Exerzitienvorträge 1888

      

7. Vortrag: Die Arbeit.

Meine Freunde, setzen wir entschlossen die Übungen der hl. Exerzitien fort. Denken wir daran, dass die Einkehrtage durch sich selbst wirken. Man kann die hl. Tage unter die Sakramentalien rechnen, die reiche Gnade erwirken aufgrund der Treue und Beständigkeit, die wir ihnen entgegenbringen. Seid also pünktlich beim der Glocke und bewahren wir unverbrüchlich das Schweigen. Verrichten wir jeden Punkt der Tagesordnung so gut wir können. Bereuen wir in der Betrachtung die Nachlässigkeiten, die uns unterlaufen sind. Der hl. Franz v. Sales und die Gute Mutter haben uns eine ganze Anzahl von Mitteln in die Hände gegeben, unsere Betrachtung gut zu machen. Wenn wir mit Gott sprechen, tun wir es! Können wir es nicht, so halten wir uns wenigstens in seiner Gegenwart, beten aus dem Grund der Seele seinen hl. Willen und seine Pläne über uns an oder aber bereiten wir unser Tagewerk vor. Das ist echte Betrachtung, da sie nichts anderes sein soll als dass wir einen Blick auf unsere Angelegenheiten mit Gott werfen, eine tiefinnere Unterhaltung mit ihm über unsere Belange führen. Was soll uns denn da Verdruss, Bitterkeit, Widerwillen bereiten, wenn wir so die Betrachtung sehen. Gott stellt sich ganz und bedingungslos zu unserer Verfügung. Wir machen mit ihm, was wir wollen. Er ist kein anspruchsvoller und strenger Gläubiger, der verlangt, dass man ihm in dieser oder jener Währung und zwar auf der Stelle bezahle. Zu ihm gehen wir wie zu einem Vater, zur besten der Mütter, die sich um ihr Kind sorgt, es in ihre Arme nimmt, sobald sie es müde sieht, damit es da schlummere. Das ist unser Geist: „Ihr seid meine kleinen Kinder, die ich geboren habe.“ Treten wir diesen Weg ein, der ein Weg der Starken und Mächtigen ist.

Haltet gut eure Betrachtung während der Einkehrtage, betrachtet treu alle Punkte der Tagesordnung, betet gut euer Offizium. Verschluckt es nicht, haltet die Pausen nach jedem Vers ein! Bei der Mittelpause (Mediante) sei die Pause etwas länger, damit die Beter Zeit haben, sich zu sammeln. Diese Mittelpause, sagt der hl. Stifter, sei so lange, dass man: „Jesus, Maria, Josef“ sagen könnte. Ihr könnt sie aber auch kürzer machen… Ich bitte euch, glaubt an die Wirksamkeit der Exerzitienübungen. Diese Tage dienen ja nicht nur dazu, gute Vorsätze zu fassen, sein Gewissen zu reinigen. Wir sollten vor allem die nötigen Kräfte sammeln bei den einzelnen Übungen, die ja die Übungen des ganzen Jahres sind.  Ich weiß nicht, ob ihr derselben Meinung seid wie ich: Aber ich glaube, dass Exerzitien mit großer Begeisterung und schönsten Vorsätzen vollbracht, häufig von schlimmen Katastrophen gefolgt sind. Das sage ich für unseren jungen Mitbrüder, um ihn ein klares Urteil zu ermöglichen. Selten sah ich Unternehmungen, schwungvoll begonnen, den gewünschten Erfolg zeitigen. Diese innere Glut trägt man nicht weit. Ein tiefer Fall folgt schon in Kürze… Der Teufel und die Natur sind zur Stelle. Spannen wir den Bogen zu heftig, bricht er entzwei. Gewiss besitzt der Teufel nicht Allwissenheit. Ich weiß nicht, welcher Heiliger gesagt, die selige Jungfrau habe geheiratet, um die göttliche Geburt unseres Herrn zu verbergen, damit der Teufel glaube, unser Herr sei ebenso geboren worden wie die anderen Menschen. Der Teufel wisse auch nur, was äußerlich sichtbar erscheint. Er kennt die Gedanken lediglich aus unseren äußeren Handlungen. Aus den Taten folgert er auf das innere Geschehen. Machen wir unsere Übungen mit großer Begeisterung, sieht er sofort, dass die Sehne überspannt ist. Er zieht daran, um sie zum Reißen zu bringen. Diese hohen Augenblicke sind von schweren Heimsuchungen gefolgt, diese Beobachtung könnt ihr selber machen. Die besten Exerzitien und die fruchtbarsten zugleich sind die, die ganz einfach Schritt für Schritt vor sich gehen von einer Übung zur anderen. Man beichtet, fasst gute Vorsätze, übergibt dem Herzen Jesu den Erfolg. Die Exerzitien legen das Fundament des Gebäudes, die Bruchsteine, schlecht behauene große Quadern, und nicht mehr.

