3. Vortrag: Buße
Wir haben die Größe der Schuld betrachtet, die wir der göttlichen Gerechtigkeit zu begleichen haben. Wie aber bezahlen? Durch die Buße.
Notwendigkeit, die Buße zu predigen.
Man spricht nicht gern von Buße und predigt nicht gern darüber, sondern zieht andere Themen vor. Selbst die Kanzelredner des „großen Jahrhunderts“ sprechen selten von ihr: sie scheinen dieses Thema lieber den Missionaren auf dem flachen Land überlassen zu wollen, und wagen anscheinend nicht, dieses Wort in den Städten auszusprechen. Dabei ist die Buße doch Grundlage und Kern des Christentums. „Wenn ihr keine Buße tut, werdet ihr alle gleicherweise zugrundegehen.“ (Luc 15,5).
Welche Buße müssen nun die Oblaten des hl. Franz von Sales tun?
Buße in Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus Christus. – Ich öffne das Evangelium: „Teilnehmen am Leiden Christi“ (1. Petr. 4,13). Haben wir gut diese Worte durch betrachtet? Ist es das Leiden, das das Geschöpf aus sich heraus leidet, oder nicht jenes, das Gott ihm schenkt?
Die Kreuze im Geist der Buße tragen.
Gott hat unseren Lebensweg mit Kreuzen übersät. Unsere Passion soll darin bestehen, diese Kreuze im Geist der Buße aufmerksam aufzulesen. Betrachtet Jesus Christus, unser Vorbild. Hat er während seiner 33 Jahre seinen Leib zerrissen, gefastet, Ungewöhnliches gelitten? Er fastete wohl 40 Tage lang, suchte aber keine außerordentlichen Bußübungen. Unser Vater Franz von Sales ist in den Augen der Welt gleichbedeutend mit Sanftmut ohne Bußhärte, nicht aber mit Sanftmut ohne Bußgeist. Nein, er sammelte vielmehr aufmerksam die kleinen Kreuze, eins nach dem anderen.
Tun wir das gleiche!
Die Krankheiten.
An erster Stelle stehen die Schmerzen, Leiden und Krankheiten. Wieviel Schätze gibt es da aufzuhäufen! Die Mühsale des Leibes wie der Seele, welch ein Segen! Ich verehrte zu Autun die Reliquien des hl. Lazarus, des Freundes unseres Herrn, jene Gebeine, denen Gott Unsterblichkeit verlieh, da sie so frisch und neu aussehen, als wären sie erst einige Jahre alt. Die Ärzte stellten fest, es seien Gebeine eines schwächlichen und kränklichen Mannes. „Lazarus aber lag matt und kraftlos in Bethanien darnieder!“ (Joh. 11,1). Die Kranken sind die Freunde des Heilands, und die Leiden die Beweise seiner Freundschaft. Was wäre da an Schätzen zu gewinnen! Wir dürfen sie nicht vergeuden. Man geht ihrer aber verlustig, wenn man sie nicht im übernatürlichen Licht betrachtet. Es sind heilige Dinge, schaut sie also nicht mit weltlichen Augen an: das ist die Arche Gottes, berührt sie nicht mit der Hand! Sonst würdet ihr sterben, oder vielmehr: sonst werden sie sterben. Nicht ihr, nicht diese Leiden, sondern die Schätze, die ihr daraus ernten könntet, wären tot, und wenn der Priester bei der Lossprechung die Hand erhöbe und sagte: „Alle Mühsale, die ihr erduldet habt, mögen euch zur Vergebung eurer Sünden, zur Vermehrung der Gnaden und zum Lohne des ewigen Lebens dienen“, würde das das Verdienst dieser Mühsale nicht wieder aufleben lassen. Ihr habt die Hand gegen diese Leiden erhoben, alles ist tot.
Die außerordentlichen Bußen.
„Ich fühle mich wohl, ich spüre in mir eine übersprudelnde Vitalität, die den Stachel des Fleisches erregt.“ Wenn ihr es für nötig haltet, bittet euren Seelenführer oder Novizenmeister um die Erlaubnis, körperliche Bußwerke anzuwenden, euch jenen Peitschenhieb zu verabreichen, der das Fleisch gefügig macht. „Ich ersetze an meinem Fleisch, was ihm noch abgeht von den Leiden Christi“ (Col. 1,24).
Die Regeltreue.
Wenn ich aber am Leib noch an der Seele leide, bin ich also kein Freund des Heilands? Wie dann Buße tun? Nun, dann legt euch die Buße eines genauen Gehorsams auf, die treue Befolgung eurer Regel, einen oder zwei Tage der Treue in der Woche. Das ist eine große und fruchtbare Buße. – übrigens eine, zu der wir verpflichtet sind. Die Beschwerden des Greisenalters in den religiösen Orden bieten oft ein trauriges Schauspiel, sind sozusagen hartnäckig hinter den letzten Tagen dieser Ordensleute her und lassen sie wieder gutmachen, was sie während ihres Lebens zu sühnen vernachlässigt haben.
Seine Barmherzigkeit reserviert ihnen einen Vorzugsplatz im Himmel und will ihnen das Fegefeuer abkürzen.
Mutter Maria Salesia und die Buße.
Seht nur, welche Buße die Gute Mutter geübt hat! Fastete sie? Nein. Schlief sie auf dem harten Boden? Nein. Trug sie einen Bußgürtel? Auch nicht. Was tat sie dann? Erstens war sie immer krank… Sodann, welch ein Leben des Gehorsams sie führte! Unterwerfung des Urteils all jenen gegenüber, die sie herumkommandierten, selbst den Unwürdigsten, jenem, der gerade zu euch spricht… Als sie in ihrer letzten Krankheit sich vom Tode gezeichnet fühlte und sich nicht mehr erheben sollte, fragte ich sie: „Meine gute Mutter, sagen Sie uns, was wir zu Ihrer Erleichterung tun können?“ Ihre Antwort: „Unsere Schwestern sind da, um sich doch darum zu kümmern.“ Was für ein Wort? Welche Nächstenliebe sie doch verzehrte! Nie ein Tadel gegen irgendjemand, nicht einmal gegen ein Mitglied ihrer eigenen Kommunität! …Machen wir es wie sie! Sammeln wir all die kleinen Kreuze, die auf unserem Weg liegen.
Werfen wir sie in das bittere Wasser der Quelle Mara (Ex. 15,23), um unsere letzten Tage zu erleichtern und unsere Zukunft zu sichern.
Der hl. Franz von Sales.
Als er auf dem Sterbebett lag, sagte er: „Ich habe wenig geleistet. Könnte ich aber von vorne beginnen, würde ich überhaupt nichts tun…“ Was heißt das? Dass er sich bemühen würde, sich selbst und seinem Eigenwillen mehr und mehr zu sterben, um Gott umso mehr handeln zu lassen, und alles aus Seiner Hand anzunehmen: Ist das nicht die beste und vollkommenste Buße?