5. Vortrag: Reinheit der Seele, Beichte.
Die Exerzitien dienen uns nicht nur als Form des Lebens, das wir immer führen sollen. In ihnen finden sich vielmehr zwei Tätigkeiten vor: Die Erste ist die Reinheit der Seele, und von ihr möchte ich heute Morgen, von der Reinheit und Klarheit der Seele.
Damit wir ungeteilt Gott gehören, muss unsere Seele rein sein. Nichts Unreines, sagt die Schrift, darf vor seinen Augen erscheinen. Darum müssen wir unsere Seele von allen Sünden, die sie begangen hat, säubern und das bis auf den Seelengrund, damit wir nach den Einkehrtagen so sind, wie Gott uns wünscht, er, der uns in einer Wahl reiner Liebe auserwählt hat, damit wir in ihm bleiben. Wie geht dieser Reinigungsakt der Seele vor sich? Ohne Zweifel durch die Beichte, desgleichen durch jene innere Arbeit von Entschlüssen, Voraussichten und Vorbereitungen der Zukunft, die wir schon während der Exerzitientagen vornehmen sollen. Die Beichte ist, wie ihr wohl wisst, ein großes Mittel, ja nach der Taufe das einzige Mittel, um die schweren Sünden zu tilgen. Die Beichte dient, wie ihr ebenfalls wisst, dazu, zu einem unverkürzteren Eingeständnis unserer Schwachheiten, zu einem festeren Willen und einem umfassenderen und absoluteren Vorsatz der Lebensbesserung zu kommen. Es gibt eine Menschengruppe in der Kirche Gottes, die gut beichtet, und das sind die Priester. Im Allgemeinen beichten sie gut, sogar sehr gut. Gewiss sind sie gebildeter und bekommen reichlichere Gnaden. Immer bestand ein großer Unterschied zwischen der Beichte des Priesters und der des einfachen Gläubigen, weil bei ihm mehr Ehrlichkeit und Offenheit vorliegt. Diese Ehrlichkeit bewirkt, dass diese Seele auf die Gnade, auf den Empfang der Beichte vorbereitet ist. Meine Freunde, wenn das auf den Priester zutrifft, wie viel mehr muss das für den Ordensmann gelten.
Wenn ihr gut beichtet, erhaltet ihr nicht nur die Verzeihung eurer Sünden, sondern auch die Gnade, gute Beichtväter zu werden. Diese zwei Dinge laufen vollkommen parallel nebeneinander. Wenn ihr wirklich gut beichtet, verwaltet ihr auch wirklich gut das Sakrament der Beichte. Die Gnade ist die gleiche. Ihr zieht, wie der hl. Thomas sagt, für eure Seelsorge aus den Schätzen der Kirche so viel, wie ihr in sie deponiert habt, damit es Zinse bringe. Man kann nämlich nur aus der Summe und dem Kapital schöpfen, das man in Händen hat. Das verpflichtet uns also sehr, gut zu beichten, damit wir auch hinreichend Gnaden bekommen für jene, die sich an uns wenden. Aus sind wir nichts. Die Seelen jedoch, die er uns in seiner Liebe, in der Zuneigung seines Herzens, schickt, von ihnen sagt er uns: Ich vertraue sie euch an. Ich selbst übergebe sie euch. Ich bitte euch, habt im Namen eurer Liebe zu mir Mitleid mit diesen Seelen. Vergessen wir nicht: Alles, was wir tun, unser öffentliches Leben hat einen doppelten Effekt: Das Gebet, das ein Gläubiger spricht, nützt ihm sowie den Seelen. Das Gebet des Ordensmannes hingegen gilt ihm selbst, gilt den ihm anvertrauten Seelen, gilt aber auch der ganzen hl. Kirche. Beweist das nicht schon die Tatsache, dass die Orden das Offizium singen müssen. Das Offizium gilt aber nicht diesem oder jenem Territorium, sondern ganzen Kirche. „Herr Pater, das sind ja ganz schöne Überlegungen…“ Nein, das sind keine Überlegungen, sondern der wirkliche Sinn unserer Verpflichtungen bezüglich der Beichte. Wir sind verpflichtet, gut zu beichten, vollkommen zu beichten, um die Beichten der anderen in vollkommener Weise hören zu können, um ein Kanal überfließender Gnaden zu sein und auf unsere Lippen und in unsere Herzen all das herab- und hineinzuziehen, wessen die Seelen bedürfen. Dann nur werden die Seelen zu uns kommen.