Wahrt frohen Mut inmitten der Mühen und Ängste dieser Tage. Je härter sie sind, je unguter sie uns vorkommen, umso besser sind sie. Lange Jahre hindurch habe ich das beobachtet. Die heiligmäßigen Seelen machten ihre Exerzitien am schlechtesten. Versteht wohl, was ich damit sagen will: sie erhielten weniger Tröstungen von Gott. Die Übungen fielen ihnen schwer, sie meinten, nicht genug guten Willen aufzubringen, sie gingen in Exerzitien wie ans Kreuz… Das heißt es wohl beherzigen und so die anderen lehren. Mögen unsere Exerzitien im Geist der Seligpreisung gemacht werden: Selig die Armen, selig die Trauernden. Diesen Sinn gibt Franz v. Sales diesen Worten des Evangeliums, und das ist kein Widersinn, denn so werden gute Exerzitien gemacht. Beachten wir, dass der Erfolg der Exerzitien nicht von den Herzensgefühlen abhängt und nicht von Aufwänden unserer Einbildungskraft, die wir da zur Schau stellen, von irgendwas, was den Willen auf-stachelt und fortreißt. Nein, der Erfolg kommt von der Gnade, und diese entspricht unserer Bemühung. Wie erwirbt man denn die Früchte der Erde? Auch von jener mühsamen Arbeit, die die Erde aufreißt und umpflügt. Also nicht dadurch, dass man an einem schönen Frühlingstag durch die Felder spaziert, das Korn beim Reifen und die Bäume beim Blühen betrachtet oder im Herbst die gelbwerdende Ernte bewundert, die die Speicher mit einer überreichen Ernte füllen soll. Es ist einzig die mühsame Kleinarbeit, der Schweiß und die Anstrengung, die das bewirken.

Lasst mich heute Morgen ein kurzes Wort über die Arbeit sagen. Ich habe keine großen Gedankengänge darüber zu entwickeln. Ich will nicht in der Geschichte und in der Bibel schöne und vortreffliche Überlegungen suchen. Ich beschränke mich darauf, ein paar Gedanken aus dem Evangelium, aus Franz v. Sales und der Guten Mutter zu schöpfen.

Mein Vater arbeitet bis jetzt, und auch ich arbeite, sagt unser Herr. Er schafft das Licht, erschafft Weltkörper, knetet Ton, um den Menschen zu formen. Auch ich arbeite…Ich bin bei euch, spreche zu euch in Gleichnissen, unterweise euch, tue äußerlich nichts anderes, als das jüdische Volk zu evangelisieren. Und doch vereinige ich mich in diesem Augenblick jetzt mit der Arbeit meines Vaters durch materielle wie übernatürliche Arbeit. Ich schaffe in dieser Welt…

