11. Vortrag: Über die Heilige Kommunion
Samstag Vormittag, 13. September 1879
Während dieser Exerzitien sprach ich zu euch über die Pflichten des Ordenslebens. In den Vorträgen die ich euch hielt, unterhielten wir uns über verschiedene sehr wichtige Punkte: die Betrachtung, die Arbeit, das Stillschweigen, die Abtötung und schließlich die fromme Haltung. Ich ende heute mit dem, was der heilige Franz von Sales die Sonne des Ordenslebens nennt, mit der heiligen Kommunion, zu der all unser Tun der Treue, unser ganzes Bemühen, all unsere Kämpfe auf Erden hinneigen müssen. Die Heilige Kommunion ist das Paradies, die Belohnung der Treue zu den Übungen des geistlichen Lebens. Der liebe Gott teilt sich uns durch dieses göttliche Sakrament mit und gibt uns so unsere Belohnung schon auf Erden. Deshalb umgibt die heilige Kirche die Vorbereitung auf die Heilige Kommunion mit so vielen Akten und Aufmerksamkeit.
Ich muss euch zu diesem Thema etwas Besonderes sagen. Es wäre mein besonderer Wunsch, dass man oft, ja sogar jeden Tag die Kommunion empfängt. Habt ein sehr zartes Gewissen für die Vorbereitung auf die Heilige Kommunion. Ohne Vorbereitung die Kommunion empfangen, wäre sehr traurig für eine Nonne. Geht nicht aus Gewohnheit zum Heiligen Tisch. Man darf den lieben Gott nicht wie jemanden behandeln, den man weder schätzen noch lieben würde.
Die Theologen sagen, um zur Heiligen Kommunion zu gehen, genüge es, kein Hindernis durch schwere Sünden mitzubringen. Aber das soll eurem Herzen nicht genügen. Ihr empfangt oft die Kommunion und ich selbst bin glücklich, Jesus voll Liebe auf eure Lippen zu legen … aber bereitet euch fromm darauf vor, versucht euch möglichst wenig unwürdig dafür zu machen. Ich bin nicht dafür, die Zahl eurer Kommunionen einzuschränken, ich möchte euch vielmehr unseren Herrn täglich geben, wie es das heilige Konzil von Trient wünscht. Es möge sich also jede von euch bemühen, sich dafür würdig zu machen. Sie möge sich im Vorhinein darauf vorbereiten, wie es das Geistliche Direktorium angibt. Ihr werdet am Vorabend bei der Abendübung daran denken. Ihr werdet an das Glück denken, das ihr haben werdet, die Kommunion zu empfangen. Sagte dem lieben Gott, er möge durch seine Gnade schon in euch kommen, um euch selbst imstande zu machen, ihn zu empfangen. Denkt daran noch am Abend vor dem Einschlafen, wenn ihr in der Nacht aufwacht und gleich in der Früh, macht Akte der Reue, der Liebe, des Verlangens; dann werdet ihr euch angemessen unserem Herrn nähern.
Wenn ihr ihn dann empfangen habt, macht eure Danksagung. Man kann einige Augenblicke verweilen, ohne etwas zu sagen. Wenn ihr da bei ihm seid in einer Stille der Anbetung und der Liebe, ist es sehr gut, bleibt dort, wendet alle Zuneigung auf ihn. Müsst ihr euch den Kopf zerbrechen, um Überlegungen anzustellen und Vorsätze zu fassen? O nein, Jesus ist da, bleibt und sagt ihm: „Herr, ich schenke mich dir, verlass mich nicht, bleibe bei mir!“ Ist euer Herz trocken, habt ihr Angst, empfangt ihr die Kommunion nur, weil man es euch sagt … Haltet euch sehr klein bei ihm, er ist da in eurem Herzen! Wenn er auf dem Altar ausgesetzt wäre, würdet ihr ihn anbeten, doch er wäre dort für jedermann, und in eure Herzen ist er nur für euch allein! Betet ihn also selbst in der Dürre, in der Stille eures Herzens an. Sagt ihm: „Mein Gott, ich sehe dich nicht. Meine Schwäche verbirgt dich den Augen meiner Seele. Aber Herr, der Tag wird kommen, an dem du mir dein Licht zeigen wirst, an dem du mich wirst fühlen lassen, was du meinem Herzen bist. Dein Reich komme!“
Also meine Kinder, ob ihr in der Süße, der Freude, der Tröstung oder in der Trockenheit seid, handelt so. Habt ihr Schwierigkeiten, Ärger, Elend? Sagt es unserem Herrn. Maria, zu Füßen des göttlichen Meisters, vertraute ihm ihre Nöte an. Sagt ihm eure: „O Jesus, du bist in mir, gib mir, was ich brauche, um diese Schwierigkeit während des Tages zu bezwingen.“ Ihr seht es, Jesus gehört euch unter allen Umständen. Ihr braucht nur eines zu tun, mit ihm während der Danksagung sehr liebevoll vereint zu sein. Habt ihr für diese oder jener Person um etwas zu bitten? Sprecht darüber mit unserem Herrn, nützt diesen Augenblick, klopft an die Tür, tretet bei euch ein. Ihr müsst niemand um Erlaubnis bitten, ihr seid zu Hause. Jesus ist bei euch, er ist in euch. O, nützt es also gut!
