist (durch) die Berührung mit den Wunden Jesu und aus dieser Herzwunde dein Blut in überreichem Maße (strömt)…?“
Anmerkung des Übersetzers (Anm.: „Von P. Johannes Ehle OSFS“): Hier weist der Langelaantext mehrere Lücken auf, offenbar war das Original allzu vergilbt. Da aber sehr leicht zu ergänzen, habe ich (Anm.: „Sprich Ehle“, d. Bearb.) diese Lücken ausgefüllt und in Klammern gesetzt.
