6. Vortrag: Die Gründung des Oblatenordens.
Hingabe an den göttlichen Willen während der Exerzitien.
Setzen wir unsere Einkehrtage mit bestem Willen fort und lassen wir uns vom Hauch des göttlichen Geistes tragen: „Löscht den Geist nicht aus!“ Wie spricht dieser Geist? Mit starker Stimme in unserem Innern, leicht zu hören und zu verstehen. Oder aber die Gnade drängt ihn, dem Willen und bestimmt ihn, dem Willen Gottes zu folgen. Er spricht aber durch Trockenheiten, die denen des übrigen Jahres nicht gleich sind. Ihr verspürt beim Beten und in euren sonstigen Beziehungen zu Gott mehr Schwierigkeiten als sonst, sodass man sich fragen kann: Hat da wirklich der Geist Gottes noch seine Hand im Spiel? Ja, durchaus! Sagt doch der Prophet: „Dein Geist wehte über der Wüste hin, und sie blühte nicht auf. Nachdem der Gottesgeist aber aufhörte zu wehen, bedeckte sich die Wüste mit Blumen und überreichen Früchten.“ Bringen wir also dem göttlichen Tun uns gegenüber Frucht entgegen. Ehren wir das Handeln und Zulassen und Wollen Gottes! Fassen wir all unsere Kräfte zusammen, um Gott zu bewahren und weiterzugeben. Diese Erfahrung musste ich in Rom machen, und auch P. Deshairs konnte dieselbe Beobachtung anstellen.
Die Audienz bei Leo XIII. Während ich zum Papst Leo XIII. über die Absichten unseres Herrn und die Sondergnaden Gottes an die Gute Mutter sprach, drückte sich im Antlitz des hl. Vaters plötzlich solch eine tiefe Sammlung aus, dass er den Eindruck erweckte, sein ganzes Leben konzentriere sich in der Aufmerksamkeit Gottes und des Hl. Geistes, der ihm seine ganze Kraft, sein ganzes Wesen, seinen ganzen Willen und all sein Licht zu verleihen schien zu den Worten, die er im Begriff war, auszusprechen, übertrug er uns unsere Sendung. Da ging es mir stärker denn je auf, was es heißt, sich als Mensch ohne Vorbehalt Gott zu unterwerfen, von der souveränen und unfehlbaren Autorität Gottes sein ganzes Wollen und Urteilen und eigenes Tun gleichsam auszulöschen. Dieses Beispiel, liebe Freunde, gab uns der hl. Vater, so müssen also auch wir vorgehen jeden Tag unseres Lebens, nicht zuletzt während meines jetzigen Vortrags.
Wir sind in diesen letzten Tagen die wesentlichen Pflichten des Ordensstandes durchgegangen, die die drei Ordensgelübde beinhalten: Gehorsam, Armut und Keuschheit. Diese drei Gelübde obliegen sämtlichen Ordensleuten. Nur muss ich euch darauf hinweisen, dass jeder Orden seine Besonderheit bei ihrer Erfüllung aufweist. Mit Gottes Gnade versuchte ich, euch diese Besonderheit bei uns, den Oblaten, aufzuzeigen, wie wir sie üben, bzw. in welchem Geist wir sie zu befolgen haben. Ich gab mir besondere Mühe, euch den Sinn unserer Gelübde zu erschließen. Doch möchte ich heute noch etwas weiter gehen. Gewiss habe ich darüber öfters gesprochen, aber nicht vor euch allen. Auch wird die Exerzitiengnade meinen Worten, die euch vielleicht aus früheren Konferenzen bekannt sind, eine besondere Kraft verleihen, sodass ihr sie tiefer betrachten und ergründen könnt.
Jeder Orden befolgt ein besonderes Ziel.
Jedem Orden wohnt ein eigener Gedanke inne. Die einen legen den Ton auf die Armut, andere auf den Seeleneifer, wieder andere auf harte Bußübungen, andere führen ein spezielles Seelsorgeamt aus, z.B. bei Kranken, usw. Welches Ziel schwebt nun uns vor? Denn ohne ein besonderes Ziel hätten wir ja keine Daseinsberechtigung, wir wären eine Gruppe von Einzelwesen, die nichts von den anderen unterscheidet, die infolgedessen keine eigene Existenzberechtigung und somit keinen Erfolg aufzuweisen hätten. Dann wäre es besser, unsere Kräfte mit denen der anderen zu vereinigen, statt sie zu zerstreuen, um so größere Erfolge zu erzielen.
