Exerzitienvorträge 1894

      

6. Vortrag: Das tägliche Memento --- Nachwuchssorgen --- Prüfungen und
Tröstungen der Oblaten.

Setzen wir unsere Exerzitien mit gutem Mut fort. Ich sage es euch noch einmal und wiederhole es immer wieder: Die Exerzitien, d.h. die einzelnen Übungen tragen die Gnade Gottes mit sich. Gefühle sind unwichtig, natürliche Verfassung, Eindrücke, Mutlosigkeit, sogar des Willens, bedeuten nichts. Exerzitien wirken aus sich und durch sich, und wir ernten unfehlbar ihre Früchte, wenn wir trotz allem alle Übungen gut verrichten. Als ich in der Heimsuchung war, und das war, so meine ich, für alle eine gute Zeit, machte ich die Feststellung, dass die begnadetsten Seelen während der Exerzitien äußerst peinvolle Tage durchzumachen hatten. Sie konnten nicht mehr beten, vernahmen die Stimmen Gottes nicht mehr, fühlten in sich Lust zum Widerstreben und zum Widerspruch gegen alles, was ihnen begegnete. Sie empfanden eine unerhörte Pein, die allgemein vorgeschriebenen Übungen zu absolvieren. Diese Feststellung habe ich gemacht und sie lässt sich fast bei all den Seelen machen, die meiner Meinung nach von Gott besonders geliebt werden. Nachher erst wurden die Gnaden solcher Exerzitien sichtbar und schätzbar. Die inneren Erleuchtungen und Gnadenhilfen waren Legion. Die Gnaden wurden spürbar in der Stunde der Not, wenn der richtige Moment gekommen war. Und diese Gnaden schienen mir im genauen Verhältnis zu stehen zur Intensität der Müheseligkeiten, der Trockenheiten und Prüfungen der Einkehrtage.

Fahrt darum fort, eure Exerzitien „toto corde“ (Anm.: „aus ganzem Herzen.“) zu vollziehen. Bittet Gott, selbst Hand daran zu legen und euch alles zu geben, was er für in Reserve hält im innersten Kämmerlein seiner Erbarmungen.

Während dieser Einkehrtage haben wir nicht genügend Zeit, um auf alle Einzelheiten unseres Tagesablaufs und Oblatenlebens einzugehen. Die erste Frucht dieser hl. Tage soll aber in diesem Jahr darin bestehen, enger als früher mit jeder einzelnen Übung verbunden zu werden, wollen wir doch, dass diese Exerzitien zu einer zu einer Erneuerung und zu einem echten Neubeginn führen. Darum wünsche ich, dass jeder unserer Patres in seinem Brevier das kleine Memento (Gedenkblatt) habe, das man uns ausgehändigt hat vor ein paar Jahren, und das wir wieder finden sollten.

Auf der ersten Seite befand sich das Bild, das unser hl. Stifter sehr liebte, weil es unseren Herrn im Herzen der treuen Seele wie auf einem Throne sitzend darstellt. Im Memento waren alle Übungen des Oblatenalltags aufgezeichnet, die 16 – 18 Dinge, die er jeden Tag zu erledigen hat. Menschen, die arbeite und das Gewicht der verschiedenen Materialien zu berechnen haben, lange und schwierige Zahlen auszurechnen haben, bedienen sich eines Rechenbüchleins, das sie vorher angefertigt haben und das wir Rechentabelle nennen. So eine Rechentabelle sollten wir auch haben, und diese Rolle soll unser kleines Memento spielen, das uns hilft unsere tägliche Schuld zu bezahlen, unsere Bemühungen und Leistungen abzuschätzen. Legen wir ihm große Bedeutung bei. „Habent sua fata libelli.“  (Anm.: „Büchlein haben ihre Schicksale.“). Denn dieses kleine Kartonblatt führt unfehlbar in den Himmel. Tut das, und ihr werdet Heilige werden.

Das Werk des Menschen ist nichts wert, Gottes Werk ist alles. So steht ihr in beständiger Vereinigung mit Gott. Eure Arbeiten, für Gott verrichtet, nehmen einen durch göttlichen Charakter. Darum empfehle ich euch dringend diese kleine Gedächtnisstütze. Legt es euch jeden Tag und mehrmals am Tag vor Augen. Es sei das Lineal und das Metermaß, mit dem ihr euer Leben abmesst, damit ihr nicht zu kurz befunden werdet für den Eintritt in den Himmel. Das Memento ist also kein billiges Mittelchen, sondern von allerhöchster Bedeutung.

