04. Ansprache zur Aufnahme des P. Pernin ins Noviziat, in der Kapelle des Kleinen Kollegs, am 06.01.1884.
Der neue Weg
Liebe Freunde, wir haben Gott einen besonderen Dienst zu leisten, wir haben spezielle Verpflichtungen. Alle Christen haben Pflichten gegen Gott und den Nächsten. So müssen auch alle religiösen Orden Gott und dem Nächsten besondere Dienste erweisen. Und wir, die zuletzt Gekommenen, haben ebenfalls besondere Pflichten gegenüber den speziellen Bedürfnissen unserer Zeit. Wir leben in einer bösen Zeit, und wir brauchen nur an einem Dreikönigstag durch die Straßen von Troyes oder durch die Straßen Roms zu gehen, um uns zu überzeugen, dass alles gegen Gott organisiert ist. Die Liga gegen Gott, die große Irrlehre, oder besser gesagt, die große Ruchlosigkeit unseres Jahrhunderts: die Freimaurerei, will jede Religion ausrotten, das ist ihr oberstes Ziel. Seht nur, ihr oberster Anführer muss immer ein Jude sein. Da zeigt sich der Pferdefuß. Das ist der Feind, den wir zu bekämpfen haben.
Ihr werdet auf dem Plan erscheinen, sagte mir oft die Gute Mutter, wenn alles verloren scheint. Man wird die Hoffnung aufgeben, die Religion noch einmal zu retten. Dann muss es der Erlöser selbst in die Hand nehmen, sein Werk zu retten. Gott wird im Schatz der Verdienste der Erlösung nachsuchen und wird noch genug Vorrat darin finden, um die Welt zu erneuern.
Wie sollen wir nun unsere Spezialaufgaben Gott und dem Nächsten gegenüber erfüllen? Zuerst durch die treue Erfüllung unserer hl. Regel.
Dann durch das Direktorium. O dieses kleine Büchlein! … Mit P. Deshairs hatte ich auf meiner letzten Romreise vor einigen Wochen die Heimsuchungsschwestern besucht, die auf dem Berg Palatin wohnen und demnächst vertrieben werden sollen. Sie warten darauf, dass jeden Augenblick die Soldaten kommen, um sie hinauszuwerfen, und bleiben doch in all der Aufregung still und ruhig. Als wir die Allee nach Rom hinabgingen, sagte P. Deshairs nichts. Er war zutiefst gerührt. Plötzlich begann er zu reden: Da sieht man doch, was das Direktorium bewirkt. Jetzt begreife ich, was die treue Befolgung dieses Büchleins aus Menschen machen kann…
Leben wir darum nach dem Direktorium und machen wir uns ernstlich an die Arbeit mit ihm!
Und dann, meine Freunde, bei unseren klösterlichen Übungen und unserem Direktorium handelt es sich um eine ganz spezielle Gnade, einen ganz neuen Weg, eine ganz neue Seins- und Lebensart in der Kirche Gottes: Nämlich um den WEG der Mutter Maria Salesia Chappuis. Ja hört mich gut an: Die Gute Mutter hat es mir gesagt, und unser Herr hat es mir bestätigt: Darin steckt eine besondere Gabe Gottes. Ich fühle mich gedrängt, euch das zu sagen, um mein Gewissen zu entlasten. Ja, ich gestehe, dass ich lange Zeit widerstanden habe, dass ich der Gnade Gottes mehr Hindernisse in den Weg gelegt habe als ich durfte. Aber Gott zieht seinen Ruhm selbst aus den Fehlern seiner Geschöpfe. Oft und lange Zeit hat die Mutter Maria Salesia von diesen Dingen zu mir gesprochen: „All das ist keineswegs für mich bestimmt“, pflegte sie zu sagen, „sondern für euch… Das da ist an eure Adresse gerichtet… Das würde mir für euch anvertraut…“
Würde ich in diesem Augenblick das Leben der Guten Mutter neu verfassen, dann würde ich alles ohne Ausnahme niederschreiben, was sie mir gesagt hat. Ich würde alles Wort für Wort berichten, ohne ein Wort auszulassen. Ich fühle mich einfach gedrängt, diese Dinge zu sagen. Und seit ich Kirchenfürsten, große und heilige Prälaten getroffen habe, die alles, was von der Guten Mutter kommt, hochachten, spüre ich dieses Bedürfnis in mir immer mehr wachsen.