Gehen wir also zu unseren Ursprüngen zurück. Denn das Studium der eigenen Ordensgeschichte hat einen gewaltigen Vorteil: man stellt so besser das Ziel fest sowie die Mittel, dieses Ziel zu erreichen.
Die Gute Mutter. Warum hat Gott eine Frau erwählt? Welches ist die Wurzel unserer Gründung? Wir müssen zu einem kleinen Dorf der Schweiz vordringen, um die erste Idee, die erste Eingebung zu entdecken. Übergehen wir die ersten Lebensjahre der Guten Mutter. Damals erfasste sie noch nicht genau die Absichten Gottes, es fehlten die positiven Offenbarungen. Zunächst also: Warum erwählte Gott eine Frau, um uns zu gründen, und keinen Mann? Ich weiß es nicht. Das ist unsre erste Antwort. Man konnte also Zweifel hegen, solange die Sache nicht endgültig geklärt und verwirklicht war. Jetzt aber kann ich mit dem Heiland sagen: „Wenn ihr meinen Worten nicht Glauben schenken wollt, glaubt wenigstens meinen Taten!“ Ihr könnt, will der Heiland sagen, die Wahrheit, zurückweisen, und euer verderbtes Herz wird das zweifellos tun, doch meine Werke verpflichten euch zum Glauben: „Glaubt um der Werke willen!“ Dasselbe sage ich euch: Seht nicht auf die Person, schaut euch die Taten dieses Menschen an!
Die Novizin von Freiburg und Bischof Jenni.
Eines Tages empfängt die Schwester Maria Salesia Chappuis im Noviziat große Erleuchtungen: sie sieht die Gründung der Oblaten voraus. Gott ließ sie erkennen, dass die Gründung eine der Früchte der Wirksamkeit der drei göttlichen Personen sei, besonders des Vaters und des Wortes. Diese Erkenntnisse waren ungewöhnlicher Natur. Darum teilt sie alles ihrer Oberin mit, wie es die hl. Regel vorschreibt. Die Oberin ihrerseits, von ungewöhnlichem Charakter heiligmäßig, verlässt sich nicht auf ihr persönliches Urteil, sondern wendet sich an den Bischof Jenni, der in Rom, der Quelle der Lehrweisheit, seine Ausbildung genossen hatte. Der heiligmäßige und gelehrte Bischof ruft eine ganze Schar von Priestern zusammen, die alle im Germanicum studiert hatten und einen hohen Ruf genossen. Diese Priester verbrachten ihre meiste Zeit nicht mit Kartenspielen, sondern mit dem Studium theologischer und kirchenrechtlicher Fragen in ernsten Konferenzen und vertieften so die Wissenschaft, die sie in einer so vortrefflichen Schule erworben hatten. Die Freiburger Oberin nimmt also ihre Zuflucht zur Autorität und dem Wissen dieses Oberhirten, der den Wert dieser Ordensfrau, die man seiner Beurteilung unterwarf, gleich begriff und schätzte. Auf seine Weisung sagte die Oberin zur Novizin: „Schreiben Sie alles auf, und legen Sie mir alles vor, was der liebe Gott Ihnen sagen wird.“
Die Haft von Freiburg. Die Schwester machte sich also aus Gehorsam ans Schreiben. Eine erste Niederschrift, die in meinem Besitz ist, berichtet der Oberin von den göttlichen Unternehmungen ebenso wie von dem Anteil, den die Schwester daran nehmen soll, sowie auch von den Folgen, die sich daraus ergeben sollen. Dieses erste Heft gibt uns bereits einen vollen Einblick in das Werk, das da unternommen werden soll. Gott offenbart dieser Seele, er habe in seiner Liebe einen besonderen Heilsplan für die Welt gefasst, und eine große Zahl von Gnaden und geistlichen Gunsterweisen stünden auf Grund seiner göttlichen Liebe zum Austeilen bereit. Sie schaut all das ganz deutlich und drückt es noch klarer aus. Und der Bischof, dem die Oberin alles unterwirft, prüft die Frage mit aller Gründlichkeit.
