8. Vortrag: Der Geist der Oblaten.
Exerzitien sind ermüdend. Die gewohnten Beschäftigungen und Besorgnisse gehen ab, das ganz innerliche Leben ist kein Honiglecken.
Die äußeren, mit solchen Tagen verbundenen Schwierigkeiten lassen ebenfalls, keine seelische Entspannung zu. Schickt Gott uns einige Tröstungen, dann geht es noch. Fehlt aber auch das, ist die Ermüdung unausbleiblich. Körperlich fühlt man sich nicht so recht wohl. Noch einmal: würde Gott uns ermuntern und stärken, ließe sich die Prüfung ertragen und wir erreichten siegreicht das Ende den Willen Gottes tun und bedenken, dass unser Leid und entschlossener Mut uns Verdienste ohne Zahl einbringen, deren Belohnung Gott für uns bereit hält. Reißen wir uns also zusammen gerade in den letzten Tagen, wo unsere Kräfte erlahmen wollen. Gehen wir an gegen die Zerstreuung, deren Zweck es ja ist, uns um die Frucht der Exerzitien zu bringen.
Ich sprach zu euch über die Verpflichtungen des Gehorsamsgelübdes wie auch der anderen Gelübde. Es bleibt mir noch, den Geist zu charakterisieren, der uns beseelen soll.
Jeder Orden hat seinen spezifischen Geist. Welcher ist nun der unsere, wie sieht unser geistlicher Schatz aus, welcher Odem soll uns beflügeln? Hört gut zu. Was ich euch jetzt sage, hat größte Bedeutung. Um Oblate zu sein, genügt nicht das bisher Gesagte. All dem muss nämlich ein gewisser Geist innewohnen. Ohne diesen speziellen Geist gelangt ihr nicht zum Ziel des Oblatentums und würdet die Sondergnade der Oblatenberufung verfehlen.
Wie ist also dieser Geist beschaffen? Es ist das Vertrauen, die Hingabe, die Treue.
Der Geist des Vertrauens und der Hingabe: Wir müssen begreifen und fühlen, dass wir einen Erlöser haben. Hätten wir den nicht, so müssten wir wirklich den Mut verlieren. Haben wir aber getan, was in unseren Kräften steht, und was Gott verlangt noch etwas dazu, dann ersetzt der Heiland, was uns an Kraft abgeht und vervollständigt das Werk. Diese Lehre geht tief und ist ganz theologisch. Die kleinste Anstrengung findet immer ihre volle Erfüllung, weil Jesus seine Aktion mit der unsrigen verbindet. Das dürfen wir nie aus den Augen verlieren: ich handle vielleicht schlecht, aber ich tue, was ich kann. Und dann bin ich sicher, dass du, mein Herr, fortfährst, wo ich aufgehört habe.
Das erhält uns in großer Demut, weil wir wissen, dass es unseren Werken weit an Vollkommenheit fehlt. Jetzt bleibt unsre Eigenliebe stehen: mein Gott, vollende du jetzt das Bauwerk. Bau du weiter auf dem gelegten Fundament. Ich vereinige mich in allem mit dir.
Dieses Vertrauen verführt uns nicht Trägheit und Nachlässigkeit, ist ganz im Gegenteil ein Ansporn zum tatkräftigen Handeln und treibt uns voran auf dem Weg der Vollkommenheit.
Ich fordere euch heraus, mir eine Wahrheit zu nennen, die tiefer praktischer und theologischer wäre als diese: Vertrauen auf Gott ist der Schlüssel zur Frömmigkeit, das Geheimnis der Gottvereinigung. Welch schöne Beispiele dieses Geistes habe ich erlebt! Wie oft war ich entzückt über die Wirkungen, die er hervorbrachte! Es ist unmöglich, dass Gott eine vertrauende Seele verlässt. Hier liegt das Geheimnis, die Welt zu bekehren. Diese lässt sich nämlich nicht bekehren, indem man die Einbildungskraft der Menschen aufputscht oder schöne Worte an sie richtet. Letztere machen viel Lärm wie eine Militärmusik. Damit kann man wohl im Gleichschritt marschieren, indem man die Marseillaise brüllt und so die Preußen besiegt.