Ich möchte heute Abend eine Bemerkung über ein sehr wichtiges Thema machen, worüber wir bereits gesprochen haben. Es wird sehr selten vorkommen, dass ein guter Pfarrer in einer beliebigen Diözese nicht einen seiner jungen Pfarrkinder für das Priesterseminar vorbereitet hätte. Das wäre ein seltener Fall: Der Pfarrer müsste sich denn in ungewöhnlich misslichen Umständen befinden, in einer ganz und gar vollkommenen Pfarrei, oder aber er müsste sehr ungeschickt sein. Wie kommt es dann, dass wir Ordensleute nicht genau so handeln? Es gibt keinen guten Pfarrer, der nicht in seiner Priesterlaufbahn dem Seminar einen Priester gewonnen hätte, anders würde ja der Klerus aussterben. Der Klerus holt seinen Nachwuchs nicht leicht aus reichen Familien. Solche Familien haben nicht das Licht und die Gesinnung eines lebendigen Glaubens, den Geist des Opfers. Nach dieser Seite erzieht man seine Kinder nicht mehr, denn das bedeutet Verzicht und Opfer. Ja, man fürchtet sich sogar vor Priester- und Ordensberufen in seiner Familie. Sie würden Mordio schreien, wenn man ihnen davon spräche, ihre Kinder Gott zu weihen. Sobald sie hingegen die Mittel und Möglichkeiten zu einer kleinen Heiratsmitgift haben oder ihren Kindern einen kleines Handelsgeschäft zu organisieren haben, oder sie dieselben in die Verwaltung der Eisenbahn oder des Papiers (Bureau) einschmuggeln können, sind sie am Gipfel ihrer Sehnsüchte und wünschen im Augenblick nichts anderes. Sie wären sehr überrascht oder gar in ihrer Eigenliebe verletzt, würde man ihnen in ihrem Kind ein Anzeichen von geistlichem Beruf nachweisen. Nachwuchs für den Klerus zu bekommen, wird darum recht schwierig. Das hält aber gute Pfarrer in keiner Weise ab, und sie gelangen auch ans Ziel. Und hätten sie in ihrer Pfarrei auch nur eine oder zwei gute Familien, sie vergessen diese eine ihrer wesentlichen Priesterpflichten nicht. Sie sagen zur Mutter ein Wort: „Ihr habt einen Sohn, der die Fähigkeiten hätte. Wenn man ihn ins Seminar täte…“ – „Aber das käme doch zu teuer…“ –
„Nun, ich kenne den Regens, ich werde mit ihm schon einig in Bezug auf einige Zugeständnisse. Das ist so viel wie abgemacht!“ Es gelingt zwar nicht immer beim ersten Anlauf, aber oft glückt es schließlich doch, und auf diese Weise werden Berufe geboren. Und wir, warum gehen wir nicht auch so vor?

Wie kommt es, dass wir Lehrer, Aufseher, Beichtväter, Schüler in der Hand haben, mehr als ein Pfarrer je haben könnte. Wie kommt es, dass wir für uns keine Berufe gewinnen? Warum sagen wir nicht zu Gott: Dieser Junge ist religiös und begabt, er gäbe einen guten Priester ab. Und würden wir dann mit unseren Gebeten und Bemühungen dies fruchtbare Erdreich begießen, klug und weise versuchen, diesen Beruf durch ein kleines Wort, eine Ermunterung zur Frömmigkeit, einen guten Rat zur Entfaltung zu bringen. Besonders indem wir diese Seele in unsere Betrachtung, hl. Messe, Kommunion und Gebete mit hineinnehmen, meine Freunde, ich bin sicher, wir würden diese Seele gewinnen, denn so, meine Freunde, keimen und reifen Berufe, das ist das gewöhnliche und sichere Mittel. Wie kommt es also, dass wir alle Elemente in der Hand haben und doch nicht daran denken?

Sind wir denn keine guten Ordensleute? Wären wir alle gute Ordensleute und läsen täglich unser Memento durch, dann würden wir daran denken. Wir sollten aber daran denken!