Bischof Lachat und die Schweizer Bischöfe. Diese Schweizer Bischöfe sind im Allgemeinen bedeutende Persönlichkeiten. Besonders bewundernswert sind sie aber wegen der intime Bande, die sie mit Rom unterhalten. Ständig den Plackereien einer nicht-katholischen Regierung ausgesetzt schließen sie sich umso enger an Rom an. Und der Bischof, der sich zurzeit um die Heiligsprechung der Guten Mutter kümmert, Bischof Lachat, ist der intime Freund, ich möchte fast sagen der Hausfreund von Bischof Pecci, dem heutigen Papst Leo XIII. Bei ihm verbrachte er seine Ferien, als er in Rom war. An Bischof Lachat kann man sich nur erbauen. Vor zwei Jahren lebte in seiner Diözese ein Mädchen, das behauptete, besondere Offenbarungen Gottes zu empfangen. Bischof Lachat ließ darüber einen genauen Bericht geben. Bei meiner sagte er zu mir: „Möchten Sie nicht, Pater Brisson, sich der sich der Sache annehmen und mir sagen, was ich von diesen Offenbarungen zu halten?“ – „Exzellenz“, erwiderte ich, „ich weiß nicht recht, das ist eine delikate…“ – „Ich wünsche aber sehr, dass Sie mir sagen, was Sie davon halten.“ – „O, Exzellenz, die Zeit ist hier die große Lehrmeisterin.“ Darauf meinte er: „Die Zeit, ich kann doch dem lieben Gott nicht die Zeit vorschreiben. Wenn er will, dass ich tue, was er mir sagen lässt, dann kann ich ihn doch nicht warten lassen.“
Ich führe euch in diesen Vorfall nur an, damit ihr seht, mit welch tiefer Ehrfurcht diese Bischöfe solche Vorfälle behandeln. Da ist also ein Mann, nicht bloß ein Gelehrter, sondern ein Bekenner, Busenfreund des Papstes, vollkommen aufgeklärt, der aus sich heraus dem lieben Gott keine Antwort zu geben wagt, der ihm aber umgehend gehorchen will, wenn Gott dies verlangt.
In solcher Umgebung lebte die Gute Mutter. Und so urteilte man über ihr „Werk“ und ihre ersten Erleuchtungen von Seiten Gottes. Die Niederschrift ihrer Rechenschaften berichtet von den Mitteilungen, die sie von den göttlichen Personen empfängt und in Sonderheit von dem, was Gott der Welt anzubieten beabsichtigt. In diesem Heft heißt es: „Ich bin berufen, Apostel zu sein und meinen Beitrag zu leisten zu dem Werk, das Gott ausführen will, um seine Gnaden auszuteilen und seine göttlichen Liebesbeweise zu vermehren. Der Erlöser will noch vorhandene Verdienste zur Verfügung stellen. Die Schätze seiner Liebe werden über die Erde ausgegossen und der Welt zuteilwerden.“ Das sind die Mitteilungen Gottes an eine Novizin von Freiburg, und das glaubten ihre Oberin wie auch der Freiburger Bischof. Man sagte ihr nicht einfach: Liebe Schwester, das ist sehr schön. Lassen Sie es dabei gefälligst bewenden, und haben Sie die Güte, sich zu begnügen mit der allgemeinen Betrachtung der Kommunität!
Nein, man sagte ihr nicht: Schlagen Sie einen andern Weg ein und ändern Sie Ihr Verhalten!
Sie fährt also fort, und der heiligmäßige Bischof kommt sie manchmal besuchen und sagt zur Oberin: „Lassen Sie sie alles sagen und tun, was sie will!“ Und ein andermal: „Das ist eine heilige Seele, deren sich Gott bedient und weiter bedienen wird. Lassen Sie sie ungestört und helfen Sie ihr!“
Das sind, meine ich, liebe Freunde, sehr qualifizierte Berichte. Nichts Gewagtes findet sich da, nichts, was der kirchlichen Lehre entgegenstünde. Diese Offenbarungen sind garantiert von Gottesgelehrten, die direkte Beziehungen zum Hl. Stuhl hatten.
