11. Vortrag: Die Predigt
Bleibt weiterhin gesammelt, damit euch die Früchte dieser Tage der Heiligung nicht verloren gehen, ihr vielmehr der Gnaden der hl. Exerzitien in ihrer ganzen Fülle teilhaft werdet. Die Gaben Gottes heißt es ja nicht nur empfangen. Wir müssen sie bewahren, damit sie uns zum Nutzen gereichen in der Zeit, für die die göttliche Vorsehung sie uns zugedacht hat.
Um das Evangelium neu zu drucken, dürfen wir keine einzige Seite davon überzeugen. Wenn die Oblaten keine besonderen, auf die Praxis bezogenen Tugenden haben, ihre Seelsorge der aller anderen gleicht, wenn sie keine Männer der Betrachtung und Lehrweisheit und somit einer besonderen Bildung sind, wie soll da das von der Guten Mutter vorgezeichnete Programm verwirklicht werden? Wie können sie da die Frohbotschaft neu herausgeben? Vor allem, wie soll das Evangelium ohne Abstriche neu aufgelegt werden, wenn wir es nur teilweise erscheinen lassen? Denn auf das ganze Evangelium kommt es an. Es genügt nicht, einen besonderen Punkt herauszugreifen, z.B. den Seeleneifer, die Abtötung der Sinne, usw.
Das dritte evangelische Werk, auf das ich euch festlegen will, ist die Evangelisation, die Verkündigung Jesu Christi. Unser Herr kam auf die Erde, um uns ein Beispiel zu geben, uns anzuleiten und durch seine Leiden loszukaufen. Die Verkündigung des Evangeliums war darum eines der großen Ziele und Zwecke seines Kommens. Darum muss sich unsere Neuauflage des Evangeliums auch auf unsere Predigtweise erstrecken.
Wir sollten alle ohne Ausnahme predigen: jene, die mit ihrer Hände Kraft schaffen wie jene, die sich in den Seelsorgswerken abmühen. Jene, die Seelen führen oder Schulunterricht erteilen wie jene, die mit ihrem Wort unterweisen oder von der Kanzel aus belehren. Unsere Verkündigung muss aber praxisbezogen sein. Wenn wir Mitmenschen schon nicht durch unser Wort aufklären, dann wenigstens durch unser Tun. Möge schon unsere religiöse Bescheidenheit, die einfache und würdige Art, uns zu geben, eine erste Predigt sein. Der Geist der Liebe und Herzlichkeit, der uns untereinander verbindet, unsere Gewohnheit, einfach und einheitlich in Sprache, Haltung und Kleidung aufzutreten, kann nicht ohne Wirkung bleiben bei denen, die uns sehen. Der Ordensmann muss eben jederzeit auf eine geziemende Verhaltensweise achten. Beim Knien lasse er sich nicht hängen, sondern halte seinen Oberkörper gerade und stütze sich nicht auf, wenn er nicht übermüdet ist. Besonders in der Kirche befleißige er sich einer würdigen und ehrfürchtigen Haltung. Natürlich kostet uns das etwas, aber es ersetzt den Bußgürtel und drückt unsere Regelabtötung aus. Da wir zu strengen Bußübungen doch nicht imstande sind, tun wir wenigstens das. So predigen wir durch eine einfache, bescheidene und allzeit korrekte Haltung. Bei all unserem Tun erinnern wir uns an die Bescheidenheit Christi, die Paulus den ersten Christen von Korinth: Ich beschwöre euch bei der Bescheidenheit Christi.
Ist man allein auf seinem Zimmer und müde dazu, kann man es sich gewiss etwas bequem machen. Ich weiß wohl, dass Franz v. Sales es anders hielt und er sich an jedem Wort und in jeder Lage herzhaft überwand. Auch die Gute Mutter, eine einfache Frau, sehr schwächlich und unablässig leidend, zeigte in ihrem Äußeren nie etwas, woraus man hätte schließen können, sie sei nicht von einer sehr starken und robusten Konstitution.