Wir müssen uns oft sagen und wieder sagen: Gott hat mir eine auserlesene Gnade erteilt, als er mich unter Tausenden auserwählte, mich beschützte und bewahrte. Er schenkte meinem Herzen eine unerschöpfliche Quelle von Freuden jeder Art durch die Wohltat meines Ordensberufes. Ich will diese Gabe nicht für mich allein behalten. Ich will, dass auch andere dieses Glück kennen lernen und genießen. Nicht selbstisch will ich dieses Glück für mich allein genießen. Wenn man Gott liebt und in dieser Liebe sein Glück findet, ist es unmöglich, dass man nicht so spricht und handelt. Unmöglich, dass man sich nicht dafür einsetzt, mit anderen dieses Glück zu teilen.

Wenn ein armseligen Kind sich zum Bösen geneigt fühlt und dafür eine wahre Leidenschaft empfindet, verführt es auch andere zum Bösen. Die Leidenschaft gleich welcher Art wirkt immer ansteckend. Hättet ihr die Leidenschaft der Gottesliebe, meine Freunde, dann würde euch auch eine Leidenschaft nach Ordensberufen beseelen, und beide wären ansteckend.

Vergesst es nicht, dass dies die größte Liebe ist, die man einem anderen erweisen kann. Ihr kennt eine kleine Kindesseele, gut, einfach, keusch. Gott spricht zu ihr und offenbart sich ihr von Zeit zu Zeit durch Strahlen des Glaubens und der Liebe. Das ist ein wertvolles Vorzeichen von Auserwählung. Wollt ihr sie nun da stehen lassen, ihr, die ihr doch für sie etwas tun könntet. Wollt ihr sie verlassen und in den Kot sinken lassen? Wollt ihr dieses Talent vergraben, das Gott euch in einem gewissen Maße anvertraut hat? Wollt ihr es in ein Sacktuch wickeln und in einem Loch eures Gartens verscharren? Glaubt ihr denn, Gott würde euch segnen? Gott wacht eifersüchtig über seine Gaben, er will, dass man ihren Wert vermehrt, bei sich und bei den anderen. Er hat in die Seele eines kleinen Kindes sein Leben gelegt, seinen Geist, sein Blut, und ihr tut nichts, um diesen Schatz zu mehren, es hundertfachen Wert gewinnen zu lassen, wie Gott es wünscht? Ihr hättet diese Seele mit Leichtigkeit Gott schenken können. Vielleicht wird sie ihm nie gehören. Die zarte Frucht verdirbt so leicht, sie fault und wird umso widerlicher. Wisst ihr, meine Freunde, warum die Welt so schlecht ist? Weil es eine sehr große Zahl von vergeudeten Ordensberufen gibt. Schaut nur Clairvaux an: Es ist heute nicht mehr die „Clara vallis“, das lichte Tal, sondern eine Räuberhöhle.

Man denkt zu wenig über diese Dinge nach. Das hindert aber nicht, dass die Katastrophe unfehlbar kommt. Vor einigen Jahren versank die Stadt Zug in den See. Das war seit langem vorauszusehen und den Leuten dort ist folgendes gesagt worden: „Seid auf der Hut, der See untergräbt eure Erde.“ Die guten Leute machen sich nichts daraus: Man sagte das ja seit so langer Zeit! Mal abwarten! … Und dann, eines Tages war es da, und ein Teil der Stadt versank.

Ihr gebt nicht Acht, seht das Übel nicht, das die euch anvertrauten Seelen bedroht, ihr schlaft, was die Zukunft betrifft. Das Kommende interessiert euch nicht. Aber seid ihr denn nicht die Gegenwart verantwortlich, und diese, ist sie denn nicht Basis und Vorbereitung der Zukunft? Alles, was die Gesundheit dieser Seelen betrifft, das Leben, der Geist Gottes in ihnen, die Tatkraft, die Gnade, all dieses muss euch ständig Sorge machen. Das Böse geht um in diesen Seelen, ihr seid daran schuld. Ihr habt Gott zu wenig angehört, zu wenig gebetet, wart zu wenig wachsam. Ihr habt die Sünde nicht gesehen, die diese Seelen bedrohte.

Obliegt uns denn die Sorge um Seelen? Aber gewiss, genau wie dem Pfarrer einer Gemeinde, und viel mehr noch als ihm, weil die Seele der Kinder uns auf eine viel umfassendere Weise anvertraut sind. Wenn wir ihre Seelen vergessen, was sind wir dann schon, Verkäufer von Brot, Suppe und Latein? Ganz und gar nicht. Warum wollen wir das nicht verstehen? Weil wir in unser Brevier und mehr noch in unser Herz das kleine Blatt unseres Mementos nicht gelegt haben.