Die Gute Mutter indes will sich zunächst nicht äußerlich mit diesem Werk abgeben und „die Wirkung der Wirkungen“ benutzen. Diese Ausdrucksweise heißt es verstehen: „die Wirkungen“, damit ist das gemeint, was in Gott vorgeht (Willensabsichten), und was der Guten Mutter mitgeteilt wird. Das spielt sich ab im Schoß der hl. Dreifaltigkeit unter den drei göttlichen Personen: also die Erstwirkung. Die Zweitwirkung, die aus der ersten resultiert, betrifft sodann die Mitteilung, die Gott den dafür berufenen Gläubigen gewährt.
Troyes. Die Gute Mutter kommt also nach Troyes. Ich will hier nicht ihre Lebensgeschichte erzählen… Bei ihrer Ankunft dort selbst begreift sie, dass dies der Ort sei, den Gott für die Verwirklichung seines Werkes ausersehen hatte und wo er den ersten Stein für diesen Bau legen will. Dass hier die „Wirkungen“ der hl. Dreifaltigkeit sich offenbaren würden. „Hier ist der Ort meiner Ruhe für immer“, sagte sie gleich bei ihrer Ankunft. Von diesem Gedanken war sie zutiefst durchdrungen. In ihrem Liebesaustausch mit Gott lag bereits etwas Positives und Klareres.
Pater Theodor. Und Gott wies sie nicht an den Beichtvater der Heimsuchung, sondern an den P. Theodor, einen heiligmäßigen Priester und Beichtvater aus der Pikpuskongregation der Herzen Jesu und Mariä. Dieser sollte der Beichtvater der Heimsuchung werden. Die Gute Mutter hatte Gott gebeten, ihr zu sagen, wem sie in Zukunft seine Offenbarungen anvertrauen solle, jetzt, wo sie nicht mehr ihre Oberin und auch nicht mehr ihren Bischof hatte. Und Gott ließ sie wissen, sie möge sich an den Beichtvater wenden, den ihr schicken werde, und den sie an einem mir unbekannten Zeichen erkennen werde. P. Theodor stattet ihr einen Besuch ab, man sagt der Guten Mutter aber nicht, wer er war. Sie betritt das Sprechzimmer, und beim ersten Klang seiner Stimme ruft sie aus: „O, Sie sind der Beichtvater, den der liebe Gott uns schickt!“ „Aber, Schwester Oberin, ich kann nicht Euer Beichtvater werden.“ „Doch, doch, Sie werden unser Beichtvater, der liebe Gott hat es mir gesagt…“ Pater Theodor war nicht gerade ein Gelehrter, seine theologischen Studien hatten nicht lange gedauert. Während des Feldzugs Napoleons war er 1814 zwangsläufig eingezogen worden und hatte während einer Schlacht so Angst bekommen, dass er türmen ging und sich versteckte. Auch schoss er in den Boden, damit er niemand verletzen könne. Ihr seht, dass er sehr eigene Ansichten vom Kriegsführen hatte.