Nichts führt direkter zum lieben Gott – uns selber wie unsere Mitmenschen – als die äußere Weise zu evangelisieren. Betrachtet die Kirchenväter, wie gern sie sich über die Seins- und Lebensart unseres Herrn auslassen, wie sie sich über Klarheit und den Frieden seines Lebens, die Weisheit seiner Worte verbreiten. Er muss demnach tiefen Eindruck auf die Menschen gemacht haben durch seine Bescheidenheit. Predigen darum auch wir die Frohbotschaft durch unser Äußeres.
Der hl. Paulus sagt darüber ein sehr starkes Wort: Das Evangelium muss uns heilige, aber auch wir sollten das Evangelium irgendwie heiligen. Denn was uns das Evangelium lehrt, bedeutet für uns Lebensregel, Gesetz, Tat. Wir müssen ihm Leben einhauchen, es Tat werden lassen, es in uns zur Darstellung bringen. Denn auch wir sollten reden, denken und tun, was der Herr im Evangelium gesagt, getan und gedacht hat. Seine Art, demütig, einfach und gütig zu sein, sollte auf uns übergehen. Selbst die äußere Form, wie er gelebt hat, diene uns zum Vorbild. Zwar nicht in griesgrämigem und aszetischem Aufzug, aber doch so, dass wir uns allzeit korrekt, unauffällig und schicklich geben, ein Abbild – kurz gesagt – das Leben unseres Herrn selbst.
Wir haben Aufsicht (über Schüler) zu halten: tun wir es in der Gegenwart Gottes und in wahrem religiösen Geist. Sprechen wir uns selber in dieser so schlichten Handlung Mut zu, das Evangelium unseres Herrn zu heiligen und aufleuchten zu lassen. Seien wir heilige Verkünder der Frohbotschaft. Um Gutes zu tun, braucht man kein außerordentlicher Mensch zu sein. Die davon profitieren und erbaut sind, werden es vielleicht nichts sagen, aber sie werden es spüren und erleben. Da muss ich an einen Marinepfarrer denken, ein kleines Männchen, der sein ganzes Leben an Bord bei Offizieren verbracht hatte. Er schien eher geeignet für einen Hausgeistlichen bei der Heimsuchung oder in einem Mädchenpenisonat.
Eines Tages traf ich den Onkel eines unserer Heimsuchungszöglinge, der Kapitän eines Schiffes war, auf dem der bewusste Geistliche lange Zeit gedient hatte. Dieser Offizier war nicht sehr religiös, er liebte Vergnügungen und leichtes Leben. Aber von seinem Schiffsgeistlichen sprach er mit größter Hochachtung und wahrer Verehrung. Er erzählte mir, an Bord seien alle für ihn eingenommen gewesen und er habe einen sehr starken Einfluss auf Offiziere wie Mannschaften ausgeübt. Wie schaffte er das? „Weil alle sagten, er sei ein Heiliger.“ Das war für mich eine Offenbarung. Um also Soldaten zum Guten zu beeinflussen, muss man da erst selber Soldat werden? Nein, man muss ihnen von Gott sprechen, muss ihnen vor allem diesen Gott vorleben und die Frohbotschaft in Aktion vorzeigen. „Unser Schiffspfarrer gewann dem militärischen Geist nicht viel Geschmack ab“, sagte der Kapitän. Aber er hielt ihn für einen Heiligen.
