Exerzitienvorträge 1883

      

5. Vortrag: Der Geist der Oblaten.

„Der Geist ist es, der lebendig macht.“ (Joh 6,64). Der Geist ist es, aus dem eine Gesellschaft lebt und wirkt. Es ist notwendig, dass wir aus unserer eigenen Lebenskraft heraus leben. Früchte und Blüten sind gut, solange sie am Baum hängen. Entfernen sie sich davon auch nur ein wenig, so sterben sie ab und werden unnütz. Welches ist also unser Geist?

Die Rolle der religiösen Orden. Gott hat durch die Orden für die Bedürfnisse der Welt gesorgt.

Die Wüstenväter. In den ersten Jahrhunderten war der Feind das Heidentum und jene Sekte der Gnostiker, die die Sinnlichkeitslehre ausschwitzte. Gott schickte, wie er es später tat, keine richtigen Armeekorps zu ihrer Bekämpfung; das war nicht nötig, denn diese zusammenkrachenden Gebäude verfielen von selbst. Die abgetöteten Mönche, die Ordensleute mit ihren erschreckenden Bußwerken waren lebendiger Protest Gottes gegen diesen Sinnlichkeitskult: der hl. Simeon, der Säulensteher, die ersten Wüstenväter, die Mönche der Scete, der Thebais, von Oberägypten.

Der hl. Basilius und der hl. Benedikt. Dann wurde die Welt christlich. Heute, so sagt der hl. Augustinus, gibt es niemanden mehr, der Jesus mit dem Mund lästert, aber wieviele tun es in Werken. Diese christliche Welt erwachte eines Tages arianisch, häretisch.  Da schlossen sich die Ordensleute zusammen und stellten sich dem Kampf, so ein hl. Pachomius, und dann ein hl. Basilius und schliesslich der hl. Benedikt.

Der hl. Dominikus und der hl. Franziskus von Assisi.
Im 12. Jahrhundert tauchten die Manichäer auf. Da erweckt Gott zwei große religiöse Orden: Dominikus verkörperte die Wissenschaft, Franziskus die Armut. Und der Papst sah, dass diese zwei Männer die zwei Hauptpfeiler der Lateranbasilika stützen würden und gewährte ihnen ihre Bitte.

Der hl. Ignatius von Loyola. Später, als die Kirche herrscht und befiehlt, und man mit Recht singen konnte: Christus ist König, Christus ist Herr, da kommt Luther, um sie zu entthronen. Jetzt werden die Fürsten Herren der Kirche. Man zerstört, brennt nieder, plündert. Ein gewisser deutscher Fürst, dessen Familie heute noch regiert, schmückte seine Uniform und die seiner Truppen mit den Gold- und Silberlitzen von Priestergewändern. Man nennt sie heute die Brandenburger.
Gegen diese Diebe und Rebellen bedurfte es einer Armee. Der hl. Ignatius steht auf, er war Soldat und macht aus seiner Gesellschaft eine Truppe von Soldaten, die voranmarschiert mit dem Kriegsgeschrei: Zur größeren Ehre Gottes. Das war gut so: es war der rechte Augenblick und die Stunde des Kampfes.

Die Bedürfnisse unserer Zeit. Bedarf es auch heute des Kampfes? Gegen wen? Wir sind in die Zeiten des Evangeliums zurückgekehrt. Heute kann man keine Ruinen mehr aufrichten, keine Mauern mehr verteidigen. Der Sturm der französischen Revolution hat alles hinweg gefegt. Man muss neu aufbauen. Der Heiland selbst muss kommen und sein Werk in die Hand nehmen. Das sagte uns schon die Gute Mutter.
Der Geist der Oblaten besteht darin, eins mit Jesus Christus zu sein, besteht darin, das Evangelium den Seelen neu einzuprägen.

Das Kind. Man muss das Kind nehmen, es von der Welt trennen, es vor das Angesicht unseres Herrn stellen, ihm Liebe zu Ihm einflößen, es lehren, Ihn nachzuahmen. Jesus als Kind von Nazareth muss im Kind aufleben.

Die Familie. Die Familie von Nazareth muss unser Vorbild sein. Die meisten von euch haben vielleicht jenes Haus gesehen, das zurzeit in Loretto verehrt wird. Dorthin müssen wir die Familien führen. O, entstellt nicht meine Gedanken: überstürzt nichts, lasst dies vielmehr langsam in eure Herzen einfließen, ohne davon überhaupt zu sprechen. Übt Einfluss aus auf das Haupt der Familie, auf die Mutter, damit man, ohne Zwang auszuüben, mit Klugheit, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Berufs, zu diesem Leben der Bescheidenheit in Kleidung und Nahrung zurückkehre, zu diesem Leben des Fleißes und der Heiligkeit von Nazareth. Gewiss soll man nicht wie ein Wilder sich gebärden und die Unkultur predigen, aber man soll auch nicht zuviel Aufhebens machen von der Welt. Die Welt ist der Feind des Erlösers.

Die Politik. Möge Jesus auf diesem Gebiet unser Vorbild sein. Möge die Politik der Christen die sein, die mir eines Tages der Nuntius empfahl, der derzeitige Kardinal Czacki: Gott an seinen Platz setzen.

Die Zeitungen. Wenn ein Pfarrer in seiner Pfarrei oder ein Kaplan die Zeitung liest, dann ist es gut. Er soll auf dem Laufenden der Ereignisse bleiben. Auf meiner letzten Reise nach Belgien vor zwei Jahren, war ich in einer kleinen Pfarrei bei Lüttich. Der Pfarrer, der ein Heiliger war, sagte mir: „Sehen Sie, wie gut Gott ist. Ich bin gelähmt, man trägt mich zur Kirche, und den Stufen des Altares hab ich noch genug Kraft, um die hl. Messe zu lesen. Dann trägt man mich zurück. Ich habe einen tüchtigen Kaplan. Ich verbringe den Tag mit Gebet, und dann, fügt er lächelnd hinzu: Ich lese auch ein bisschen in meiner kleinen Zeitung.“ Seht welch eine Zartheit, und welch geringen Platz er seinem Blättchen einräumt!
Ein Ordensmann dagegen, was geht ihn die Politik und die Zeitung an? Lesen wir keine! Wir haben unser Direktorium und unsere Regel: das ist unsere Politik und unsere Zeitung. Lassen wir die Toten ihre Toten begraben.

Mutter Salesia und die Bücher. Ich spreche oft von der Guten Mutter, lebte ich doch 40 Jahre mit ihr. Oft sagte ich mir: „Alles, was Sie mir sagen, langweilt mich, nimmt mir meine Zeit weg und hindert mich an der Arbeit. Ein Priester muss doch Bücher lesen, und ich, ich öffne überhaupt kein Buch mehr.“ „Ach, antwortete sie, es kommt der Tag, wo Sie alles in d e m Buch finden werden.“ Und ich sah in der Tat ein, dass alles in dem Buch (im Direktorium) stand. Will man auf den Diamanten einwirken, ihn mit etwas vermengen, ihn zerlegen, was wird dann daraus? Kohle, schwarzer, wertloser Staub. Mischen wir darum Jesus nichts bei!