Lasst uns also während dieser Einkehrtage gut beichten. „Ich werde Jerusalem mit Lampen heimsuchen.“ Er begnügt sich nicht, die gewöhnlichen Mittel anzuwenden, um Jerusalem zu besuchen, sondern will bis zu den entlegensten und geheimsten Winkeln vordringen. Überall will er das Licht hinbringen. Habt ihr nicht selbst so eine geheimnisvolle Ecke, in die niemand vordringt? Gestehen wir es, dass wir selbst es nicht wagen, dahin zu gehen, sondern lieber an der Oberfläche bleiben und große Pein empfinden, bis in den Grund der Seele zu schauen. Achten wir auf diesen kleinen Winkel, diesen so entlegenen Verschlag, wo wir fürchten hinzublicken, untersuchen wir ihn mit dem Licht des Gewissens, des Glaubens, und bringen wir Ordnung hinein, damit unsere Seele nach diesen Exerzitien ganz rein und strahlend sei. Seht nur, wie unser Herr die Pharisäer behandelt: „Heuchler, ihr säubert den Rand des Bechers eures Herzens und lasst im Grunde eine Menge Diebesgut zurück. Ihr übertüncht die Gräber und seid selbst übertünchte Gräber. Kommt man euch nah, hält man euch für rein, und doch herrscht da eine Verderbnis, die niemand riechen und ertragen kann.“ Darum, liebe Freunde, seid komplett in euren Beichten, und spart nicht den geringsten Platz aus, wohin ihr nicht das Licht tragt, die Leuchte des Glaubens und des Gewissens. Fürchtet euch nicht, alles zu sagen, fürchtet nicht das Licht und den vollen Tag.
Das Hauptmittel also, unser Gewissen in Sicherheit zu halten, ist die Beichte. Es gibt noch andere, die ich euch nennen will. Doch bestehe ich gerade auf diesem, weil es für uns notwendig ist, ein ruhiges Gewissen zu haben. Ihr stellt unschwer fest, dass alles, was ich sage, um das Übernatürliche kreist. Unsere Pflichten, die Art und Weise, ihnen zu genügen, all das gehört der übernatürlichen Sphäre an. Unser ganzes Leben ist darin inbegriffen. Was von uns gefordert ist, das Direktorium, all das zielt auf die innige Vereinigung mit Gott, der Rest zählt nicht. Wenn aber alles Übrige nicht zählt, dann muss das andere für uns alles sein. Ist unser Gewissen nicht rein, so leben und atmen wir nicht, sondern wir sterben. Ist unsere Seele nicht rein, wie soll sie Gott widerstrahlen? Wie kann sie leben, ohne eins mit ihm zu sein? Sie trägt ja die Sünde in sich, wie kann sie sich da beständig Gott nähern? Das ist unmöglich. Unser Gewissen muss also immer rein sein, ganz rein.
Es gibt noch andere Mittel, die wir sicher gebrauchen können. So die Kulp, das Weihwasser, die Abtötungen, die (ohne unser Zutun) über uns kommen. Sammelt treulich all diese Möglichkeiten. Wir sind Sünder, haben Gott beleidigt, haben eine enorme Summe zu begleichen. Wird sie bezahlt? Versprecht ihr, sie zu bezahlen und große Abschlagszahlungen vorzunehmen? Wo sind denn eure Kapitalien? Seien wir doch klug und benutzen wir alles, was Gott uns in die Hände legt, um unsere Sünden zu sühnen. Das sei und bleibe unsere große Sorge. Ihr könnt Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute die Schuld begleichen, die ihr Gott schuldet. Was ihr tut, wird immer wenig sein. Aber ganz allmählich wird es doch eure Schuld beseitigen.
