Exerzitienvorträge 1894

      

8. Vortrag: Exerzitienbeichte – Visitation – Beziehungen zu den Fremden.

Das Ende unserer Einkehrtage naht. Handeln wir so, dass alle Exerzitienübungen bis zum letzten Tag von Nutzen sind. Jetzt bringen wir die Ernte in die Scheuer. Nicht ohne Mühe, Widerwärtigkeiten und Ermüdung wird dies möglich sein. Aber immerhin, es ist das Ende: Die Früchte liegen in den Furchen, die Ähren häufen sich an. Vergeuden wir bis zum Schluss keine einzige unserer Übungen. Meiden wir die Zerstreuungen der letzten Stunde, die im Nu die ganze Wohltat der guten Entschlüsse zunichtemachen können.

Ich spreche nicht von eurer Exerzitienbeichte. Ihr beichtet gewöhnlich recht gut, legt während der Exerzitien noch bessere ab. Sie soll vollständig, naiv-unbefangen und umfassend sein. Fürchtet nicht, mit der Lampe des Heiligtums in der Hand bis in die letzten Falten eures Gewissens hinabzusteigen. Seid nicht verlegen, die zweifelhafte Dinge und jene Kleinigkeiten zu beichten, die manchmal kleine Götter, kleine Götzen und Idole sind. Macht es nicht wie jene Frau der Hl. Schrift, die ihre kleinen Götzenbilder unter dem Sattel ihres Kamels versteckte. Legt all das in einer guten Gewissenserforschung vor Gott bloß, und öffnet euch eurem Beichtvater durch ein ehrliches und unbefangenes Geständnis. Verschiebt dieses Bekenntnis nicht auf ein späteres Datum, auf eine günstigere Gelegenheit. Jetzt ist der günstige Tag, der Tag des Heils.

Diese Beichte sollte so gut werden, dass sie allen folgenden Beichten als Vorbild diene. Sie möge darum fromm und mit großer Liebe zu Gott im Herzen durchgeführt werden, in einer tiefen Sammlung. Die Worte der Anklage sind die Materie des Beichtsakraments. Macht es darum mit größter Frömmigkeit, mit einem lebhaften Glauben an das hl. Ministerium, bei dem ihr Hilfe sucht. Der Beichtvater ist immer von Gott inspiriert, was er euch auch sagen und raten mag. Hört ihn gut an! Betrachtet seine Worte als den Ausdruck des genauen Willens Gottes über eure Seele. Empfanget sie mit tiefer Demut. Dann findet ihr im Bußsakrament eine ungeheure Hilfsquelle, worin ihr nicht nur eure Seele von Sünden reinigt, sondern wo ihr sie verjüngt und wiederherstellt. Die Gnade wir überreich auf euch herabkommen, ihr verkostet dann die hl. Freuden der wiedererlangten Unschuld. Für die arme Sünderseele ist die Exerzitienbeichte die Ruhepause, die Oase, die Erfrischung. Bekennt eure Sünden also mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele. Deckt eure Seele ganz und so wie sie ist, auf. Stellt sie zu Füßen eures Beichtvaters hin, und hört dann mit Aufmerksamkeit, mit dem Herzen, und mit dem Glauben und Vertrauen die Worte, die man euch sagt und die die Gnade mit sich bringen. Denn gerade das tut euch not. Überhebt euch nicht als Richter, da ihr noch Sünder seid. Empfanget demütig und vertrauensvoll, was Gott euch schickt. Und dann genießt ihr im Grunde eures Herzens einen tiefen Frieden.
Heute Morgen sprach ich vom ganzen Glück des Oblaten, der mit seinem Direktorium in Händen den sicheren Reisepass für den Himmel hat. In allem Vertrauen kann er zum Herrn sagen: „Herr, ich habe nur dies tun können!“ Das ist gewiss nichts, das Direktorium mit einigen Gedanken und Intentionen. Und doch sind wir da sicher, auf dem guten Weg zu sein. Die Exerzitienbeichte vervollständigt das Direktorium, sie vollendet die Sicherheit unseres Lebens. Sie reinigt uns von Sünden und sühnt unsere Verfehlungen. Was kann uns noch abgehen, um in einer durch nichts zu erschütternderen Sicherheit zu leben?