Herr Chevalier. Im Übrigen litt die Gute Mutter nicht unter einem Mangel an tüchtigen Theologen. Sie stand in Gedankenaustausch mit den Theologie-Professoren des Großen Seminars, vor allem mit einem bedeutenden Moralprofessor, dem Herrn Chevalier. Dieser hatte eine etwas schroffe Art an sich, war originell und verlangte nicht sonderlich danach, sich mit Frauen und Nonnen in Unterhaltungen einzulassen. Er beschäftigte sich lieber mit den ernsteren und wichtigeren Dingen…So lernte er die Gute Mutter kennen und gewann trotz seiner andersartigen Gewohnheit und Neigung bald Achtung und Verständnis für sie. Und er war ein großer Gottesgelehrter. Als ich nun später in näherem Kontakt mit der Guten Mutter trat, sprach ich mit ihm auch über sie. „Sehen Sie, diese Oberin hat Schauungen. Sie sagte mir, was Gott ihr mitteilt. Was soll ich davon halten? Soll ich sie anhören?“ Und seine Antwort: „Jawohl, hören Sie ihr genau zu, und jedes Mal wieder…Und vergessen Sie keine ihrer Bemerkungen. Ich will Ihnen sagen, wie weit mein Vertrauen zu ihr reicht: Selbst wenn ich vorher Glauben gehabt hätte, die Gute Mutter würde ihn mir vermittelt haben!“
Ich sage noch einmal: Herr Chevalier war durch und durch kühler Mathematiker, seine Ausdrucksweise klar und bestimmt. Er gab sich gern mit zarten Herzensangelegenheiten ab. Sein Interesse galt ganz anderen Dingen. Und nicht nur Herr Chevalier besuchte Mutter Salesia, auch andere Professoren kamen in ihr Sprechzimmer. Ein junger Dogmatikprofessor blieb nicht länger als fünf Minuten bei ihr im Sprechzimmer und wollte nie mehr dahin zurückkommen, weil er überzeugt war, die Gute Mutter könne in den Herzen lesen und läse darin auch seine Sünden. Dieser Prüfung wollte er sich nicht noch einmal unterziehen. Dabei war ein tüchtiger Prediger und ein hoch angesehener Mann.
Die Ankündigung der Oblatengründung in Paris. – Die Voraussage von St. Quen. – Herr Legentil.
Ich wurde zur Heimsuchung von Troyes versetzt, während die Gute Mutter Oberin in Paris war. 1842, ein Jahr darauf, besuchte ich sie in Paris. Da sagte sie mir: „Sie wurden von Gott dafür ausersehen, um mich in dem Werk, das ich zu erfüllen habe, viel zu unterstützen. Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo Gott sein Werk verwirklichen will. Und sobald es sich entfalten soll, wird uns ein Zeichen gegeben. Gott wird uns ein Haus anbieten, in Paris oder in seiner Umgebung. Der Mann, der es uns im Auftrag Gottes zur Verfügung stellt, wird uns lebhaft zur Annahme drängen. Er wird es eiliger haben, es uns abzutreten als wir, es anzunehmen. Er wird in großer Trauer sein und schwarzen Flor am Arm tragen.“ Dieselbe Voraussage machte sie vor mehren Ordensfrauen: vor Schwester Maria Donat im Besonderen. 1879 kam tatsächlich H. Legentil, um uns sein Haus zu St. Quen zum Geschenk anzubieten. Er hatte soeben seine Mutter durch den Tod verloren, und bei meiner Ankunft in Paris kam er gerade vom Requiem für seine Mutter. All das rührte mich sehr. Dieser späte Beweis, der mir zuteilwurde, erschien mir stärkere Zeugniskraft zu besitzen als ein Vorfall, der nur wenige Tage nach der Prophezeiung der Guten Mutter schon eintraf.
Das Drängen der Guten Mutter zu Troyes.
Nach ihrer Rückversetzung nach Troyes sprach Mutter M. Salesia zu mir genauer von der Gründung. „Ich habe den Anfang gemacht“, sagte sie, „und meine Sendung ist erfüllt. Jetzt brauche ich nichts mehr zu irgendjemand zu sagen und nichts mehr zu unternehmen. Das Werk wird in der nächsten Zeit in Erfüllung gehen.“ Ich will jetzt nicht in Einzelheiten eingehen über die Beweise, die mir auf sehr verschiedene und doch so auffallende Arten gegeben wurden. Ich habe dem Hl. Vater darüber berichtet. Gleich werde ich euch sagen, was er darüber dachte.