Reinigt also eure Seele mit den Mitteln, die ich euch da an die Hand gebe. Übt vor allem das Direktorium, nehmt all das mit dem Herzen an, was an Mühseligem euren Weg kreuzen kann. „O Gott, Herr Pater, wie ist das alles lästig und mühsam.“ Ja, das stimmt, aber wenn ihr alles Mühselige ablehnt, wo führt das hin? Zu schrecklichen Fällen, die bis zur Sohle des Abgrunds reichen. Wer die kleinen Dinge verachtet, sagt der Weise, muss sich auf einen großen Fall gefasst machen. Ihr unterwerft euch. Die Priesterseele, die Ordensseele wird aber für ihr Leid reichlich entschädigt durch die Gnade Gottes, ihre Hilfen und Tröstungen. Und letzten Endes ist das ihr Beruf. Dazu seid ihr hierhergekommen. Ich predige euch damit keine Sonderandacht, keine Spezialmethode, sondern lediglich eure Pflichten, für die ihr einmal Rechenschaft ablegen müsst, Schulden, die ihr bezahlen müsst. Hier habt ihr das Mittel, sie abzuzahlen.
Halten wir unsere Seele jedenfalls in großer Reinheit. Erwecken wir häufige Akte der Reue über unsere Sünden. Verharren wir auch nicht im Zustand der lässlichen Sünde, mag der Fehler noch so klein sein. So hielten es die Heiligen. Das tat Vinzenz v. Paul: „Wenn ich einen Schritt ohne Dich, Herr, mache, ist es mir, als ob die Beine mir den Dienst versagten…“
Und er hatte viele, sehr viele Schritte getan, der gute Heilige, in der „Straße der Mission“ (Paris). Wie oft kam er zurzeit der Hungersnot in die Champagne. Auch die Gute Mutter verhielt sich so. Nie überraschte man sie bei der geringsten Bewegung des Willens Gottes. Der hl. Alfons gestand, eine Minute außerhalb der intimen Vereinigung mit Gott bedeutet ihm eine Minute Hölle. Was alle Heiligen dachten und taten infolge ihrer inneren Verfassung, immer in Gott zu sein, das sollen wir denken und tun aufgrund unserer Standespflichten, auf die wir uns eingeschworen haben. Bitten wir bei jedem Fehler Gott um Verzeihung, in Demut und gutem Willen. Und Gott wird uns verzeihen. Gewiss riecht das ein bisschen nach kindischer Art. Aber hat unser Herr nicht gesagt, wir sollten Kindern gleichen? Unser Herr liebt die Kindlichkeit. Er liebt sie auch in uns, indem er uns stark und widerstandsfähig macht. Ansonsten fallen wir totsicher zur Erde. Die Sage erzählt, dass Antäus unbesieglich war, solange er die Erde berührte. Da schöpfte er immer neue Kraft. Jedes Mal, wenn wir unseren Herrn durch die Liebe, Demut, Erniedrigung, Kindlichkeit berühren, schöpfen wir eine neue Kraft, eine umso stärkere Energie, als unsere Furcht, ihn zu verlieren, groß ist.