Legt darum eine gute Exerzitienbeichte ab. Sie sei das Modell, wieder sage ich es, vollendeter Typ eurer Beichten im laufenden Jahr. Die Wohltaten einer guten Beichte sind größer als all das, was wir uns darüber vorstellen können. Sie ist das Heilmittel der Sünde und der Gebrechlichkeit. Sie versetzt die gefallene und verwundete Seele in das Gnadenlicht Gottes.

Hegt darum eine hohe Verehrung zum Sakrament der Buße und, ich wende mich da an die Beichtväter, teilt diese Gesinnung auch euren Beichtkindern mit. Man gibt nur weiter, was man selbst hat: Hegt selber eine tiefe Ehrfurcht, einen lebendigen Glauben und ein absolutes Vertrauen in dieses Sakrament, dann nehmen auch die Seelen, deren Sorge ihr tragt, an eurer Gesinnung teil und nähren sich damit. Und die Beichte wird für sie zu einer immensen Wohltat werden. Nehmt darum die Exerzitienbeichte recht ernst! Schreibt eure guten Vorsätze auf, so erinnert man sich besser und führt sie aus. Habt eurer kleines Exerzitienheft oder einige Blätter, auf die ihr ein paar gute Gedanken und entsprechende Vorsätze schreibt. Dann könnt ihr von Zeit zu Zeit eure Gott gemachten Versprechen wieder durchlesen. Und beim Wiederlesen könnt ihr euch fragen, ob ihr sie gehalten habt. Von neuem gebraucht dann, wie ihr es heute tut, die Mittel, sie treu auszuführen.

Es bleibt noch unser drittes Losungswort zu erklären, „vi“, d.h., durch die „visitatio“, die kanonische Visitation (neben dem Direktorium und der Nächstenliebe). Durch sie bleibt der Oblate in der ganzen Kraft seines Institutes.

Vorher möchte ich bemerken, dass wohl jeder weiß, dass das Generalkapitel Gesetzeskraft hat. So halten es auch alle anderen Kongregationen. Das Generalkapitel ist die offizielle Versammlung der Ordensleute, die gemeinsam überlegen, um die Bestimmungen festzulegen und zu formulieren, die Gesetzeskraft haben sollen. Gewiss ist ihre Autorität nicht so groß wie die der Satzungen, die der Papst und die hl. Kirche gegeben haben. Aber es ist eine Satzung im Detail, dazu bestimmt, die Übung der ersten Satzung zu erleichtern. Die Satzungen gleichen ja den Geboten Gottes, das Generalkapitel aber den Geboten der Kirche. In sämtlichen Orden hielt und hält man solche Generalkapital ab. Die Jahrbücher des Klosters Citeaux berichten, dass dort kurz nach dem Tode des hl. Bernard ein solches abgehalten wurde. Da kam man überein, dass in Zukunft kein Seligsprechungsprozess in Rom mehr anhängig gemacht werden sollte. Grund dafür war, dass solche Prozesse im Orden immer häufiger geführt wurden und die Häuser dadurch zuviel belastet wurden. Wir haben einen solchen Beschluss noch nicht zu fassen.

Kanonische Visitation, was ist das?
Es gibt zwei Arten von Visitationen: die jährliche, offizielle, sowie andere, die zu anderen Zeiten stattfinden können.

Die Visitation geschieht durch den Generaloberen. Ist er infolge seines Alters, durch Krankheit oder anderweitige wichtige Arbeiten verhindert, sie selbst vorzunehmen, so beauftragt er einen anderen. Der Visitator wird also vom Generaloberen delegiert. Er empfängt seine Weisungen direkt vom Generaloberen, damit er seinen Auftrag gut erfülle und sich darin treu erweise, sie nur in den vom General bezeichneten Grenzen auszuüben.