Sprechen wir jetzt, meine Freunde, von der eigentlichen Art zu predigen. Beim Predigen auf der Kanzel müssen wir die Glaubenslehre vortragen, so wie sie ist, ohne jede Abschwächung. Soll man diese Lehre in der Gestalt einer theologischen These präsentieren? Vor 100 oder 200 Jahren konnte man das vielleicht noch tun. Heute ist das unmöglich. Einer der Gründe für den Glaubensverfall in unserer Gesellschaft – Bischof Mermillod von Genf sagte mir das vor dem Ersten Vatikanischen Konzil – ist genau diese Art, auf gelehrte und trockene Weise von der Kanzel zu räsonnieren, sodass das Herz der Zuhörer und ihre Phantasie kalt bleibt, sodass sie nicht hinhören und begreifen. Das Erste Vatikanische Konzil wollte sich mit der Frage befassen, und eine Erklärung wurde vorbereitet, um der Predigtweise eine ganz andere Richtung zu weisen. Der deutsch-französische Krieg (Anm. 1870/1871) unterbrach dieses Vorhaben. Seht nur, wie die Bösen gerade durch ihr Wort „ankommen“, ganz anders als wir. Der Prediger besteigt bei uns die Kanzel und entfaltet einen kirchlichen Text, das ist gut. Aber er liefert auch eine Vorlesung über die Hl. Schrift, eine Lektion über Theologie.
Alles, was man dabei feststellt, ist, dass auf der Kanzel ein tüchtiger Mann steht. Alle Gläubigen unter der Kanzel sind weit davon entfernt, seine Worte zu verstehen, und die Mehrzahl hört nicht einmal zu. Wozu auch? Und so verfahren wir seit hundert Jahren in Frankreich. Und ebenso lange haben andere auf ganz andere Art den Menschen ihre Irrlehren vorgetragen.
Predigen wir darum, wie unser Herr es tat. Das sollte die Predigtweise der Oblaten sein! Wie sprach Jesus? Er wandte sich an das vor ihm stehende Publikum. Waren es viele, sprach er eben zur Masse. Standen Pharisäer vor ihm, so richtete er Vorwürfe und Drohungen an sie: „Tut, was sie auch sagen, aber ahmt nicht ihre Taten nach!“ Wendet er sich an Nikodemus, führt er eine Sprache, die ein Gesetzeslehrer versteht. So richtet er sich immer an die gerade vor ihm stehende Zuhörerschaft. Dadurch passen seine Worte eben ganz zu ihrem Stand, ihrer Geistesverfassung und ihrer Lebensweise. In den Ebenen Galiläas zitiert er inmitten einer Bauernbevölkerung das Gleichnis vom Sämann, vom Unkraut und dem guten Samen, von den Taglöhnern im Weinberg. So könnte man das Leben unseres Herrn, seine Reisen und verschiedenen Aufenthalte einzig nach seinen Predigten, Bildern und Weisungen zusammenstellen, so genau berücksichtigte er die Menschen, die vor ihm standen. Da weilt er z.B. an den Ufern des Sees Genezareth, umgeben von einem Volk von Fischern: Das Himmelreich gleicht einem Netz, das ins Meer geworfen wird… In Kafarnaum spricht er die Kaufleute an: Das Himmelreich ist gleich einem Kaufmann, der eine kostbare Perle zu erwerben sucht.