Für die Arbeit, die Gottvater in besonderer Weise zugeschrieben wird, bekunden wir einen speziellen Kult. Wir haben gelernt, dass das, was Gott tut, unsere Ehrfurcht und unseren Dank verdient. Wenn wir arbeiten, erweisen wir Lob und Ehre dem Schöpfergott, und lassen auch die Kreaturen in ihrer geheimnisvollen und unhörbaren Sprache dem Schöpfer huldigen. Wir betrachten die Geschöpfe als Eigentum Gottes, behandeln sie mit Hochachtung, als heilige und göttliche Dinge, gegenüber der Heiligkeit und Gnade Gottes des Vaters, die sich uns nicht nur durch die gewöhnlichen Mittel der Erlösung mitteilen, sondern ebenso durch das besondere Mittel der Arbeit und des Kontaktes mit den materiellen Dingen, die wir im Gebrauch haben. Bei uns ist die Arbeit etwas Erhabenes und Heiliges. Durch die Arbeit schaffen wir mit Gott und dem Wort Gottes Hand in Hand. Das Wort Gottes ist auch etwas Materielles. Mitarbeit mit der geheiligten Aktivität Gottes ist wie ein Sakrament. So ist die materielle Arbeit unsere Art und Weise, Gottvater zu ehren.
In Gott sind drei Personen, gleiche Personen, keine ist den anderen zwei unterlegen. Gott bewahre mich davor, das Werk der Erlösung herabzuwürdigen, ohne welches alle Menschen erbärmliche und ewig verworfene Wichte wären. In diesem Sinn übertrifft das Werk der Erlösung unendlich das der Schöpfung. Mag auch in Gott kein Unterschied bestehen, bei uns existiert ein gewaltiger Unterschied zwischen diesen beiden Aktionen. Gott gegenüber ist jedes Werk ausgezeichnet. Unser hl. Stifter und die Gute Mutter wünschen, dass alles, was von Gott kommt, mit größter Ehrfurcht, Dankbarkeit und Liebe empfangen werde. Wenn wir uns von dieser Lehre durchdringen lassen, wird unsere tägliche Arbeit, ob der Hand oder des Geistes, einen so erhabenen, kompletten Rang der Gottvereinigung erwerben, dass wir alle Dinge als heilig und geheiligt behandeln werden, die unsere ganze Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Verehrung erheischen. Ihrerseits verschaffen uns diese Dinge die Gnade, die Gnade Gottes des Vaters. Gebrauchen wir darum die materiellen Dinge, um Gottvater zu ehren „mit Danksagung“, bedienen wir uns ihrer als heilige Dinge. Brachten die ersten Christen nicht eine große Hochachtung den Eulogien (Anm.: Überbleibseln der geweihten Brote) entgegen, die der Subdiakon dem Volk austeilte, neben der hl. Kommunion, und die dem Volk eine Teilnahme an den materiellen Dingen der Kirche vermittelte? Der Glaube der Gläubigen bewirkte, dass diese materiellen Dinge sehr große Gnaden hervorbrachten. Das gleiche lässt sich sagen von der Verteilung der Kapitel (?), des Weihwassers. Die Kreaturen Gottes tragen die Gnade mit sich. In der Praxis lasst uns also eine große Ehrfurcht hegen gegenüber den materiellen Dingen, die der Gehorsam und die klösterliche Armut uns in die Hände legen. In der Art, wie wir sie gebrauchen, kommt ein Lob zum Erklingen, das zum Himmel aufsteigt und das Gott vernimmt, obwohl unsere materiellen Ohren es nicht hören. Möge das Schlagen unseres Herzens und das Gebet, das aus ihm hervordringt, sich vereinen mit dem Beten der Kreatur, das unseren Ohren verborgen bleibt! Dann opfern wir Gott nicht bloß das Opfer des Morgens und des Abends auf, sondern das immerwährende Opfer, das ungeteilte Ganzopfer unseres ganzen Lebens und all seiner Werke.

Mit welcher Ehrfurcht müsstet ihr darum die Arbeit entgegennehmen, mit welchem Mut die Mühe und Anstrengung und Müdigkeit ertragen! … Denn schließlich zielt diese Arbeit ja auf Gott. Ihr arbeitet gemeinsam mit ihm, ihr müht euch mit ihm und durch ihn, und ohne ihn tut ihr nichts. Er gibt das Licht, die Einsicht, die Bewegung. Er überträgt uns die Arbeit unserer Hände, es ist somit sein Werk. Diese Überlegung, beachtet das wohl, ist nicht bloß ein frommer Gedanke, sondern die Quintessenz unseres Direktoriums, unser hl. Regel, unserer Satzungen, ist das, was uns zu guten oder schlechten Ordensleuten macht. Warum sollten wir,  wenn wir schon materielle Handarbeit leisten, sie nicht mit der Fülle unseres Herzens vollbringen, d.h. warum sollten wir nicht den Herrn bitten, jene, die sich dieser Dinge bedienen, möchten Hilfe und Nutzen daraus ziehen. Diese Dinge möchten aufgrund unserer Gebete große Wirkung hervorbringen und Segen und Gnade auf jene herabziehen, denen unsere Werke zugutekommen. So etwas sah ich während der 30-35 Jahre meines Lebens in der Heimsuchung in der Nähe der Guten Mutter. Darum lege ich so großes Gewicht auf die Art und Weise, wie wir uns der materiellen Dinge bedienen, ob Nahrung, ob Kleidung… Damit haben wir in der Kommunität die Gabe Gottes und seine Gnade, die aufgrund des Verdienstes des Schaffenden dem materiellen Objekt anhaftet und sich denen mitteilt, die sie gebrauchen.