Die offizielle Visitation erfolgt einmal jährlich. Sie hat eine gewisse Feierlichkeit, ein gewisses Gepräge. Überall wird der General zuerst von allen Ordensleuten in der Kapelle empfangen. Man betet das „Veni Creator“ (Anm.: „Komm, Heiliger Geist, GL 241“) und den „Benedictus“. Der Visitator beschreibt mit einigen Worten seine Sendung, sowie die hauptsächlichen Punkte, die er mit jedem Oblaten verhandeln will. Er bereitet die Seelen, kurz gesagt, vor, die Wohltaten der Visitation zu empfangen. Er soll die Seelen also zum Vertrauen disponieren, stellt sich jedem zur Verfügung, um seine vertraulichen Mitteilungen zu empfangen, was jedermann an Mühsalen, Schwierigkeiten und Beschwerden haben mag. Vor allem besucht er den Hausoberen und bespricht mit ihm alles, was die Leitung des Hauses betrifft. Auf den Oberen nimmt er jede mögliche Rücksicht. Er soll ja seine größte Stütze sein, seine Hilfe und sein Trost inmitten der Schwierigkeiten und Arbeiten, die ihm obliegen.

Er wird gewissenhaft alle Ämter des Hauses prüfen, vergewissert sich der Aufrechterhaltung der guten Ordnung im materiellen wie im geistlichen Bereich, befragt den Oberen, ob die Befolgung der Regel garantiert ist, ob man pünktlich alle Empfehlungen beachtet. Kein Ordensmann unterlasse es, ihn persönlich aufzusuchen, alle ohne Ausnahme, ob sie seinen Besuch für nötig zu haben glauben, oder ob sie ihn für überflüssig halten. Auf diese Weise bekunden alle ihre Hochachtung vor dem Visitator ermuntere alle und mehre in ihnen die Gesinnung der Nächstenliebe, der Hingabe und des Gehorsams, was zur Liebe spreche er den Tadel aus, den er für angebracht hält und gebe nützliche Ratschläge. Denn alles, was er sagt, wird einen tiefgehenden und heilsamen Einfluss ausüben.

Die kanonische Visitation endet mit einer Zusammenkunft in der Kapelle, wo der Visitator eine Schlussansprache hält und, wenn angebracht, die verschiedenen Punkte der Erneuerung aufzeigt. Alles schließe mit dem „Eucharistischen Segen“ und dem „Te Deum“.

Die anderen Visitationen im Laufe des Jahres haben einen anderen Charakter. Der Studienpräfekt halte seine eigene ab, indem er sich vergewisserte, dass die Studienprogramme eingehalten und die Studien zu den angegebenen Bedingungen erfolgen. Er gehe in die verschiedenen Einzelheiten ein, gebe den Lehrern die passenden und nötigen Weisungen, dass sie ihrer Aufgabe voll gerecht werden. Werde mit dem Oberen einig, um den Missbräuchen, die sich einschleichen könnten, abzuhelfen. Diese Visitationen sind zu einer absolut notwendigen Einrichtung geworden, da keine Ordensgemeinschaft existieren kann, wenn sie nicht dieselbe Lebensweise, denselben Geist, dieselbe Regel und dieselben Observanzen hat. Schaut die Jesuiten an, wie bei ihnen alles überall auf dieselbe Weise erfolgt. Unsere Visitationen sollen die gleiche Wirkung hervorbringen.

Überzeugen wir uns während der Exerzitien zutiefst, wie notwendig es ist, dass wir an unserem Ordensgeist festhalten. Jeder soll sich darum entsprechend seiner Berufung heiligen, wie notwendig es ist, dass wir an unserem eigenen Ordensgeist festhalten. Jeder soll sich darum entsprechend seiner Berufung heiligen, wie unser hl. Stifter sagt. Übernehmen wir niemals von anderen etwas, was außerhalb unseres Ordens liegt, so gut es auch scheinen mag und in Wirklichkeit auch ist. Für uns ist es nicht gut. Befolgen wir darum getreu bezüglich der Weltleute wie des Weltklerus die Regeln, die ich euch eingeschärft habe. Hüten wir uns besonders davor, dass wir uns in der Leitung unserer Häuser und Kollegien nicht bei den Stadtweibern Rat holen. Frau Soundso hat in unserer Küche nicht ihr Gewand zu wetzen, nicht unseren Suppentopf zu beaugapfeln, den und den Kranken zu untersuchen, den und den Lehrer auszuhorchen, ihre Späße anzubringen und Ratschläge auszuteilen…
Wäre das würdig? Kann Gott derartige Verhaltensweisen segnen? Wäre das keine Schande?

