Exerzitienvorträge 1881

      

3. Vortrag: Fasten oder Bußetun

Unter Fasten müssen wir alle Arten von leiblichen und seelischen Abtötungen verstehen.

Notwendigkeit der Buße. – Sich abtöten und büßen ist notwendig. Jeder prüfe seine Kräfte, ebenso den Gehorsam. Sicherlich ist es nicht mehr möglich, so strenge Bußübungen vorzunehmen wie früher, wegen der allgemeinen Schwäche der Konstitution wie der verminderten Kräfte. Der Hl. Vater wollte deshalb auch nicht die ursprüngliche Lebensweise der Patres von Pierre-qui-Vire billigen (Benediktinerkloster bei Troyes) weil er sie zu rigoros fand. Buße aber ist nötig. Zahlreiche Texte der Hl. Schrift lehren sie, und unser Herr hat die Welt durch Leiden erlöst; die Heiligen aber haben gelitten, um unserem Herrn zu helfen, die Früchte der Erlösung wirksam werden zu lassen. Die Abtötung allein erlangt die Gabe der Wunder.

Körperliche Bußübungen. – Sprechen wir erst von diesen. Es gibt 3 Arten: Die Bußübungen der Vorsehung: Vortreffliche Abtötungen sind das, die nicht wir selber auserwählen, sondern Gott, wie z.B. Krankheiten, zufällige Leiden. Sie sind Teil des Plans der Vorsehung. Sammeln wir sorgfältig diese Abtötungen, und lassen wir keine verloren gehen, nicht das kleinste Teilchen. Es sind kostbare Perlen, ein vortreffliches Mittel zu Verdiensten.

Ich bitte euch, gebt gut darauf acht. Es sind z.B. die kleinen körperlichen Krankheiten. All das bildet einen ungeheuren Schatz für die Seele, die im Stand der Gnade ist, auch wenn sie nicht sehr gut die Last dieser Prüfung annehmen will; wie viel mehr, wenn sie es mit Liebe trägt. Unser Herr liebte Lazarus sehr. Nun, „Lazarus war krank“, (Joh. 11,2). Besucht man in Autun die Gebeine des Freundes Jesu, so erkennt man die Reliquien eines kleinen Männchens, schwächlich, immer leidend. Und seht, wie sehr ihm unser Herr zugetan war.

Dann gibt es an 2. Stelle die freiwilligen Bußübungen. Wir müssen uns selber solche auferlegen. Die Ordensregel schreibt keine körperlichen Abtötungen vor, weil wir ja arbeiten sollen, und derlei Abtötungen würden sich nicht eignen für mühevolle Beschäftigungen. An uns ist es zu sehen, was wir tun können, was der Hl. Geist uns eingibt und was der Gehorsam uns erlaubt. Die Hl. Schrift aber mahnt an mehr als einer Stelle, dass wir uns abtöten sollen. „Immer tragen wir die Abtötung Jesu an unserem Körper mit uns herum.“ Die Gesundheit des hl. Franz von Sales verlangte Schonung. Er litt ständig, obwohl er ganz gesund schien, wie er einem Freund anvertraute. Und dennoch legte er sich große Abtötungen auf, er schlief auf dem harten Boden. Berauben wir uns wenigstens jener Menge von Bagatellen, die für die Gesundheit nicht erforderlich sind.

Dann gibt es die Bußen unseres Standes, die Abtötungen, die von unserem Amt herrühren. Diese sind sehr wertvoll, es sind die besten von allen. Sie sind das Kernstück unseres Bußlebens. Nie würden die Abtötungen der Vorsehung oder unsere freiwilligen so mächtig wirken wie jene, die wir infolge unseres Amtes zu ertragen haben, denn diese bilden sozusagen die Grundmauern unseres Gebäudes.

Eine gut vollbrachte Aufsicht, wenn wir schläfrig sind, eine gut vorbereitete Unterrichtsstunde, wenn wir Ekel davor empfinden, Gott allein weiß, welchen Lohn er solchen Überlegungen zuteilen wird. Er allein weiß, welche Kraft der Heiligung sie enthalten, für unsere eigenen Seelen nicht weniger wie für die Schüler, für die wir uns da überwinden.

Geistige Abtötungen. – Die inneren Abtötungen machen uns unserem Herrn ähnlich. In der Tat hat unser Herr an seinem Leib ungeheure Schmerzen ertragen, und der hl. Thomas versichert, nie habe jemand so viel gelitten wie er. Doch litt er nicht weniger im Innern seiner Seele. Er litt in seinem Willen: „Nicht mein Wille geschehe, sondern der Deine.“ Er litt unter der Verlassenheit von seinem Vater: „Gott, mein Gott. Warum hast Du mich verlassen?“ Innere Abtötungen lassen uns an seinem Schmerz teilnehmen. Es gibt deren 2:

1. Abtötungen des eigenen Urteils. – Glauben wir nicht, die Unterwerfung unseres Urteils unter einen höheren Willen sei ein unvernünftiger Akt, ganz im Gegenteil. Es ist ein Akt höchster Weisheit. Unser Herr hat versprochen, wenn zwei oder drei sich einig sind, um etwas zu erbitten, sei er mitten unter ihnen. Unwichtig wer, unwichtig, wofür man bittet. „Ich sage euch, wenn zwei aus euch sich zusammentun auf Erden, dann wird ihnen zuteil, worum sie bitten… Ich bin mitten unter ihnen.“

Welche Worte! Meine Herren, wir müssen ans Evangelium glauben! Ihr verneigt euch bei den Worten: „Das ist mein Leib!“ Aber sind nicht sämtliche Worte unseres Herrn Wahrheit? Ich bitte euch, nehmen wir doch das ganze Evangelium an! Schaut um euch, alles stürzt zusammen, es gibt keine Einigkeit mehr, selbst unter den Christen nicht! … Aber eure Meinung ist vielleicht die bessere? Macht nichts. Hört und glaubt an das Wort unseres Herrn. Ihr seid drei oder vier. Darf es dann da nicht vier verschiedene Ansichten geben? Nein! Drei sollten nachgeben und ihr Urteil abtöten.

Jawohl, dann ist der Herr unter euch.
Die Gute Mutter verleugnete bei allen Gelegenheiten ihr eigenes Urteil, und in der Tat, wenn sie auf irgendeinem Gebiet sich auszeichnete, so war es auf dem des guten Urteils. Der Beweis, dass sie von allen Seiten, von Bischöfen und hohen Persönlichkeiten um Rat angegangen wurde. Nun, wie war sie glücklich, wenn etwas geschah im Widerspruch zu ihrem Urteil.

2. Abtötung des Charakters. – Jeder hat seinen Charakter, und wenn mehrere zusammenwohnen, stoßen auch die Charaktere aufeinander, und die Stoßstellen sind immer schmerzhaft. Und doch gilt es, sich gerade hier zu opfern, denn daraus resultiert eine wunderbare Harmonie, wie es der hl. Franz von Sales durch einen packenden Vergleich erklärt:

Der Salat. Seht da, sagt er, das Salz, den Pfeffer, das Öl, den Essig und den Salat. Ihre Eigenschaften sind sehr verschieden. Nehmt getrennt jeden dieser Bestandteile: Salz ist unverträglich, Pfeffer brennend, Öl fade und fett, der Essig hat seinen Namen von seiner Bitterkeit, und wer möchte den Kopfsalat allein essen? Und doch ergibt die Vereinigung dieser Substanzen und die Vermischung besonders ihrer Eigenschaften ein angenehmes Ganzes. So ist es auch mit der Verschmelzung unserer verschiedenen Temperamente. Der eine hat etwas Raues an sich, der andere etwas Gütiges, zu viel Honig. Lassen wir beides zusammenkommen, sich ausgleichen… Bringen wir Opfer, vor allem in der Freizeit, in der Unterhaltung. So vereinigen wir uns mit Gott und der Gemeinschaft, deren Mittelpunkt Gott ist.

Erlöser zusammen mit Jesus Christus. – Bitten wir unseren Herrn um die Gnade, ihn zu verstehen, nachzuahmen und sein Werk zu vollbringen. Er hat leiden wollen, mehr als irgendein Mensch leiden konnte oder können wird, und wurde dadurch unser Erlöser. Möge er durch das Kreuz, das wir, gleichsam als kleine Erlöser, innerlich und äußerlich spüren und umarmen, auf unsere Schüler die Gnaden des Kreuzes Christi fließen lassen.

Der echte Priester, der wahre Ordensmann betet und fastet.

Noch einmal, diese Art Teufel wird nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben. Und wenn schon jeder Christ dies zu tun hat, wieviel mehr jeder Priester und Ordensmann und wir Oblaten. Seien wir heilige Priester. Man nennt das Sakrament, das die Priesterweihe verleiht, „Ordo“, d.h. wörtlich: Sakrament der Ordnung. Was ist Ordnung? Gott ist die unveränderliche und wesentliche Ordnung… Der Priester selbst soll teilnehmen an dieser Ordnung, soll irgendwie selber Ordnung sein. Seien wir also keine Priester, von denen der Prophet sagt, als er die letzten Zeiten ankündigt: Der Priester wird wie das Volk sein, d.h. sündhaft wie das Volk und darum gezüchtigt wie das Volk. Und ohne Böses von einem Priester sagen zu wollen, - trifft das nicht ein bisschen auf unsere Zeit? Wo auf der Welt finden wir noch einen Glaubensgeist? Man politisiert, vertieft sich in die Zeitungslektüre. Handeln nicht auch viele Priester so, fast ohne es zu merken? Wo ist bei ihnen jener Glaubensgeist, der alles aus übernatürlicher Sicht beurteilt? Denken sie wirklich an unseren Herrn? Lieben sie ihn tatsächlich?