Unser Gewissen sei rein und frei von Sünde: das ist die Wesensbedingung für unser priesterliches und klösterliches Leben. Ohne das vermögen wir nichts. Wir müssen so mit Gott vereint sein, dass wir nicht mehr zwei, sondern eins sind mit Ihm. Hört, was der hl. Johannes sagt: Wer erkennt, dass er schuldig ist, bleibt in Gott und Gott ist in ihm und tut sein Werk… Halten wir uns daran. Wahren wir eine große Reinheit des Gewissens, und fügen wir zu dieser Reinheit innere Ehrlichkeit und Geradheit. Wer hatte eine größere innere Ehrlichkeit als die Gute Mutter? Sie war eine große Heilige. Sie ging immer schnurstracks auf den Willen Gottes zu, niemals anderswohin. Welche innere Absicht beseelt uns? Etwa einige Befriedigung und unabgetötete Hinwendung zu suchen auf Seiten unserer Schüler, von Seiten unserer Vorgesetzten, indem wir z.B. etwas erreichen wollen, außerhalb der Observanz oder unter Umgehung unserer direkten Oberen, was weiß ich? Der hl. Bernhard sagt, die Absicht bei vielen Ordensleuten gleicht kleinen Schlangen, die zwar nicht giftig sind, die aber unmerklich ein- und ausschleichen und sich bewegen und angenehme Gesellschafter sind. Man kann unter ihnen leben, sie beißen nicht. Aber lasst sie erst groß werden. Dann wagt euch mitten unter sie… Ebenso legen die Absichten der Ordensseele, denen man keine sonderliche Beachtung geschenkt ha, zu guter Letzt alles in Beschlag, was es an Gutem in der Seele gibt. Ihr kennt den Mann der Sage, der von Schlangen umgeben war und von dem wir ein Meisterwerk der Skulptur besitzen. Die Schlangen umwinden ihn und seine zwei Söhne und ersticken sie durch ihre Umschnürung. Seien wir auf der Hut, dass nicht ähnliche Kämpfe uns bevorstehen.
Legt großes Gewicht darauf, euren Absichten immer die rechte Richtung zu geben. Die gerade Linie ist auch die kürzeste. Das legt auch Gott uns ans Herz, tun wir es ohne Verzug. Hier ist Gott, wie sind dort: Welches ist die gerade Linie? Die gerade, die rechte Absicht. Wählen wir sie bei all unseren Handlungen. Tut ihr das nicht, dann gähnt euch rechts ein Abgrund, zur Linken deren zehn, wie der Psalmist sagt: „Zur Linken fallen tausend, zur Rechten zehntausend.“ Der Weg, auf dem ihr hättet dahin schreiten sollen, wurde zur Straße, die auch das Vorwärtskommen vereitelt. Habt darum große Absicht, die die Ehrbarkeit eurer Seele ausmacht, den Glanz des Charakters, sicherlich das schönste sittliche Licht dieser Welt. In all euren Unternehmungen erbittet von Gott mit dem Propheten Jesaja, dass er eure Absichten reinige. Gott ist ja die Wahrheit und Schönheit in Person. Wahrheit und Schönheit aber bergen sich in der Absicht. Das ist das vollendete Ideal des Ordenslebens. Bittet die Gute Mutter um diese hervorragende Tugend, denn es ist eine solche. Es ist die Königin der moralischen Tugenden… Um sie bat man bereits in den ersten Zeitaltern der Welt, und Gott belohnte wunderbar dieses Gebet. Seht den jungen König, den die Schrift rühmt, worum er betete: „Herr, gib mir nicht Reichtümer der Erde und die Menge der Herden, sondern gib mir ein gerades Herz.“ Und Gott dehnte dieses Herz weit wie das Meer. „Weil du nicht die Dinge der Erde erbatest, gebe ich sie dir im Überfluss zusammen mit denen des Himmels.“ Bitten wir deshalb um diese beiden Dinge: Ein reines Herz erschaffe in mir, Gott, den rechten Geist wecke auf in meinem Inneren! Ein reines Herz und die gerade Absicht, das sind die zwei Flügel unserer Seele, die beiden Ruder, die unsere Barke auf diesem Meer führen, immer richtig lenken und zum Hafen geleiten werden. Es ist die Gabe unseres hl. Stifters und der Guten Mutter, es muss genau die unsere sein. Das ist unser Vermögen, unser Erbe, vergessen wir es nicht. Möge der Erlöser Jesus unsere Gebete erhören. Ich mache mich bei ihm zu eurem Fürsprecher und bitte ihn, diesen zweifachen Geist in euren Seelen auszubreiten: Herr Jesus, gib uns allezeit einen starken und beständigen Willen. Möge dieser Wille unsere Absichten für immer gerade machen.