Der Nachwuchs von Berufen sollte für uns Gegenstand ganz besonderer Aufmerksamkeit und Sorge sein. Wir fügen den Seelen Unrecht zu, wenn wir das aus den Augen verlieren. Wir schicken sie ins Zuchthaus. Ist der Beruf echt und wird er dank unserer Nachlässigkeit und Schuld verludert, seht, welch ein Unrecht wir, meine Freunde, diesen Seelen und der Genossenschaft zufügen! Bis zu diesem Augenblick haben wir wirklich zu wenig darauf geachtet.

Ich weiß sehr wohl, dass die Zahl der Oblaten nicht sehr groß sein kann in so kurzer Zeit. Ich weiß wohl, dass wir so viel zu tun haben und wir alle guten Willen haben. Darum, wenn ich zu euch in so lebhaftem Ton spreche, tue ich es immer mit einem allerhöchsten Respekt für euch, weil ich weiß, was ihr leistet und weil ich eure Mühen und Peinen kenne. Ich weiß, was unsere Lebensweise an Hartem, Mühseligem an sich hat. Wie die Natur sich dagegen aufbäumt und wie es unsere Persönlichkeit zermalmt. Was die Kongregation euch gibt, ist wenig, ist geringfügig, ist demütigend, für die Eigenliebe und die menschliche Natur. Diese letzten Tage war ich im Sekretariat der „Propaganda fide“: Die Oblaten, sagte mir der Sekretär, sind die letzten Missionare der Welt, die erbarmenswürdigsten, am meisten zu leiden haben, am wenigsten Großes und Glänzendes zu tun haben. So sagte es Msgr. Guasco mir. Unsere Rolle ist in der Tat bescheiden, eingeengt, eingeschnürt. Um sie auszufüllen, bedarf es eines starken, großen und selbstvergessenen Willens. Es geht nicht darum, heroisch zum Tod zu schreiten, zum Martertod, in die Augen springende Werke zu vollbringen, die die Begeisterung, den Schwung, die laute Bewunderung wecken. Unter dem Auge Gottes sollen wir uns im Stillen und bei kleinem Feuer verzehren. Tag und Nacht, ohne Unterlass sollen wir unser „iugum“, unser Joch, tragen und dabei wissen, dass Gott allein alles tut. Es ist nicht leicht, Oblate zu sein! Auf der anderen Seite freilich, wenn wir treu sind, was hat uns dann der Herr, die Gute Mutter, der Hl. Vater alles verheißen? Seht nur, welch schöne Erfolge die kleinen Anstrengungen gezeitigt haben, die wir so bescheiden gemacht haben! Wenn es auch, natürlich gesprochen, nicht sehr anziehend und verführerisch ist, Oblate zu sein, so ändert sich das, sobald man anfängt, die Gnaden zu verkosten, die Gott jenen schickt, die zu ihm ganz einfach und großmütig gehen, um unser Oblatenleben zu führen und in die Fußstapfen des hl. Franz v. Sales und der Guten Mutter zu treten. Wenn man den Schatz versteht, der unseren größeren Reichtum ausmacht, kann man dann etwas Schöneres, Größeres und Glücklicheres finden?

Seht doch, wie es bei anderen Kongregationen viel rauer und mühseliger zugeht als bei der Heimsuchung, und wie mit den Regeln des hl. Franz v. Sales die Seele der Heimsuchungsschwester sich freier, losgeschälter und glücklicher fühlt. Sie erfreut sich mehr ihrer Sicherheit und ihres Glücks als in irgendeiner anderen Berufung. Das ist der spezielle Segen des Geistes des hl. Franz v. Sales: „Via plana ac tuta“ (Anm.: „Ein ebener und sicherer Weg.“). Was aber den Schatz der Töchter des hl. Kirchenlehrers ausmacht, ist auch der Reichtum seiner Söhne. Schwester Marie Genofeva sagte mir: „Herr Pater, ich sehe unseren hl. Stifter da oben vor Gott stehen und mehr schaffen denn je. Er ist viel größer als zu seinen Lebzeiten. Er hat enorm viel zu tun, weil er Gott alles vorträgt, was nach ihm geschehen muss. Ich vernehme Stimmen“, fügte sie hinzu, „die singen, er werde zu einem der größten Gelehrten des Himmels proklamiert werden. Was er geleistet hat, bedeutet nichts, verglichen mit dem, was ihm noch zu tun bleibt…“ Das ist eine Prophezeiung, und wie sollte ich sie nicht glauben, wenn sie mir jeden Augenblick andere mitteilte, an die ich auf jeden Fall glauben musste? „Das ist ein Priester!“ sagte sie mir eines Tages, als ich sie bat, für einen Sünder zu beten, und er hat nur noch zwei Jahre zu leben. Das eine wie das andere entsprach der Wahrheit. Ich musste deshalb wohl oder übel auch glauben, was sie mir über den hl. Franz v. Sales prophezeite. Von ihr bekam ich häufig wahrhaft wunderbare Offenbarungen zu hören, wunderbar an Einfachheit und Größe, und so abgesichert durch offenkundige und materielle Tatsachen, dass mit ein Zweifel nicht möglich war. Sie hat mir über die Oblaten und das Werk, das sie zu vollbringen haben, nie etwas gesagt, ohne sofort eine Voraussage hinzuzufügen, die auf der Stelle, und auf eine offenkundige Voraussage eintrat. So war ich also gezwungen, all ihre Worte zu glauben und sie in allen Punkten zu glauben.