Vergessen wir also nie den wesentlichen Grundsatz aller Predigt: die Leute ansprechen, die vor uns stehen oder sitzen, entsprechend ihrem Stand und ihrer Erziehung. So sprechen, dass sie es fassen können, über das, was ihnen am Herzen liegt. Danach richteten sich auch die Kirchenväter. Der hl. Johannes Chrysostomos fand hier die Mittel für seine große Beredsamkeit. Ihn umgab ein Volk von Seeleuten und Schiffern. Darum entnimmt er einen Großteil seiner Vergleiche ihrem Umgang mit dem Meer. Sprach er Weltdamen an, hohe Damen des kaiserlichen Hofes, so spricht er von Ringen, Juwelen und Dingen, die ihnen geläufig sind, die sie lieben, und unter denen sie ihr Leben zubrachten. Das ist die einzig richtige Methode. Nur hier ist der Erfolg der Verkündigung zu suchen. Es gibt keinen anderen Weg zum Gelingen. Auf diese Weise sollt ihr die Frohbotschaft neu herausgeben, die Leben in sich trägt und Leben spendet. Sprecht eure Zuhörer an, ihrem Beruf, ihrem Verstand, ihren Fähigkeiten und den derzeitigen Ideen entsprechend. Eines Tages hielt ein junger Geistlicher von gewissem Ansehen in der Magdalenenkirche zu Troyes eine feierliche Predigt. Ich wohnte ihr zusammen mit dem Pfarrer von St. Pantaleon bei. Der Prediger hatte Geist und Talent. Nach seiner Ansprache erwartete er in der Sakristei natürlich einige Komplimente: „Sie haben eine schöne Predigt gehalten“, sagte Pfarrer Boulage zu ihm. „Aber die Einleitung sollten Sie anders machen, Sie haben nämlich einen wesentlichen Punkt ausgelassen.“ - „Welchen denn?“ – „Sie hätten so anfangen sollen: Liebe Brüder, geht alle fort, und die Türen sind zu schließen. Ihr aber, ihr Toten, die ihr seit drei oder vier Jahrhunderten unter den Steinplatten dieser Kirche ruht, steht auf, und hört meine Predigt an, denn an euch allein möchte ich das Wort richten, die andern verstünden nämlich doch nichts. – Denn zu wem haben Sie denn gesprochen?“ fuhr der gute Abbé Boulage fort: „Zu den Damen der Magdalenenkirche. Außer ihnen war nämlich niemand zugegen. Nehmen Sie dazu noch eine gebildete Person, die Gattin des Untersuchungsrichters, einige Schneiderinnen, den Sakristan, den Kirchendiener, die Ministranten, den H. Pfarrer und den Kaplan, P. Brisson und mich: das war Ihr ganzes Auditorium. Keinen von uns haben Sie angeredet: Ich verstehe noch, dass Sie uns, den Klerus, unbeachtet ließen. Dazu den Mesner und den Kirchendiener. Aber, mit Verlaub, reden Sie doch die übrigen Anwesenden an, die leben, und nicht die Toten!“
Unser Herr sprach die Menschen an, die ihm unterstanden. Hätte er die Leute vom Hofe des Königs Herodes oder den Senat von Rom vor sich gehabt, hätte er sicher anders geredet. Beobachtet nur den hl. Paulus auf dem Areopag von Athen: wie schön und glänzend wählte er da seine Worte! So sollten auch die Oblaten es mitunter tun! Diesen Gelehrten führt er die Beweise der Gottheit Jesu Christi vor Augen aus der Geschichte und schließt mit dem Glaubenssatz von der Auferstehung der Toten. Die einen glauben, die andern sagen: „Darüber wollen wir Dich ein andermal hören.“
Sprechen wir also immer die an, die wir vor uns haben. Suchen wir sie zu unterrichten. Bieten wir ihnen sicher auch Theologie. Bedenkt nur, wie die Worte unseres Herrn oder der Kirchenväter Wesentliches und Theologisches aussagten! Aber bedenkt gleichzeitig, inwieweit dies der Fassungskraft der Zuhörer vor euch entspricht!
Man muss sich wohl hüten, theologische Thesen vorzutragen. Das taten weder unser Herr noch die Kirchenväter. Denn niemand würde euch anhören noch begreifen. Die Theologie muss verdaut werden, damit sie lebendig und zugreifend auf die Zuhörer wirke. Die Lehrmethode der theologischen Traktate ist hier umfassend. Wie lebensnah und fesselnd verstand es doch Jesus, durch Gleichnisse seine ganze Frohbotschaft zu verkünden.