Die Gute Mutter konnte während ihrer ganzen übrigen Lebenszeit keinen einzigen Tag verbringen, ohne mir über alles, was sie von Gott empfing, Rechenschaft abzulegen. Gott zeigte ihr die Tätigkeit von Ihm (sprich: Gott), sodann die Wirkungen dieser göttlichen Tätigkeit auf die Menschen. „Was ich empfange“, sagte sie, „ist nicht für mich bestimmt, sondern für Sie. Diese Wirkungen werden Ihre Wirkungen sein. Das alles wird Ihr Anteil sein.“ So wiederholte sie es mir immer wieder. „Nicht mehr viele Jahre werden Sie bei mir sein. Ihre Aufgabe wird darin bestehen, die Wirkungen meiner Worte anzuwenden, zu verschenken und auszubreiten.“
Ich kann euch versichern, dass ich lange gezögert habe, ihren Worten Glauben zu schenken. „Gott wird Ihnen bei der hl. Messe die Einsicht geben“, versicherte sie mir. Und ich bekam das Licht während der hl. Messe. Danach fragte sie mich: „Haben Sie nichts dabei erlebt?“ – Ich gab zur Antwort: „Ich weiß nicht, die Sache ist mir immer noch nicht klar.“ Doch sie gab nicht auf und war der Verheißungen Gottes sicher. Nach ihren Kommunionen kam sie ins Sprechzimmer zurück, das Antlitz ganz verklärt, ich möchte sagen wie mit einem Heiligenschein und wie bedeckt von der Glorie Gottes. „O alle diese Dinge“, sagte sie immer wieder, „sind alle für euch bestimmt. Ihr werdet all das ausführen und anwenden. Wenn Sie wüssten, wieviele Gnaden euch im göttlichen Erlöser vorbehalten sind, wieviele Kräfte und Segnungen im innergöttlichen Tun der hl. Dreifaltigkeit verborgen liegen! Was sie in der Welt alles unternehmen will, um sich den Menschen zu ihrem Wohl bekannt zu machen!“
Ihre Mitteilungen. Hätte ich all ihre Worte niedergeschrieben, würden ganze Bücher nicht genügen. Aber ich habe es nicht getan. Vielleicht habe ich falsch gehandelt. Aber jetzt ist nicht wieder gutzumachen. Um meinen Fehler gutzumachen, muss ich heute im Gewissen bekennen, dass Gott uns eine Sendung anvertrauen wollte. Ich sage noch einmal: Was sie mir sagte, war das Erhabenste, die reinste Lehrweisheit, die exakteste Wiedergabe dessen, was im lieben Gott vorging. All das, was die Gute Mutter mir da mitteilte, muss doch heute eine Wirkung hervorbringen.
Und am Ende ihres Lebens klärte sich ihr Zustand. Als nämlich der Zeitpunkt kam, wo Gott ganz klar zeigt, was die Oblaten am Anfang und in der Folgezeit sein sollten. Alles, was sie gesagt und getan hat, konzentriert sich darauf. Gott gab ihr zahlreiche Beweise ihres Willens, und all das sollte Platz finden in ihrer Lebensbeschreibung. Ihre Aufgabe bedeutete ihr alles, sie lebte einzig ihrem „Werk“. Ihre Kommunität bedeutete für sie keine Last, ganz im Gegenteil, sie war eine Stütze für sie. Gott hatte den Schwestern die Gnade verliehen, ein Herz und eine Seele, ein einziger Wille in der vollkommenen Regeltreue zu sein.
Schwester Maria Genofeva. Mehrere Schwestern, vor allem Maria Genofeva, halfen ihr viel in den äußeren Geschäften. „Liebe Mutter“, sagte letztere zu ihr, „Sie sollte dies sagen, Sie sollten jenes sagen.“ Oder: „Schreiben Sie auf diese Weise… Daran ist nichts zu ändern… kümmern Sie sich nicht darum…“ Und die Gute Mutter tat, was die Schwester ihr riet. Ihr überließ sie die Geschäfte mit der Welt, während sie selbst der Eingebung Gottes folgte. Das war ihr Leben.
In dem Augenblick, wo sie einer besonderen Gnade Gottes teilhaftig wurde, wiederholte sie, ihre Aufgabe bestünde einzig darin, diese Erleuchtung von Gott zu empfangen, um sie den Händen der Oblaten des hl. Franz von Sales zu übergeben. All das müsse von ihnen benutzt und verwerten werden und in ihren Händen gute Erfolge zeitigen. „Die Verdienste der Erlösung kennen keine Beschränkung“, sagte sie. „Die noch nicht benutzten Verdienste des Erlösers bilden die geheimen Vorratskammern der göttlichen Liebe. Eine Unmenge von Gnaden wird Gott austeilen, weil die Welt am Ende der Zeiten ihrer bedarf. Diese Gnaden liegen in Gott geborgen. An euch ist es, dem göttlichen Zug zu folgen und sie den Menschen zuzuwenden.“
Ich will euch nicht länger damit ermüden. Aber es sind schöne und große Gedanken, die ich euch da ständig vortrage, und ich weiß gar nicht, wie oft sie mir darüber sprach.