An mir liegt es nicht, Mittel und Manieren anderer zu tadeln. Ich behaupte bloß, dass Vertrauen und Hingabe an den Erlöser eins der großen Mittel ist, um voranzukommen. Da folgt die Seele den Fußstapfen des Heilands. Da fühlt sie, dass sie nicht allein da steht, dass Gott sie sich nicht selbst überlässt und sie nicht im Finsteren tappt. Vertrauen und Hingabe sind somit unsere erste Pflicht Gott gegenüber. Die zweite aber ist die Treue.
Am Ende eines Gastmahls hörte ich eines Tages einen guten Landpfarrer ausrufen: „Gewiss sind wir nicht übel dran, wir Priester. Doch was uns zugrunde richtet, ist die Pflicht, allzeit im Stand der Gnade zu verharren. Ohne das wären wir fein heraus…“ Um ein guter Oblate zu sein, beschränken wie uns nicht auf den Stand der heiligmachenden Gnade. Wir sollen vielmehr jeden Augenblick mit der Gnade treu mitwirken. Soll das heißen, dass ein Oblate keine Sünde begeht? Oder dass er den Mut verlieren soll, wenn er einmal im Vorbeigehen vor einer Versuchung kapituliert hat? Nein, ist doch jeder Mensch der Schwäche unterworfen. Aber erinnern müssen wir uns dann, dass wir verpflichtet sind zu beichten, wenigstens umgehend einen Akt der Reue zu erwecken, im Herzen den glühenden Wunsch zu unterhalten, den kleinsten Fehler, die geringsten Verstöße zu vermeiden, die die Harmonie zwischen eurem Herzen und der göttlichen Gnade trüben würden.
Gesetzt den Fall, ein Gehorsam kostet euch Überwindung. Gewiss begeht ihr dann keine schwere Sünde, wenn ihr euch ein bisschen bei diesem Widerwillen aufhaltet. Seid ihr aber nicht fest entschlossen, gegen diese natürlichen Empfindungen anzugehen und mutig und willig den Gehorsam auszuführen, dann ist euer Gewissen nicht ganz in Ordnung. Solange ihr in dieser Haltung verharrt, gebricht es euch an der nötigen Treue Gott gegenüber und ihr erfüllt nicht alle Obliegenheiten, die unser Ordensgeist erfordert.
Die Gute Mutter ging oft zur Beichte. Sobald ihr das Herz den geringsten Anschein von Untreue vorwarf, bekannte sie es so schnell wie möglich im Bußsakrament und bat Gott auf der Stelle um Verzeihung. Sie hatte die schönen Worte ihres Onkels Fleury aus dem Katechismus wohl behalten: „Gott ist getreu, er kann weder sich selbst noch uns täuschen.“ Halten wir also unser Gewissen immer rein und wahren wir Gott die Treue!
Ich kann euch nicht garantieren, dass ihr keine Sünde begehen werdet. Aber bereut sofort jeden Verstoß und sagt zum lieben Gott: „Tu mit mir, was Du willst!“
Welche Einstellung sollen wir nun zu unseren Vorgesetzten haben? Den Geist der Hochachtung und des Gehorsams.
Diese Ehrfurcht bildet einen festen Bestandteil unserer Berufung, sodass wir uns ohne Unterlass darin üben sollten, in unseren Vorgesetzten die Gesandten Gottes zu sehen. Nicht die Vollkommenheit Gottes dürfen wir in ihnen suchen, sondern lediglich den Willen Gottes. Auf diese Weise bleibt uns die Ehrfurcht ihm gegenüber erhalten. Und diese Gewohnheit können wir nicht früh genug erwerben. Unsere jungen Leute, die Novizen, sollten sich intensiv darum bemühen und die Hochachtung großmütig alle Tage ihres Ordenslebens praktizieren. Dann wird die Blüte bald zur Frucht reifen. Die Person des Oberen ist nichts, wir sollten in ihnen aber die Vertreter Gottes, die Autorität Gottes, den Ausdruck der göttlichen Absichten über uns erblicken und sie mit tiefer und ehrlicher Achtung umgeben. Das ist menschlich gesprochen nicht möglich, und die Oberen verdienen niemals, welches auch immer ihre guten Eigenschaften sein mögen, eine Hochachtung des Ausmaßes, wie ich sie hier skizziere. Der Erlöser allein ist ihrer würdig, und letzten Endes wird sie auch nur ihm erwiesen. Es kann sein, dass wir zu gewissen Zeiten Obere haben, die in nichts dem göttlichen Heiland gleichen. Und dennoch sollen wir sie mit diesem ganz göttlichen Respekt umgeben.
