Exerzitienvorträge 1882

      

5. Vortrag.  Die Armut.

Wir sollten stets eine vollkommene Armut üben!

Armut in unseren Wohnungen. – Da sei alles einfach, und immer sollte etwas abgehen. Das ist von großer Wichtigkeit und bezieht sich auf alles, was ich euch jetzt sagen möchte. Jawohl, immer uns etwas fehlen; das ist der Anteil Gottes. An dem Tag, wo uns nichts mehr abgeht, drängt sich der Teufel ein und zerstört die Genossenschaft!

Kleidung. – Da sollten wir alles Nötige haben; sorgen wir für die Bedürfnisse der Gesundheit. Wir sollten und warm kleiden, wenn es nötig ist. Vor allem sei unsere Kleidung sehr sauber. Unreinheit wäre ein Fehler, dessen wir uns anklagen müssten, wenn wir verschlissene und schmutzige Kleider trügen.

Das Zimmer. – Das Notwendige sollen wir haben. Sollte aber auch hier etwas fehlen, ein Stuhl wackeln, fühlen wir uns dann glücklich! Wenn ein Regal nicht ganz eben, etwas schief ist, seien wir glücklich. Das ist der Anteil Gottes.

Die Bücher. – Für den Unterricht brauchen wir die nötigen Bücher. Einige fehlen uns aber. Sind sie wirklich unentbehrlich? Ihr seid Arme. Sollte einem Armen denn nichts abgehen?

Die Nahrung. – Vergesst nie die Abtötung bei Tisch! Sie erstreckte sich nicht auf eine große Quantität, sondern nur auf ein Mundvoll, eine Bagatelle. Fügt immer Wasser eurem Wein bei. – Seid ihr auswärts eingeladen – was nicht häufig geschehen wird – wird man euch besonderen Wein servieren. Macht euch dann nicht lächerlich, indem ihr Wasser zugießt. Aber tötet euch dennoch ein bisschen anderweitig ab.

Die Armut zieht uns Sympathie zu. Wollt ihr geliebt werden, dann übt die Armut. Kein Orden wurde von den Menschen mehr geliebt als der Bettelorden. Die Armut zieht das Wohlwollen unseres Herrn auf uns herab. – Das Haus zu Nazareth war arm. Dort gab es nur das unbedingt Notwendige. Tritt man ins Haus von Loretto ein, so spürt man die Tränen in die Augen steigen. Wäre es reich, würde man dann weinen? Nein; seid also arm, wenn ihr wollt, dass unser Herr bei euch eintritt, wie er einst bei Maria und Martha zu Gast weilte.

Wenn ihr arm seid, sagt der hl. Bernhard, dann wird euch Gott alles schicken, auch was ihr für eure Seelsorgswerke braucht. Gott wird euch nicht fehlen, wenn ihr unserem Herrn Asyl gewährt habt durch euer Armsein bei allem, was ihr tut.