Tagsüber erinnern wir uns, dass durch seine Gnade in uns unser Herr ist, dass er bei uns wie in Betanien bleibt. Mit ihm leiden wir, arbeiten wir, unterrichten wir die Kinder. Ich bin nicht erstaunt, dass sich die Seele, die Gott liebt, die Heilige Kommunion wünscht. Es ist gut, ihn zu empfangen, ihn bei sich zu haben, nicht nur am Morgen, sondern am Tag, am Abend und immer. „O Jesus, du bist in meinem Herzen, verlass mich nicht!“
Meine Kinder, geht nicht zu Jesus mit Zerstreuung, mit einem zerstreuten Geist, mit abschweifenden Gedanken. Behandelt ihn nicht so; so behandelt auch er euch nicht. Kommt zu ihm mit aller Liebe, aller Achtung, zu der ihr fähig seid. Bittet ihn, bei euch zu bleiben und leistet ihm Gesellschaft. Handelt so, dass ihr am Abend nicht ohne ihn einschlaft. Da ihr die Kommunion nicht mehrmals am Tag empfangen könnt, macht oft die geistige Kommunion. Nährt euch mit der Gegenwart unseres Herrn: „O Jesus, heute Morgen bist du in mich gekommen, verlass mich nicht! O mein Gott, ich vereine mich mit dir, als hätte ich dich soeben empfangen. Schenke mir all deine Gnaden, damit ich mich nicht von dir trenne.“
Habt den starken Wunsch, die Kommunion zu empfangen, eine tiefe Liebe zu unserem Herrn, und dann werden eure Kommunionen beglückend und nützlich sein. Ihr werdet die Kommunion nicht empfangen – was leider nur zu oft vorkommt – monatelang, jahrelang, ohne einen Schritt voranzukommen. Mein Gott, wie geschieht das? Die Engel im Himmel kommen ständig in der Liebe und der Gotteserkenntnis voran, die selige Seele macht immer Fortschritte. Sie bleibt nie im selben Zustand, sie erhebt sich mehr und mehr in das göttliche Licht. Der Himmel ist der aufsteigende Gang, die Heilige Schrift sagt es uns: Wir wachsen von Licht zu Licht. Das Glück Gottes wird unseres sein, weil wir nur noch eins mit ihm sein werden. Wie geschieht es nun, dass wir von der Heiligen Kommunion genährt, trotzdem nicht mehr vorankommen? Weil wir beim Empfang der Kommunion zu lau sind. Meine Kinder, ihr werdet euch gut merken, was ich euch gleich sage. Ich lege großen Wert darauf. Wir dürfen dem lieben Gott nicht die Beleidigung zufügen, ihm etwas zu verweigern. Es ist ihm unmöglich, obwohl er gang Gott ist, uns mehr zu geben, als er uns in der Heiligen Kommunion gibt. Möchten wir Anbetende mit ihm sein? …
Das sind sehr ernste Dinge, die eure ganze Aufmerksamkeit verlangen, und ich bitte Jesus, der in eurem Herzen ist, sie euch verstehen zu lassen. Möge Jesus der Freund eurer Seele sein, das Wesen eures Wesens, das Sein eures Seins. Diejenigen, die die Wonnen deines Tabernakels verstehen, o Jesus, die deine Liebe zum Heiligen Sakrament verstehen, sind erwählt, ausgesucht und vorbestimmt, denn es ist unmöglich, dass diejenigen, die dich so gesehen, geliebt und verstanden haben, nicht dazu bestimmt sind, dich im Himmel zu sehen, zu lieben und zu verstehen und an diesem göttlichen Leben teilzunehmen, das sich den Seelen mitteilen wird, die sich auf Erden mit euch vereint haben werden, und die schon das Leben in Jesus Christus in der Heiligen Kommunion empfangen haben werden. „In Wahrheit werde ich bei ihr sein, mein Leben wird ihr Leben sein, ich werde sie in der Ewigkeit auferwecken, und ebenso wie ich in meinem Vater lebe, wird sie in mir leben, und das für immer.“ Amen.
Gott sei gebenedeit.