Graf Anatol von Segur erzählte mir, er habe einige Zeit nach dem Tod seiner Schwester Sabine vom Erzbischof von Paris die Erlaubnis erhalten, ihre Zelle in der Heimsuchung zu besuchen. „Etwas hat mich“, fügte er hinzu, „unter anderem bei diesem interessanten Besuch besonders frappiert, und das hat mich aufs Höchste für mein ganzes Leben erbaut: das war die tiefe Ehrfurcht, die die Heimsuchungsschwestern ihrer Oberin bezeugten. Das allein blieb mir von meinem Besuch haften und die Erinnerung daran macht auf mich einen tiefen Eindruck.“ Tatsächlich ist die Oberin in der Heimsuchung, obwohl jedes dritte Jahr ausgewechselt, Gegenstand größter Hochachtung. Die Klöster, wo das auf den Buchstaben genau beobachtet wird, sind ein wahres Paradies. Würde das aber irgendwo vernachlässigt, was ich nicht glaube, so würde das Joch dort unerträglich schwer. Der Weg, den sie wandeln, müsste ihnen glühend, von heißen Kohlen bedeckt, vorkommen.
Wenn Pater Rollin euch also sagt: tut dies oder das, und ihr nähmet davon wenig Notiz oder führtet es nur schlampig aus, so verstießet ihr gegen den wesentlichen Charakter der Oblaten. Ein tiefer Respekt muss euch vielmehr sogleich und in vollkommener Weise das ausführen lassen, was euer Vorgesetzter oder Novizenmeister euch aufträgt. Erzieht euch zu der Überzeugung: Gott ist es, der zu mir durch den Mund meines Oberen redet. Trüge er mir auf, glühende Kohlen zu verschlucken, täte ich das mit der Gnade Gottes. Würde man sich hingegen eine respektlose Bemerkung erlauben und diese anderen gegenüber ausdrücken, so verlöret ihr in einem Augenblick, was ihr in sechs Monaten gesammelt habt, an Urteil und klösterlichen Tugenden.
Die Ehrfurcht harmoniert trefflich mit dem Gehorsam, das sehen wir deutlich. Unterwerft euren Willen also einfach, herzlich und großmütig. Begreift den Sinn eures religiösen Gehorsams. Ihr unterwerft euren Willen einzig dem Herrn und euch. Seht ihr dagegen auf eurem Ordensweg nur den Menschen, so geht der Gehorsam, wie wir ihn wollen, verloren. Der Herr zieht sich zurück. Was geschieht aber im anderen Fall? Dann werden wir des Herrn beste Freunde und schaffen große Dinge… Denn schließlich kann ich vor Gott und vor euch behaupten: Was sind wir denn schon? Nichts. Welcher Mensch kann in der augenblicklichen Stunde sagen, er sei etwas? … Was können wir mit diesem Nichts von eigenem Willen schon erreichen? Gott muss doch jeden Augenblick eingreifen. Seht nur, was in unseren Missionen vorgeht, und betrachtet die Werke, die das Wort unserer Patres bei den armen Wilden wirkt. Darum bittet mich Pater Simon in jedem seiner Briefe: „Schicken Sie mir doch gute Ordensleute!“ Unsere Missionare reden die armen Eingeborenen an, zeigen Interesse für sie, erziehen ihre Kinder. Damit sind sie auf der Stelle gewonnen und bekehrt und beseelen ihren Alltag mit den Gedanken des Glaubens. Ordensmänner und Ordensfrauen üben einen ungeheuren Einfluss auf die aus, die in ihren Bannkreis geraten. Und das Geheimnis ihrer Macht? Dass sie Heilige, gute Ordensleute, vollkommen Gehorsame sind.