Er sprach die Sprache seiner Zuhörer, bediente sich der Dinge, die sie kannten und verstanden. Bei einer Volksmission, bei Einkehrtagen vor Dorfbewohnern haben feierliche Kanzelreden keinen Platz, sie passen eher für die Stadt oder für eine bestimmte Gruppe. Man liest Zeitungen, liebt aber keine Predigten. Geben wir uns also keiner Selbsttäuschung hin. Die Zeitung interessiert, berichtet Tatsachen, die Predigten langweilen. Unser Pater Rolland erinnert sich aus seiner Ministrantenzeit im Dom von Langres nur an eine einzige Predigt - obgleich er hunderten beiwohnte – und das war die Ansprache eines sehr originellen Kapuziners, der Geschichten erzählte. Er hielt jungen Leuten Einkehrtage. Was er ihnen feilbot, passte genau für seine kleine Zuhörerschaft, wäre vielleicht unschicklich gewesen und ordinär vor Erwachsenen, hier aber war es ganz und gar am Platz.
Ihr habt für Heimsuchungsschwestern Exerzitien zu halten – dann muss es eben für die Heimsuchung zugeschnitten sein. Holt eure Gedanken nicht bei Rodriguez oder im Predigtwerk irgendeines Jesuiten, ihr würdet danebentreten. Inspiriert euch im Geist und den Regeln der Heimsuchung. Ihr könnt über alle Themen sprechen – aber sie müssen durch die Mühe der Visitation gegangen sein. Oder ihr sprecht zu den Barmherzigen Schwestern: lest also vorher nach beim hl. Vinzenz von Paul und verkündet ihn.
Oder eure Zuhörer sind junge Leute. Behandelt Themen, die sie interessieren und sie weiter führen. Bei jungen Mädchen sprecht über deren Pflichten. Sprecht ihr zu ihnen über das Beten, so bedient euch keines Predigtbuches und haltet keinen lehrhaften Vortrag. Sagt, wie man zu Gott spricht, so wie es ihrer Fassungskraft entspricht, damit sie für ihre Praxis profitieren. Andernfalls hören sie gar nicht her, und behalten nur, dass euer Vortrag zu lang war. Nehmt ihr aber die vor euch Sitzenden so wie sie sind und besprecht die neuralgischen Punkte, werden sie ganz Ohr, weil sie gefesselt sind. Erklärt ihnen, wie sie gut beten und worin die Fehler ihres hastigen und zerstreuten Geplappers liegen. Leitet sie an, wie verschieden sie im Laufe des Tages mit Gott Zwiesprache halten sollen, wie sie am Morgen „betrachten“, indem sie ihr Tagewerk mit Gott vorbereiten. Dann habt ihr eine schöne und nützliche Predigt gehalten.
Mit einer Predigt werdet ihr nicht mehr Nutzen stiften als sprächet ihr über die Sonne und den Mond, sondern zweifellos weniger. Mit dem Nächsten muss man Mitleid haben, liebe Freunde. Warum sie denn unter eurer Kanzel Zeit verlieren lassen? Eine Stunde ist etwas. Die Stunde bringt 5,8 Sous ein (also heute 42,5 Centimes). Eine durch eine langweilige Predigt verlorene Stunde bedeutet somit den Verlust von 42,5 Centimes.
Die Welt ist wie sie ist, wir ändern sie sicher nicht auf diese (langweilige) Weise. Wir müssen zu ihr hingehen, sie bei den Fehlern packen, die sie hat, und trachten, den größtmöglichen Vorteil daraus ziehen,
Bereitet also gründlich eure Unterweisungen vor im Hinblick auf die Zuhörer, die vor euch habt. Sprecht sie an in der Sprache, die sie verstehen und die sie fesselt, sucht ihr Herz zu gewinnen, um gute Regungen zu erwecken und sie zu bekehren.
Noch einmal, macht es wie unser Herr:
Wie redet er mit der Samariterin? Wie mit den Aposteln? Betrachtet die Bergpredigt: wie verschiedenartig er doch seine Zuhörer anredet! Auf dem Berg der Seligkeiten steht eine Masse vor ihm: er hätte kaum ihre Aufmerksamkeit gewonnen, hätte er nur ein einziges Thema gewählt. Hier bietet er eine Gesamtschau seiner Lehre, legt das Fundament seines Lehrgebäudes in einschneidenden, bildhaften und die Aufmerksamkeit weckenden Worten. Er wendet sich an die Herzen der Unglücklichen, der Leidenden, der Niedergeschlagenen. Und die Armen, von Hitze und Wanderung Erschöpften, hören gern zu und nehmen seine Worte begierig auf.
