7. Vortrag: Buße und Abtötung der Oblaten.
Jedes religiöse Institut hat seine eigene Art zu urteilen und zu handeln. Wir Oblaten haben keine außergewöhnlichen Bußübungen, sondern führen das Leben, das allen Menschen gemein ist. Und doch sind wir als Ordensleute und als Christen streng verpflichtet, Buße zu tun. Auch wir sind ja gehalten, das Joch des Herrn zu tragen.
Lasst uns gemeinsam einmal die Lebensweise der Oblaten untersuchen. Sie weist nämlich große Mühen und Strengheiten auf und eignet sich in vortrefflicher Weise, uns die Tugend der Buße üben zu lassen. Unser Leben kennt keine Nöte und Prüfungen, die wir im Geist der Buße annehmen müssen. Ich glaube obendrein, dass das Oblatenleben eines der bußstrengsten ist, das man finden kann.
Zuerst der Gehorsam: Für die betrachtende Seele bietet der Gehorsam keine Schwierigkeit. Für den Lehrer aber, der sich unaufhörlich unterwerfen und dem Studienprogramm folgen und dem Oberen gehorchen soll, ist der Gehorsam zehnmal mühseliger. Er hat seine eigene Art zu sehen, zu urteilen, seine Frucht langer Arbeit und Erfahrung, soll aber gleichwohl sein Urteil, beständig unterwerfen. Die Ordensregel untersagt ihm, ohne Erlaubnis in die Stadt auszugehen. Er muss sagen, wohin er geht und was er da zu tun gedenkt. Bei der Rückkehr, was er dort getan hat. Er gehorcht somit den ganzen Tag und befindet sich in einer beständigen Abhängigkeit. Die (frühere!) Regel verbietet ihm, Briefe ohne Erlaubnis abzusenden und zu empfangen. Der Obere soll alles einsehen dürfen. Er soll sogar in einem gewissen Umfang und mit großer Diskretion Briefe der Seelenführung überwachen. Es handelt sich dabei gewiss um eine Art Beichte, aber um eine schriftliche, und es ist manchmal gut, wenn der Obere sieht, ob es dabei wirklich nur um Seelenführung geht. Ich wiederhole, er soll darin sehr zurückhaltend verfahren… Er soll nicht alles lesen, sondern nur, was für ihn zu wissen wichtig ist. Das einzige, was der Hausobere nicht berechtigt ist, einzusehen, ist die Korrespondenz mit dem Generaloberen und dem Papst. Das ist wahr. Aber selbst hier gilt: Ein guter Ordensmann wird seinem höheren Oberen nicht schreiben, ohne sich bei seinem Hausoberen Rat geholt zu haben, ohne ihm gesagt zu haben: Es gibt da zwischen uns eine Schwierigkeit, ein Kreuz, bringen wir das in Ordnung, ohne dass wir uns an die höhere Instanz wenden!
Man hat immer festgestellt, dass jene, die das Bedürfnis verspüren, an den Papst zu appellieren, ein Rädchen im Hirn nicht in Ordnung hatten. In den Satzungen heißt es zwar, man habe das Recht dazu. Der Papst ist Vater und Oberer für alle Ordensleute. Schreibt aber in einer Familie der Sohn etwa an den Präsidenten des Staates, weil sein Vater ihm etwas verweigert hat? Wer intelligent ist, tut das nicht. Besagte Prozedur findet also nur in äußerst ernsten und seltenen Situationen statt. Man muss einen allzu lebhaften Eindruck und Empfindsamkeit überwinden. Fühlt ihr euch wirklich in Schuld, so geht zu eurem Oberen wie zu einem Beichtvater. Ihr werdet euch doch nicht an einen Doktor der Theologie wenden. Geht man zur Beichte, so schaut man auch nicht, ob der Beichtvater jung oder alt ist, er stellt die Autorität Gottes dar. Verhaltet euch ebenso gegen euren Oberen, wer es auch sei. Gehören wir nicht alle zur gleichen Familie und sind Söhne des hl. Franz v. Sales?
Der Obere also soll eure Briefe einsehen. Schreibt mir einer unserer Patres, so lese ich immer den ganzen Brief durch. Ist der Brief delikat und enthält intime Dinge, so zeige ich ihn nicht den Patres, die mir als Sekretär dienen. Was aus meiner Feder stammt, darf dagegen von jedermann gelesen werden. Immer, wenn ich schreibe, mache ich es wie der hl. Franz v. Sales: Ich fasse den Brief so ab, dass er von der ganzen Welt gelesen und überall veröffentlicht werden kann. Habt keine Geheimnisse (Verstecke) in euren Briefen. Das sind oft komische und lächerliche Geschichten. Es gab einmal einen guten Pater, der absolut nicht wollte, dass man die Briefe öffnete, die er von einem weiblichen Beichtkind bekam. Sie schrieb nämlich am Schluss ihrer Briefe: Ich umarme Sie (küsse Sie) aus ganzem Herzen. Er legte gesteigerten Wert darauf, dass man das erfuhr… Gibt es in einem der Briefe, die ihr empfangt, ein Geheimnis, eine Familiennot, ein finanzielles Unglück, oder gar etwas, was die Ehre der Familie kompromittieren könnte, warum nicht einfach zum Oberen sagen Ich wünsche, dass dieser Brief nicht gelesen wird? Und wenn der Obere ein gutes Urteil hat, wird er ihn nicht lesen, sondern wird euch ein ermutigendes und tröstendes Wort sagen, wenn es nötig ist. Seid also treu auch in diesem Punkt der Satzungen. In allen religiösen Orden soll der Vorgesetzte wenigstens den Briefumschlag aufmachen, das ist die Hauptsache. Viele Ordensleute haben sich durch solche Heimlichtuereien in der Korrespondenz zugrunde gerichtet. Verstöße gegen diesen Punkt der Satzungen war eines dieser großen Peinen seines Lebens in diesen letzten Zeiten. Ich zähle die treue Erfüllung dieses Gehorsamsaktes zu den Bußübungen, die die Regel des hl. Franz v. Sales uns auferlegt.