Ja, was ich da sage, stammt nicht von mir. O ich könnte euch zahlreiche Züge anführen. Z.B. folgenden: Es handelt sich um den Vater des Herrn Gossin, des Generaldirektors des Franz-von-Sales-Vereins. Ihr werdet es ihm ja nicht gleich weitersagen, es ist nur für euch bestimmt. Das war ein respektabler und würdiger Beamter, der das allergrößte Vertrauen zur Guten Murrer hegte. Eines Tages schrieb er ihr einen langen Brief. Seine Schrift war fein und eng, so dass die Gute Mutter sie nicht lesen konnte. Sie bat mich, ihm zu antworten. Ich schrieb ihm, was Gott mir eingab, ohne seinen Brief gelesen zu haben und ohne zu wissen, wovon er handelte. Ich kannte aber die Sprechweise und den Stil der Guten Mutter. Ich brachte ihr meinen Brief und wollte, dass sie ihn lese. „Dazu haben wir keine Zeit, sprechen wir über unsere Angelegenheiten.“ Und der Brief wurde so abgesandt. Ich hatte den Brief des Herrn Gossin nicht gelesen, las aber jetzt seine Antwort. Er dankte der Guten Mutter für ihre klare und entschiedene Antwort, die sie auf jede seiner Fragen gegeben hatte und fügte hinzu: „Doch wofür ich Ihnen besonders danke und wofür ich Gott dankbar bin, ist das, was Sie mir da sagen und er zitierte wörtlich, und was vortrefflich auf eine unserer größten Sorgen passt, die mich und meine Familie bedrücken und worüber ich mit Ihnen gesprochen hatte. Gott sei gepriesen! Ich sehe jetzt dank Ihrer Hilfe klar. Das ist etwas, wofür ich nie aufhören, Gott zu loben…“
Liebe Freunde, seht ihr, so könnte ich euch eine Menge anderer Tatsachen zitieren.
Was ist das für ein neuer Weg, auf dem wir voranschreiten sollen? Worin besteht er? Was müssen wir dafür tun?
Gott selbst wird es euch sagen, wenn ihr ihn gewähren lasst. Haltet eure Herzen rein und heilig. Lasst höchste Wachsamkeit walten, dass keine freiwillige Sünde eure Seele beflecke. Indem ihr euch vor jeder Untreue in Acht nehmt, sammelt gleichzeitig die leiseste Einsprechungen seiner Gnade. Seid ungemein achtsam, nichts von den Schätzen der Gnade zu vergeuden. Lasst Jesus in eure Herzen ein und darin Herr und Gebieter werden. Euer Herz sei die Wohnung, worin er frei und ungehindert schalten und walten kann, ohne dass euer sein beeinträchtigt… Dann wird er große Dinge vollbringen, indem er euch auf diesem neuen Weg voranführt, auf dem er euch dringend einlädt zu gehen. Habt keine Angst… Als Gott zum Propheten sprach: „Menschensohn, erhebe dich, hör auf mich und trage mein Wort zum Volk“, antwortete dieser: „Ah, Herr, ich bin ein Kind und kann nicht reden.“ Doch Gott entgegnete ihm: „Fürchte dich nicht, ich will durch deinen Mund reden, ich bin es, der alles macht…“
Ich bin sehr glücklich, heute den P. Pernin ins Noviziat aufzunehmen. Er wartet darauf schon seit geraumer Zeit. Vor 10 oder 12 Jahren sah ich ihn in der Kirche St. Benigne zu Dijon den Kindern Katechismus halten und verbarg mein Gesicht in den Händen, dass er mich nicht erkannte und ich ihn nicht begrüßen musste, weil sein Bischof nicht wollte, dass ich mit ihm sprach. Das ging mir sehr gegen den Strich. Ich gewöhnte mir an, nichts zu ihm zu sagen… Da sind Sie, mein lieber Freund, jetzt endlich am Ziel angelangt. Gehen Sie mit Vertrauen voran, Sie werden nicht enttäuscht werden. Der gute Gott wird gut gegen Sie sein und Sie werden ihm die Treue wahren. Sie werden in diesem Leben die Ruhe und das Licht finden, das Licht, das Sie niemals im Stich lassen wird, weil es in Ihnen brennen wird und Sie ihm getreulich folgen werden.
Dass du die Gabe Gottes kenntest! Begreift, meine Freunde, die Gabe Gottes, und bittet ihn, dass ihr ihm (ihr) allzeit treu seid.