Der Visitator prüfe also, ob sich solcherlei Missbrauch nicht in ein Haus eingeschlichen hat. Das schärfe ich ihm besonders ein. Ich setze voraus, dass es dabei nicht um etwas Schlechtes handelt. Geht es dabei aber auch nicht um eine theologische Sünde, so doch um einen moralischen Fehler, einen enormen Verstoß, der sogar den Bestand eines Kollegs kompromittiert. Mag der Obere Beziehungen zu den Eltern, den Fremden unterhalten, solche, die mit seinem Amt verknüpft sind, dann ist es gut und notwendig. Die Eltern sprechen mit uns über ihre Kinder und erbitten von uns Rat, tragen ihre kleinen Klagen vor. All das ist Ordnung. Sie bejahen euren wohltätigen Einfluss bei dem schwierigen Einfluss ganz von Ehrfurcht und Vertrauen getragen und durchwirkt sein. Er sei mit Würde umkleidet und trage mit sich das Gepräge moralischer Autorität, Weisheit und Klugheit, die die Seelen zu Gott führen. Unsere Beziehungen zu den Eltern dürfen jedoch auf keinen Fall so sein, dass man uns Hand und Fuß fesselt und uns nach dem Belieben und der Laune des Herrn und der Frau Soundso lenke.

Was ich da sage, ist wesentlich, denn wer immer sich so einfangen lässt, die Männer neigen weniger dazu als die Fragen, wer auch immer also sich von einer Frau beherrschen lässt, ist verloren. Oder hat Gott etwa diese Dame mit einer Sondermission betraut, euch aufzuklären und zu leiten? Welches Sakrament vermochte wohl solch eine Gnade zu verleihen? Darum gebe man darauf acht. Wie die Schrift sagt: Hier lauert die schlimmste Gefahr von allen. Zu wem sollt ihr dann eure Zuflucht nehmen in euren Enttäuschungen und Schwierigkeiten, wem sollt ihr euer ganzes Vertrauen bekunden? Eurem Oberen, eurem Visitator, euren Patres und Brüdern.

Wer ist denn von Gott gesandt, wer hat von ihm die Mission aufzuklären, zu leiten, zu führen? In der Kirche ist es der Papst. Wen hat Gott zwischen den Papst und euch gestellt? Eure Oberen. Da ist das Licht und die Vollmacht. Sucht nicht anderswo!

Was ich da von Frauen sage, gilt auch von den Pfarrern und Kaplänen. Angenommen, ihr schenkt euer Vertrauen und innige Freundschaft einem Pfarrer oder einem Kaplan: Bald übt er auf euch Einfluss aus. Eines Tages leitet er euch, ohne dass ihr es merkt. Er zwingt euch seine Gedanken und Empfindungen auf, seine Anschauung, die Meinung seines Zeitungsblättchens. Das ist dann kaum besser als wenn es Frau Soundso täte. Denn auch dieser Weltpriester hat keinen Auftrag empfangen, euch zu leiten. Nicht aus diesem Grund er Pfarrer oder Vikar geworden. Ist er ein heiligmäßiger Mann, der ein gesundes Urteil hat, und das findet sich nicht immer gleichzeitig in einem Menschen vereint. Es gibt Heilige im Himmel, die einen etwas verschrobenen Kopf hatten. Ist er also ein heiliger Priester, dann achtet ihn von ganzem Herzen. Beherzigt seine Bemerkungen und zieht Nutzen daraus. Er nennt euch die und die Sache, die im Argen liegt. Das ist gut so. Gebt acht, dass ihr es in Zukunft besser macht. Doch lasst euch nie selbst von einem Heiligen leiten.

Muss man aus dem Gesagten schließen, dass wir uns jedem gegenüber wie ein Irokese (nordamerikanischer Indianer) benehmen sollen? Nein, tut, was ich euch da soeben gesagt habe. Seid höflich und liebenswürdig und beweist gute Erziehung. Man wird euch umso höher einschätzen, als ihr zurückhaltend seid, und niemand die Herrschaft über euch einräumt. Leistet gute Dienste, dann werden gerade diese Dienste, und nur sie, geschätzt werden.