„Selig“, sagt er zuerst: Glück also! Das nimmt sie ein, das Glück! Und nun führt er aus, wie sie sich dieses Glück aneignen können in Hunger und Durst, Armut und Güte…
Aber, lieber Pater, dazu braucht es Fähigkeiten, viel Urteilsvermögen, um so zu predigen. – Jawohl, das braucht es, und zwar mehr als wir natürlicherweise von zu Hause aus mitbringen. Darum müssen wir ohne Unterlass und mit Eifer vor jeder Predigt beten.
Bereitet euch nie vor ohne Gebet: Herr, was soll ich sagen? Lege du in mein Herz und auf meine Lippen die Worte, die die Geister erleuchten und die Herzen rühren. Nicht ich soll ja reden, sondern du. Nicht Menschenwort tut hier not, sondern Gotteswort, eben das Evangelium!
Im Katechismusunterricht bemüht euch vor allem, praktisch zu sein. Erklärt sorgfältig den Sinn der Wörter. Macht nützliche Anwendungen, und fügt etwas hinzu, das die Herzen der Kinder anspricht und zum Gutsein anregt. Gottdank wird zur Zeit Katechismus weniger schlecht erteilt als das Predigtwort. Man gibt sich mehr Mühe, sich auf das Niveau der Kinder herabzulassen.
Bittet also unseren Herrn, er möge euch seine Predigtart vermitteln, euch die Gabe schenken, die Seelen anzusprechen und ihnen das Wort des Evangeliums zu predigen. Nie vielleicht schrie die Welt nach dem Evangelium als in unserer Zeit. Die Geister dürsten nach diesem Licht. Finsternis hüllt alles ein, das Gotteswort allein gibt den Willen zu rechtem Eifer. Ein erschreckender Chor von Gotteslästerungen steigt unablässig zum Himmel und erstickt die versöhnende und erlösende Stimme unseres Herrn: so viele Zeitungen und Zeitschriften, Dissertationen gottloser Professoren, Reden von Abgeordneten und Senatoren, Schmähungen der Volksversammlungen, Kabaretts, ungläubige und gottlose Familienväter, Erlasse geheimer Gesellschaften. All das breitet sich aus und vergiftet das Leben der Seelen. Das Blut unseres Herrn, seine Leiden, seine göttlichen Lehren gehen verloren. Mögen da die gläubigen Stimmen wie eine sanfte und fruchtbare Melodie inmitten dieses Chaos emporsteigen. Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam, durchdringender als ein zweischneidiges Schwert. Es durchfährt Seele und Geist (vgl. Hebr. 4,12). Das göttliche, lebendige Wort, das aus Mund und Lippen emporsteigt, trennt, was von Gott und was von uns stammt.
„Das Wort Gottes erschafft die Himmel und bildet die Erde.“ Das Wort Gottes begründet das Glück und die Sicherheit der Seele. Und wir sollten seine Organe und Überbringer sein.
Diese auserwählte Sendung ist die unsrige. Die Gute Mutter sagt in ihrem Freiburger Heft, unser Herr lehre sie, Apostel zu sein und Apostel heranzubilden…Das letzte Wort des Apostolates lautet, das Evangelium in seiner ganzen Reinheit, seiner ganzen Unbestechlichkeit zu empfangen und es den Seelen weiterzureichen.
Bitten wir die Gute Mutter um diese große Weisheit und Diskretion, die uns nach dem hl. Augustinus erkennen lässt, wer da zu uns spricht und zu wem wir sprechen. Möge sie das Leben Jesu in uns einpflanzen, damit wir die Seelen retten und selber Ihm ähnlich werden.