Da habt ihr unseren Geist, unser Leben, unsere Kraft. Alles kommt da unmittelbar von Gott, er gibt allem Leben. Der kleinste Akt in diesem Geist der Abhängigkeit, der Treue und Gottvereinigung vollbracht, zeitigt gewaltige Wirkungen.
Erhalten wir uns darum diesen respektvollen Gehorsam. Darin liegen unsere Kraft und unser Leben. Seien wir gehorsame Novizen und Ordensleute voller Hochachtung. So bieten wir ein außergewöhnliches Schauspiel, das man nirgendwo anders mehr sieht. Das bringt den Eindruck von etwas Heroischem und Wundervollem hervor. Und es bringt uns Gnade ein! Üben wir eine Treue von erlesener Delikatesse, damit wir einen Lorbeerkranz davontragen, von dem der hl. Paulus spricht. Die Athleten, sagt er, bereiten sich lange vor, um eines vergänglichen Kranzes willen. Unsere Kämpfe lassen sich mit denen des Zirkus und des Stadions nicht vergleichen. Sie sind voller Friede und ganz innerlich. Aber sie existieren deswegen nicht weniger.
Gehen wir unseren Pflichten nicht aus dem Weg, schauen wir ihnen ins Antlitz und erfüllen wir so den Willen Gottes über uns.
Welcher Geist soll uns nun leiten im Umgang mit dem Nächsten? Der einer großen Diskretion und Liebe.
Eine große Diskretion (Takt, Zurückhaltung, Verschwiegenheit):
In unserem Umgang mit den Mitmenschen darf nichts die Autorität kompromittieren, die uns übertragen wurde, noch auch die Liebe. Nichts darf je die Hochschätzung schädigen, die man der Kommunität schuldet, noch auch die, die uns selbst zukommt. Unsere Beziehungen zum Mitmenschen sollen von einer Weisheit und Klugheit getragen werden, dass wir niemals Schweinen die Perlen unseres Herrn vorwerfen. Wir müssen genau überlegen, mit wem wir sprechen und verhandeln. Wir plaudern nie das aus, was nicht alle wissen dürfen. Wir wissen vielmehr unser Geheimnis zu bewahren, das Familien- und Noviziatsgeheimnis, sodass niemand Missbrauch treiben und übel über einen Mitbruder urteilen kann.
Verweigern wir auch unseren Oberen nicht die nötige Achtung, und erweisen wir den uns Gleichgestellten eine einfache Herzlichkeit. Unsere Untergebenen behandeln wir zu ihrer Erbauung, da wir sie nur so zu Gott führen.
Wir plaudern nicht einem Mitbruder gegenüber das aus, was uns zu unserer persönlichen Leitung geraten wurde oder was die Leitung des Hauses betrifft und ihn nichts angeht. Man bewahrt für sich, was für die Öffentlichkeit nicht bestimmt ist. Hüten wir uns davor, jenen Geschichtchen und Schwätzereien, die von einem zum anderen, von Haus zu Haus eilen, und die gewisse Leute zu Skandalblättchen machen. Das richtet viel Böses an und zerstört die Liebe in einem Haus und in einer Gemeinschaft.
Auch über Politik möge man nicht reden. Wir mischen uns nicht indiskret in Familien- und Geschäftsangelegenheiten, in Schwierigkeiten, die einen ernsteren Charakter annehmen könnten, ohne Weisung des Oberen. Lassen wir uns auch nicht in Abmachungen (Verträge) und Geschäfte hineinziehen, die uns nichts angehen. Wandeln wir lieber die Wege der Klugheit und der Weisheit, die nicht die Liebe, die Gerechtigkeit, die Obrigkeit und ihre berechtigten Einflüsse bloßstellen.
„Gib mir Herr, die Weisheit zur Assistentin.“ Seien wir auch gegenüber unsren Schülern diskret. Ein Präfekt z.B. soll nicht einem Lehrer, den das nicht berührt, die Fehler dieses oder jenes Schülers weitererzählen, wie es ihm gerade einfällt. Teilt nur mit, was ermutigt und erbaut. Das Übrige behaltet ihr für euch und lasst es nur jene wissen, denen ihr vertrauliche Mitteilungen schuldet. Dank solch kluger Zurückhaltung werden Glück und Harmonie in eurer Gemeinschaft herrschen, während indiskrete Vertraulichkeit üble Folgen haben und zum Untergang der Liebe und zum Verlust des Berufes führen kann.