Bleibt in all eueren Beziehungen zur Außenwelt Ordensleute. Nehmt die verschiedenen Temperamente, wie ich sie oben einmal geschildert habe, ernst, dann findet ihr Achtung und ihr gewinnt Einfluss. Niemals aber wird einer, der euch Ordensleute in seiner Gewalt und Hand spürt, für euch den geringsten Respekt und die geringste Hochachtung spüren. Er wird euch nach Belieben manipulieren und im Inneren über euch lachen.

Ich weiß sehr wohl, dass uns der Teufel manchmal auf eine erschreckende Weise versuchen wird. Es gibt Versuchungen jeder Art, und die, von der ich euch sprechen möchte, überkommt uns nicht selten und ist recht gefährlich. Man verstehe mich gut! Es kommt häufig, ja immer wieder vor, dass wir wegen etwas belästigt werden und man gegen uns etwas unternimmt, worüber wir innerlich erregt sind. Man hat unsere guten Absichten verkannt. Man nimmt eine Änderung vor, die Misstrauen beweist, eine Art Ungnade, in die wir gefallen sind. Das empfinden wir sehr lebhaft und schmerzlich. Wir schütten jetzt außerhalb des Klosters unser Herz aus, bei einem Pfarrer, bei einem Kaplan, er ist uns nicht ganz fremd, man ist froh, sich bei ihm das Herz etwas erleichtern zu können. Man muss ja schließlich jemand sagen können, was man gegen den und den in der Gemeinschaft hat, der nicht ganz unschuldig ist an der getroffenen Maßnahme gegen uns. Das alles ist sehr natürlich, und doch ist das Übel, das wir damit anrichten, ganz bedeutend. Man geht aber auf unsere Gefühle ein, gibt uns recht gegen die Autorität. Ich aber werde bis zum Ende nicht müde werden, euch zu empfehlen, niemals jemand recht zu geben gegen die rechtmäßige Autorität, gegen die Vollmacht. Gebt nie einer Frau recht gegen ihren Mann, Kindern gegen ihre Eltern oder Lehrer, Arbeitern gegen ihren Brotgeber, Ordensfrauen gegen ihre Oberin, Novizinnen gegen ihre Meisterin. Sucht vielmehr, das Verhalten der Autorität zu rechtfertigen. Ist diese aber nicht zu rechtfertigen, und das kommt nur allzu oft vor, so entschuldigt sie und gebt eine möglichst günstige Erklärung. Ermutigt vor allem und immer zu gehorchen. Denn man gehorcht ja letztlich Gott… Führt jederzeit zum Gehorsam zurück all jene, die sich bei euch beklagen. Jedes andere Vorgehen wäre eines Oblaten unwürdig, unwürdig des hl. Franz v. Sales, der immer und unter allen Umständen diese Verhaltensregel empfahl.

Sagt also nie Nachteiliges über die Oberen, über die euren vor allem, und nehmt euch auch in Acht, dass ihr nie einem anderen Anlass gebt, dieses zu tun. Wüsste ich einen unter euch, der zu dieser Geistesart neigt, selber schlecht über seine Vorgesetzten zu reden und dazu zu verleiten, würde ich ihn beschwören im Namen unseres Herrn, sofort zur Beichte zu gehen und den festen Vorsatz zu fassen, es nicht wieder zu tun. Und hätte er die ewigen Gelübde noch nicht abgelegt und glaubte, die Kraft nicht zu haben, diese Verpflichtung auch zu halten dann möge er fortgehen! Und hat er die ewigen Gelübde bereits abgelegt, dann möge er ebenfalls gehen, wenn der Hl. Vater ihn von den Gelübden entbindet. Ich wende mich hier nicht an einen, der das Unglück hatte, sich in diesem Punkt ein-, zwei-, oder dreimal zu vergessen. Ich meine vielmehr einen, der dazu veranlagt ist, und nicht den Mut aufzubringen meint, davon loszukommen.