So also wollen wir unsere Arbeiten sehen, und ihr sollt mir nicht sagen, das seien ja ganz schöne Gedanken…Es ist mehr als das, es sind große Realitäten. In Bälde feiern wir das Fest der hl. Maura. Sie hatte für den Bischof von Troyes, S. Prudence, eine Albe oder ein Chorhemd gestickt, und letzterer sagte: „Maura, die Jungfrau, hat mir ein leinenes Chorhemd gemacht. Wenn ich den Altar hinaufsteige, in diesem Chorhemd, erkenne ich mich nicht mehr, sosehr fühle ich Gesinnungen der Frömmigkeit meine Seele erfüllen. Bis dahin  war meine Seele aus Bronze und Stein. Es war nicht leichter, sie zu rühren als man Diamant schneidet. Jetzt aber, sobald ich den Kelch mit dem Blut des Herrn aufopfere, fühle ich den Fels meines Herzens sich spalten wie der Felsen in der Wüste, und reichste Wassermassen entströmten ihm. Dann weine ich und benetze mit meinen Tränen die Albe der Maura. Ihre Hände und Gebete haben eine mächtige Gnade daran geheftet.“ Das sind ungefähr die Worte des S. Prudence. Ich finde diesen Gedanken rührend. Auch wenn wir mit unseren Händen arbeiten, verknüpfen wir mit allem was wir tun, eine Gnade… „Aber ich bin doch kein Heiliger…“ Da weiß ich. Der Priester, der die Sakramente spendet, ist auch keiner. Spricht er von Sünden los, reicht er die hl. Kommunion, empfangen wir dann nicht von seinen Händen Verzeihung und den Leib und das Blut unseres Herrn, ob es nun ein heiliger oder ein ganz gewöhnlicher Priester ist. In der Gnade, die wir an unsere Arbeit heften, findet sich etwas Ähnliches. Wir üben ein Amt aus, zu dem uns Gottes Ruf führt. Die Arbeit, der wir uns hingeben, muss die Wirkung hervorbringen, die Gott gewollt und bestimmt hat. Gottes Gnade ist somit mit uns, durch unser Schaffen heiligen wir uns selbst und auch die anderen.

Jetzt versteht ihr den wirklichen Sinn der Arbeit und wie man ein Heiliger wird vermittels des Schaffens. Im Weihrauch ist keine Arbeit, sagte der Prophet Jeremias. Während der Weihrauch des Gebetes brennt, der Weihrauch der Vereinigung mit Gott, wird die Handarbeit eure Seele nicht ermüden. Der Geist des Gebets mildert die Bitterkeit der materiellen Anstrengung und erfüllt die Seele mit himmlischem Duft. Lasst uns also diese Gnaden erneuern: die materiellen Dinge, deren wir uns bedienen, bringen uns Gnade. Habt Vertrauen in diese Dinge, sie bringen euch Kraft und Mut. Wenn ihr eure Kleider zur Hand nehmt, denkt daran, dass ihr damit Gott und seine Kraft anzieht. Eure Nahrung wird euch Kraft für den Leib und Seele vermitteln. All euer Tun wird einer großen Zahl von Menschen nützen, ihrem Leib wie ihrer Seele, und wird somit für eure eigene Seele zu einer Quelle von überfließenden Gnaden werden. Amen.