Jawohl, die Oblaten sind berufen, große Dinge in der Kirche Gottes zu vollbringen. Der Hl. Vater hat es mir positiv bestätigt: „Jene, die mit Ihnen arbeiten, tun persönlich den Willen Gottes über sie.“ Lasst euch also bewusst auf diesen Weg ein. Ihr habt die Berufung als Oblaten, es ist gewiss eine Berufung voller Opfer und Mühen, aber auch eine voller Vertrauen und Sicherheit in Gott. Wir haben die Versicherung, dass jeder ganz persönlich den Willen Gottes über ihn tut. So seid ihr sicher, auf dem Weg zu sein, auf dem Gott euch will. Ich habe hundertmal gute Priester und gute alte Ordensleute sagen hören: „Wenn ich nur wüsste, ob ich auf dem richtigen Weg bin, ob ich mich nicht getäuscht habe, ob ich den Willen Gottes tue… Bin ich der Liebe oder des Hasses Gottes würdig…?“ Was hat der Papst aber zu uns Oblaten gesagt? Dass wir ganz persönlich das tun, was Gott von uns will. Meine Freunde, wir wollen darum unseren Beruf von Herzen lieben, und um ihn noch mehr zu lieben, bedienen wir uns unseres kleinen Merkzettels, des „mementos“. Man hat ja immer das gern, was einem Mühe, Leid und Verzicht beschert.

Wer hat sein Vaterhaus und Vaterland lieber? Der reiche Sohn eines Ministers, dem nichts abgeht und der mit allem und der mit allem überhäuft ist? Nein, sondern der kleine Hirte der Alpen, der kleine Armselige der Vogesen, Savoyens oder der Schweiz, oder Bayerns. Wenn er nach langer Abwesenheit seine Strohhütte wiedersieht, den Klang der Kirchenglocke wiederhört, die dürren Felder, wo sein Vater sich abgeplagt hat, erblickt, dann er empfindet er unvergleichliche Freude und Glück. Warum? Weil er gelitten hat, weil er Schweißtropfen vergossen und müde geworden ist. Eure Kongregation ist euer kleiner Acker: Bearbeitet ihn gut, schwitzt und keucht… Dann werdet ihr erfahren, wie sehr ihr ihn liebt.

Kommt, dann werdet auch ihr beim Herrn weilen. Ihr wisst, was er zu den Aposteln sagte, die ihn fragten, wo er wohne. „Kommt und seht…! Kommt zu mir und ich will euch zu Menschenfischern machen!“ Begreift das Leben, das ich geführt habe, und führt das gleiche! Dafür habe ich euch auserwählt. Ja, seht nur, ob ihr nicht dasselbe Leben führt wie unser Herr! Eure Kleidung, Nahrung, Arbeit, gleichen sie nicht denen des Erlösers? „Kommt und seht“, sagt er auch zu uns, schaut meine und eure Lebensweise an! Die eure soll ganz der meinen gleichen!

Denken wir oft an diese Dinge, fühlen wir sie, verspüren wir das Bedürfnis, dem Erlöser gleich zu werden, ihm die Seelen, die Kinder, die jungen Leute zuzuführen, die er dazu beruft, sein eigenes Leben zu teilen. Kommt und seht! Graben wir diese Gesinnung tief in unser Herz ein. Und dann, o Gott, werden wir dir gefallen. Du wirst einen Blick der Liebe auf das werfen, was wir tun, und dieser Blick wird unser Glück hienieden und unser ewiges Glück drüben sein. Amen.