In einer Kommunität ist dieser Geist gefährlicher und verderblicher als irgendein anderer schlechter Geist. Nehmen wir einen verdorbenen Menschen an, der Sklave seiner bösen Leidenschaft ist: Er zieht auch einen anderen ins Böse hinein. Das ist weniger gefährlich in seinen Folgen als der böse Geist, den ich hier meine. Wieso? Weil der Verführte im Grund seines Herzens sicher einen Vorwurf, eine Stimme des Gewissens hören wird, die ihm zuruft: „Bekehre Dich! Beichte Deine Sünde!“ Und er tut es. Wer aber seinen Mitbruder in diesen bösen Geist der Kritiksucht mit hineinzieht, vor dem ich euch hier warnen will, bringt ihn auf einen Weg, wo er sein Gewissen verfälscht und in die Irre geführt wird, und wo er sicherer und gefährlicher zugrunde geht. Ich behaupte nicht, dass diese Sünde an sich schlimmer sei als die moralische, von der ich oben sprach. Aber für eine Gemeinschaft ist dieser Geist in seinen Folgen schrecklicher.

In meinen Erinnerungen stehen zahlreiche Beispiele für das, was ich da sage, Beispiele von Männergemeinschaften, mehr aber noch von Frauengemeinschaften. Ihr könnt natürlich auf niemand das Gesagte mit Sicherheit anwenden. Bei den Oblatinnen dagegen habe ich dagegen die Beobachtung gemacht, dass von all jenen, die aufgrund der üblen Nachrede die Kommunität verlassen mussten, keine einzige eine gute Christin geblieben ist. Das ist schmerzlich festzustellen: die meisten gingen auf Abwege. Und das, weil einer oder eine ihnen etwas gegen ihre Oberinnen gesagt hat, gegen ihre Kommunität. Der Zustand dieser Unglücklichen ist siebenmal schlimmer als wären. Ich übertreibe hier nichts, meine Freunde. Ich sage das in Gegenwart unseres Herrn und bitte ihn, selber seine Worte in meinen Mund zu legen.

Im Großen Seminar (Theologenkonvikt) wurde ich ein einziges Mal gescholten, und zwar vom Professor der Theologie, Herrn Chevalier. Es ging um einen Mitschüler von gutem Charakter, der aber sehr leichtsinnig und zerfahren war. Eines Tages stellte er sich um und wurde ernst und fromm. Ich nun spottete über seine unerwartete Bekehrung. Herr Chevalier war zugegen und tadelte mich sehr: „Nehmen Sie sich in Acht, Brisson“, sagte er zu mir, „Sie machen da einen Fehler, der sehr schreckliche Folgen haben kann! Hat die Gnade Gottes wirklich diesen jungen Mann getroffen, dann kann er ein heiliger Priester werden, ein Apostel. Nimmt er nun Ihren Scherz tragisch, kehrt er zu seiner bisherigen Lässigkeit zurück und findet die heutige Gnade nicht mehr, welch ein Unglück wäre das, welch ein Skandal! Welch eine Verantwortung fiele da auf Sie zurück!“

Wir tun also gut daran, Versuchungen dieser Art zu vermeiden, indem wir keine intimen Beziehungen zu Weltleuten unterhalten. Machen wir vielmehr unseren Vorgesetzten vertrauliche Mitteilungen. Das heißt mitunter: Ein bitteres Getränk hinunterschlucken. Machen wir das Kreuzzeichen und schlucken wir es tapfer hinunter. Zwischen zwei Ave Maria geht das schon.