Nach der Diskretion die Liebe. Wir wollen vom Grundsatz unseres hl. Stifters ausgehen, dass es im Mitmenschen immer etwas Göttliches und damit Liebenswertes zu entdecken gibt. Seht ihr den Nächsten mit scheelen Augen an, so beweist ihr nur, dass euer Blick fasziniert auf eurer eigenen Vortrefflichkeit ruht, die euch daran hindert, die Wirklichkeit, d.h. Gott im Mitmenschen zu erblicken. Es besteht doch kein Zweifel, dass doch jeder Mensch etwas Gutes an sich hat… er hat immerhin seine erste hl. Kommunion empfangen…So ist er mindestens unser Mitbruder. Handelt es sich um einen Ordensmann, so übt er wenigstens den einen oder den anderen Punkt der hl. Regel, nimmt einige Verzichte auf sich… Das nun sollen wir lieben, denn das liebt auch Gott in ihm. Dieser Strahl fiel nun aus dem Herzen Gottes auf seine Seele und kann auch die unsere treffen. Da habt ihr die wahre Triebfeder unserer Nächstenliebe und die Güte, die das Fundament unserer Beziehungen zu allen unseren Mitmenschen bilden soll, vorzugsweise zu unseren Mitbrüdern, die wir ohne jegliche Trübung lieben sollen. Und das macht es uns leicht, Liebe und Entgegenkommen zu erweisen, jeden Dienst zu leisten und so jeden Tag zwar keine Ährengabe zu leisen, dafür aber einen Haufen kostbarer Perlen, kostbarer als die, die die Königin Saba besaß. Gehen wir also stets von dem Prinzip aus: im Mitmenschen das sehen, was von Gott stammt. Lieben wir einander mit jener unwandelbaren Liebe, die wir in Gott schöpfen und die ihrerseits uns mit Gott verbindet.
Ich wünsche sehr, dass die wenigen Worte, die ich an euch heute Abend richte, den Mut eurer Seelen aufrichte und euch begreiflich mache, dass man durch kleine Dinge größerer Gnaden gewürdigt wird. Liest man im Evangelium – und während der Exerzitien muss man es lesen, besonders das nach Johannes – womit wird da die Kirche verglichen? Mit einem Senfkorn, das das kleinste aller Samenkörner ist, das aber zu einem großen Baum sich auswächst – was beweist, wie Augustinus sagt, die Macht und die Kraft Gottes über das Kleine und Schwache. So erscheint auch das fleischgewordene Wort nur als schwacher Mensch, als Wurm, wie Jesus selbst sagt, und erneuert doch das Antlitz der Erde. Das Geheimnis seiner Macht liegt in dem kleinen Nichts, das kaum Beachtung findet. Und ist doch Gott, der handelt und wirkt. Wir selber pflanzen nur, Gott <aber> gibt das Gedeihen. Gott muss darum auch unsere Werke vollziehen.
Ein heiliger Abt ging eines Tages durch die Küche seines Klosters. Er erblickte einen jungen Bruder, der mit Hilfe eines Streichholzes zwei Linsenkörner heraus angelte, die zwischen zwei Pflastersteine gerollt waren. Der Heilige sammelt sich, faltet die Hände und sagt zu ihm: „Mein Sohn, das Sie verstanden haben, welche Wichtigkeit Gott den kleinen Dingen bei beimisst, wird er Ihnen auch Licht von oben für die höchsten Wahrheiten verleihen.“
Merkt euch die Lektion eines der Patriarchen des Ordenslebens. Lest sorgfältig die kleinen Linsenkörner auf, die sich auf eurem Wege finden. Diese Kleinigkeiten werden in euch gewaltige Kräfte freilegen und euch heilig machen, wie sie die Gute Mutter heilig gemacht haben. Ich sehe sie noch während der langen Tage ihres Todeskampfes, wie sie sterbend den Kopf hob und mir sagte: „Ich würde gerne beichten, finde aber nichts zu sagen. Denn ich habe immer gewünscht, was mir der Wille Gottes zu sein schien. Ich vertraue mich dem Erlöser an und erwarte alles von ihm.“