Die Worte Leos XIII. Vor drei Jahren wiederholte ich diese Dinge in Gegenwart von Papst Leo XIII. Da verfiel der Hl. Vater in eine tiefe Sammlung, in der alles andere zu vergessen schien, und nach einem Schweigen, in dem sein ganzes Sein vernichtet, oder wenigstens auf diesen einzigen Punkt konzentriert zu sein schien, sagte er ganz in Gott versenkt: „Alles, was Sie in diesen Unternehmungen tun, will Gott, dass Sie es tun. Und alle jene, die mit Ihnen zusammengearbeitet haben, taten persönlich das, was Gott von ihnen wollte. Und Gott will auch das, was Sie jetzt in Angriff nehmen. Und Gott will es nicht nur von Ihnen, sondern von all Ihren Mitarbeitern. Was bleibt jetzt noch übrig, euch zu gewähren? Die Approbation der hl. katholischen, apostolischen und römischen Kirche? Ich, der Papst, gewähre sie euch, und was noch mehr ist, ich selbst sende euch aus. Gehen Sie nach Frankreich! Ihr werdet auch anderswo hingehen. Breitet eure Werke, ich liebe sie.“
„Seid Männer des Opfers. Wir brauchen Ordensleute bis zum Vergießen des Blutes (bis zum Martyrium). Dann wird der Papst mit euch sein, und ich werde selbst mit euch arbeiten.“ Und er ergriff noch einmal das Wort: „Verstehen Sie? Seid Männer des Opfers, großmütige Männer. Der Papst ist mit euch und arbeitet mit euch.“
Der Glaube an unsere Sendung. Ist die Sendung der Guten Mutter echt? Birgt sie einen wahren Kern? Nehmt die Kirchengeschichte zur Hand, lest sie durch von vorn bis hinten: Haben viele Ordensgründer aus dem Mund des Papstes ähnliche Worte vernommen wie wir? Unsere Rolle ist somit klar umrissen.
„Woher kommt es“, fragte mich der Hl. Vater, „dass Sie als Priester nicht ausführen wollten, was die Gute Mutter Ihnen auftrug?“ „Heiliger Vater, hätten meine Vorgesetzten, hätte mein Beichtvater mir im Geringsten dazu geraten, so wäre es auf der Stelle geschehen. Aber es kam ja von einer Frau…ich hegte Zweifel.“
Heute halte ich es für unmöglich, noch länger zu zweifeln, und ich erkläre vor Gott: wäre ich mit allen Freveltaten der Welt beladen, so erschiene ich beim Jüngsten Gericht weniger verwirrt vor Gott, als wenn ich dem nicht Glauben schenken würde, was die Gute Mutter mir gesagt hat. Die übrigen Fehler meines Lebens kann ich vertrauensvoll vor Gott hintragen, aber mangelnden Glauben an das, das vermöchte ich nicht.
Hier handelt es sich nicht um vorübergehende Eindrücke. Das beherrscht und prägt mein ganzes Leben. Ich hatte während 50 Jahren alle gewünschte Zeit, diese Dinge mit kühlem Kopf und aus genügender Entfernung zu beobachten, um mir darüber ein Urteil zu erlauben.
Und die Folgerung, die ihr daraus ziehen könnt: Fortfahren, in die Gute Mutter Vertrauen zu haben. Sie meint es gut mit euch. Euer derzeitiger Seelenzustand, euer Glaube, euer aufrichtiger und tiefer Wunsch, echte Ordensmänner zu werden, berechtigen euch, zu ihr wie zu einer Mutter zu gehen. Bei ihr findet ihr Hilfe. Ja, gehen wir zu ihr. Sie hat uns gesagt, wie wir beginnen sollen: sie wird uns auch verraten, wie wir fortfahren und beendigen müssen.