Es versteht sich, dass ich mit meiner Empfehlung, keine intimen Beziehungen zu Laien zu unterhalten, auch das mit einschließe, dass wir häufige und unnütze Besuche, Mittagessen, Feste und Zusammenkünfte draußen unterlassen. Das ist ganz verboten, die Teilnahme an großen Mittag- oder Abendessen. Vielleicht habe ich diese wieder ernst. Wenn ihr einem Pfarrer bei der Seelsorge aushelft und er nicht ganz in der Nähe wohnt, lässt es sich nicht vermeiden, bei ihm auch zu essen. Ihr könnt nicht sofort ins Kloster zurückkommen und auch nicht einen ganzen Tag dort nüchtern bleiben. Geht zu diesem Pfarrer jedenfalls einzig, um ihm in der Seelsorge zu helfen. Zum Feiern mit ihm sollt ihr nicht hingehen. Ihr seid eingeladen worden, an einem Festtag zu predigen. Dann muss man auch an der Mahlzeit teilnehmen. Beachtet dann die Regeln der Bescheidenheit, wacht über euch, seid voller Klugheit und Zurückhaltung, damit alle erbaut sind statt Ärgernis zu nehmen. Zu einem Fest sollt ihr nicht gehen, nur um zu feiern, ebenso wenig zu einer Versammlung, einer Konferenz, einem Festbankett oder Ähnlichem. Nehmt euch also nicht die Freiheit, beliebig was auch immer bei wem auch immer anzunehmen. Auch außerhalb der Mahlzeiten sollt ihr bei niemandem etwas annehmen. Wollt ihr das zu Hause tun, dann holt euch erst die Erlaubnis. Seid ihr ermüdet von der Schule oder habt ihr Schnupfen, dann erbittet die Erlaubnis, etwas Zusätzliches nehmen zu dürfen. Ohne Nüchternheit gibt es jedenfalls kein echtes Ordensleben. Versteht man es nicht, sich da einen Zwang aufzuerlegen, dann hat man sich bald von klösterlichen Gewohnheiten entfernt. Man gewöhnt sich daran, Kaffee zu trinken. Erheischt euer Gesundheitszustand, Alter und Konstitution den Gebrauch von Kaffee, dann holt dafür die Erlaubnis ein. Sonst aber trinke man in der Kommunität keinen Kaffee, von seltenen Gelegenheiten abgesehen. Wenn ein Fremder zur Hauptmahlzeit erscheint, dann ladet ihn dazu ein, wenn ihr höflicherweise nicht anders könnt. Behandelt ihn gemäß seinem Stand. Von euch aus aber ladet niemanden zum Essen ein und stellt keine Essbeziehungen mit wem immer her.

In allen Fällen, wo eine Ausnahme von diesen meinen Empfehlungen geboten erscheint, verschafft euch die Erlaubnis des Generaloberen, wenn es sich nicht um einen unerwarteten und absolut notwendigen Fall handelt. Geht zu den Jesuiten, dann werdet ihr sehen, ob sie zum Essen einladen und selber da und dort essen gehen. Ich habe ein einziges Mal bei ihnen gespeist, am Fest des hl. Ignatius, man isst dort gut, das war aber auch alles. Sie haben mich nur einmal im Leben eingeladen. Übertreiben darum auch wir nicht.

Das gelte also als ein Gesetz ohne Ausnahme, von besonderen Gelegenheiten abgesehen, die nie Gewohnheit werden können, und auch dann nur mit Erlaubnis des Generaloberen.

Meine Freunde, schließen wir uns eng zusammen und bilden wir ein festes Bündel. Das Band aber soll unser Herr sein und unsere hl. Regel. Unter diesen Bedingungen können wir jedem von uns ein vollkommenes, glückliches und gutes Leben versprechen. Unser Leben hat einen Sinn, es führt zu Gott: Er ist mit uns. Ob unsere Erlebnisse glücklich oder unglücklich sind, das Leben süß oder bitter, angenehm oder mühselig, wir empfangen alles aus der Hand des Herrn und sind dann glücklich in seiner Gemeinschaft, was immer uns zustößt. Wir führen kein isoliertes, mutloses, unglückliches Einsiedlerdasein, und sind keine verlassenen und verachteten Parias. Gottes Gabe steht uns zur Verfügung, sie liegt in der treuen Observanz, in der Liebe der Kommunität. Wie schön ist doch ein solches Leben! Wir sehen und fühlen Gott „per speculum in aenigmate“ (Anm.: „Durch einen Spiegel und im Rätsel.“). Dann kommt der Tod und dann der Himmel, wo Spiegel und Rätsel verschwinden und wir IHN ohne Schleier, von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Klagen wir also nicht: „Wir sind nicht unglücklich.“ Unser Los ist im Gegenteil sehr beneidenswert. Amen.