Für alles, was außerhalb der Erlaubnisse der hl. Regel liegt, möge man sorgsam die Genehmigung einholen. Das wünsche ich und darum bitte ich euch. Wollt ihr etwas zwischen den Mahlzeiten zu euch nehmen, so erbittet die Erlaubnis dazu, wenn ihr dies für eure Gesundheit oder zur Erledigung eurer Arbeit für nötig erachtet. Bei sich im Zimmer möge man sich aber keine Vorräte horten. Die kleine Mühewaltung und Unterwerfung, um Erlaubnis zu bitten, die man euch sicher nicht abschlagen wird, wenn sie euch Nutzen bringt, sollte euch gerade als Mittel dienen, euch zu überwinden.
Auch den Schülern gegenüber kann man sich überwinden. Ein Schüler geht euch auf die Nerven, ein kleiner Lausbub, dem ihr versucht seid, einen Rippenstoß oder gar eine Ohrfeige zu verabreichen, die er durchaus verdient hätte… Versagt es euch, es ist bei uns nicht Sitte. Tadelt ihn ernst, aber sanft. Darin besteht eure Überwindung.
Oder angenommen, ihr habt zu einem Jungen eine übertriebene Zuneigung, fast weibliche Anhänglichkeit. Damit seid ihr töricht, ihr versetzt euch um eine Stufe unter das Weib. Das beweist ein schlechtes Fundament, wenn ihr euch da von eurer Neigung treiben lasst. Das Weib ist von Natur aus trügerisch, ihr seid es zehnmal mehr. Das Weib neigt zur Falschheit, und ihr tut es da noch mehr. Fühlt ihr derlei Schwächen in eurem Herzen, sagt es eurem Beichtvater. Es ist eine teuflische und entwürdigende Falle, eine Verminderung und Verwandlung des Mannes in „Ich-weiß-nicht-was“. Es hat keinen Namen. Um das zu wissen, muss man auf den Grund der Hölle gehen, jedenfalls ist es für die Seele äußerst gefährlich.
Widersteht dieser Versuchung! Empfunden hat derlei jedermann im Laufe seines Lebens. Wer sich davon treiben lässt, unterscheidet sich in jeder Hinsicht von dem, der Widerstand leistet. Denn letzterer setzt einen Tugendakt, der manchmal heroisch ist. Da haben wir wahrlich Gelegenheit genug, uns abzutöten. Und solch eine Überwindung bietet sich in dem Milieu, in dem wir leben, häufig an bei gut erzogenen Kindern, die aus soliden Familien stammen… Das sei also unsere Selbstüberwindung.
Tötet euch ferner mithilfe der Mitbrüder ab. Wir haben nicht alle den gleichen Charakter. Zeigen wir uns niemals verletzt wegen spitzer Worte oder Geistreicheleien. Mangel an Liebe erregt Misstrauen, manchmal Rachegelüste, was sich sicher nicht für einen Ordensmann geziemt. Wir habenalle unsere Last zu tragen, so wie alle anderen Menschen auch. Wir haben Erbärmlichkeiten, Rücksichtslosigkeiten, Familienzwistigkeiten, Krankheiten, Enttäuschungen, Demütigungen und Ungerechtigkeiten zu ertragen, die objektiv sind oder von uns nur so aufgefasst werden… Welch eine reichliche Quelle von Selbstüberwindungen! Oh Gott, all das nehme ich an, alle Peinen, aus Liebe zu Dir… Ich sage „Ja“ zu der Demütigung als Sühne für meine begangenen Sünden, diese bittere Enttäuschung zur Sühne all meiner schlechten Gedanken, dieses verächtliche Wort zur Sühne meiner Fehler gegen die Liebe… Hat man dies getan, dann verspürt man im Grund seiner Seele etwas, was uns großen Frieden spendet. Das seien also unsere Abtötungen, meine Freunde. Sie sind uns nicht freigestellt, sondern verpflichtend. Die Kartäuser fasten jeden Tag bis elf Uhr. Als Mittagessen nehmen sie eine rohe rote Rübe, eine halbfaule Frucht. Das ist hart. Und wir erfreuen uns desselben Anteils an Bußübungen, wenn wir mit ganzem Herzen die hl. Regel, den Gehorsam, die Mühseligkeiten, die unseren Weg pflastern, annehmen. Auf diese Weise haben sich viele Heilige geheiligt, und im Himmel werden wir einer großen Zahl begegnen, die kein anderes Leben geführt haben als wir. Und jene, die mit bereiterem Herzen die täglichen Opfer der Vorsehung auf sich genommen haben, werden vor denen ausgezeichnet werden, die die Opfer nur nach Belieben übernommen haben.
Das heißt es gut verstehen. Tragen wir tapfer unser Kreuz, ob klein oder groß, und lassen wir davon nicht das kleinste Stück zu Boden fallen. Diese Gedanke erhalte uns in der Festigkeit und in einem Zustand, der für uns wie für andere so viel Frucht einbringt.