15. Vortrag: Danksagungsmesse: Mittel, die Gnade der Exerzitien zu bewahren
Donnerstag, 9. September 1886
Meine Kinder, nun sind die Exerzitien ganz beendet. Es ist nun der Augenblick, ihre Erinnerung in euren Gedanken gut gegenwärtig zu behalten, damit die Änderung der Gewohnheiten, die Änderung des Lebens, die notwendig aus diesen Tagen der Zusammenkunft folgt, eure Gedanken und guten Eindrücke sowie eure Vorsätze nicht wie ein Wildbach mitreißt. Es ist also äußerst notwendig, dass ihr gut über euch wacht, damit sich Zerstreuung und Ablenkung nicht eurer Seele bemächtigen, aus Angst, ein austrocknender Wind könnte euren guten Willen verwehen und die kleinen Blumen eurer guten Vorsätze verdorren lassen.
Heute und morgen werdet ihr also besonders darauf achten, das Geistliche Direktorium genau auszuführen bezüglich der Hauptverpflichtungen wie die Ausrichtung der Intention, die Gedanken an den Tod, das Streben nach Vollkommenheit. Ihr werdet dabei umso getreuer sein, als mehrere von euch, sogar sehr viele, aus verschiedenen Gründen zerstreut sein werden. Ihr werdet euch gut an die Heilige Kommunion von heute früh erinnern, damit ihr, da ihr den lieben Gott hier in dieser Kapelle empfangen habt, ihn nicht in derselben Kapelle lasst, sondern ihn überallhin mitnehmt und ihn bei euch habt, wenn ihr von Krankheit befallen werdet, wenn eine Heimsuchung fühlbar wird, wenn die Arbeit mühsam und ermüdend sein wird. Nun werden wir mit dem Heiland arbeiten und den Versuchungen des Teufels widerstehen, der uns zerstreuen, ablenken und unsere Zeit vergeuden will. Die Gute Mutte Marie de Sales Chappuis sagte, dass der Teufel immer zufrieden ist, wenn er uns mit etwas anderem als dem lieben Gott beschäftigt. Tatsächlich, wenn er uns veranlasst, Zeit zu verlieren, und die Versuchung kommt, unterliegen wir leichter, weil wir weniger mit Gott sind.
Unser Leben ist ein Leben tiefer Sammlung, großer Einheit mit unserem Herrn und Unterwerfung unseres ganzen Seins. Man darf es nicht vergessen. Wir müssen sogleich auf diese Art zu leben eingehen. Gehört ganz dem lieben Gott!
Ich empfehle die Übung des Geistlichen Direktoriums, die Vorbereitung auf die Heilige Kommunion. Man merke sich seine Exerzitienvorsätze, damit sie nicht in Rauch aufgehen, damit sie nicht wie ein Blatt sind, das der Wind fortträgt. Es ist eine große Gnade, diese Exerzitien zu machen. Möge jede nichts von dem verlieren, das ihr gegeben wurde, von dem, das sie innerlich empfangen hat.
Ich heiße unsere neuen Mitschwestern willkommen. Mögen sie in die Gemeinschaft mit einem großen Eifer, mit einer großmütigen Glut für das Gute und mit der Bereitschaft, alles dem Heiland zu schenken, eintreten. Mögen sie ihm viel guten Willen bringen, nicht mit sich selbst, sondern mit der Beobachtung der Ordensregeln und dem Geistlichen Direktorium zu sein. So seien sie also unter uns willkommen. Beten wir für sie, damit Gott sie liebt und sie stets glücklich sind. Das Mittel ist ständige Treue, weil der liebe Gott seinem Versprechen treu ist. Er kann sich weder irren noch uns täuschen. Er fehlt uns nie, glaubt an meine schon alte Erfahrung. Jedes Mal, wenn ihr treu sein werdet, wird euch nichts erschüttern können. Die vom Sturm gepeitschten Fluten, die Gewitter der Leidenschaft werden euch nicht umwerfen. Gott wohnt in euch, um euch Trost, Kraft und Freude zu sein.
Ich empfehle denen, die Beziehungen mit der Welt haben, denen, die sich mit den Kindern beschäftigen, in sich den inneren Heiligen Geist gut zu pflegen, den Hauch der Gnade des lieben Gottes, den Duft der Heiligen Kommunion in sich nicht verflüchtigen zu lassen. Verschließt eure Seele gut vor den Zerstreuungen, die aus dem Umfeld kommen, wo ihr eure Beschäftigungen habt. Ihr werdet dem Nächsten umso nützlicher, umso erbauender sein als man den lieben Gott in euch fühlen wird. Wenn man ihn nicht fühlt, wird man nichts fühlen, werdet ihr nichts geben. Ihr könnt nicht die Dinge der Welt geben, ihr habt sie nicht. Was werdet ihr geben? Was wird man bekommen, wenn ihr nicht die Dinge Gottes gebt? Die Leute, die um euch herum sein werden, werden nichts bekommen. Wenn in eurer Beschäftigung etwas nicht geht, wenn euch nicht gelingt, was ihr macht, stellt euch diese Frage: „Bin ich dem lieben Gott, dem Geistlichen Direktorium gut treu?“ Hört die Antwort, die euch euer Gewissen geben wird und kehrt zur Treue zurück. Ich verspreche euch, dass dan vieles gut gehen wird.
Macht es euch zur Gewohnheit, meine Kinder, mit dem lieben Gott vereint zu sein. Ihr werdet nicht viel sagen müssen, man wird ihn in euch fühlen, ihr werdet ihn schenken, ihr werdet ihn durch den Atem eurer Brust, durch euren Blick, durch eure Seinsweise mitteilen. Einer meiner Freunde aus dem Großen Seminar sagte mir eines Tages, dass, wenn er den Glauben behalten habe, er es einem unserer Professoren, dem hochwürdigen Herrn Fournerot, verdanke, der überall wie ein Heiliger verehrt wurde. Mein Freund erzählte mir Folgendes: „Ebenso wie meine Mitschüler liebte und verehrte ich den hochwürdigen Herrn Fournerot wegen der Heiligkeit seines Lebens. Eines Tages sagte er mir, ich möge zu ihm in den Garten kommen. Ganz glücklich begab ich mich hin und ging mit ihm ungefähr eine Viertelstunde spazieren, ohne dass er mir etwas anderes als einige unbedeutende Worte wie diese sagte: ‚Wir haben ein schönes Wetter … hier ist es gut sein …‘ Doch ich behielt von diesen Augenblicken einen Eindruck, der nie erlosch. Als später die Versuchungen kamen, als ich mich in schwierigen Augenblicken befand, stützte mich immer der Gedanke, dass ich einen Heiligen gekannt und er mit mir gesprochen hatte.“
Versteht also gut, meine Kinder, was ihr durch eure persönliche Heiligkeit machen könnt. Ihr werdet mir sagen: „Es ist zu schwer, heilig zu sein.“ Nein, es ist nicht schwer. Die Heiligkeit muss ein Wesenselement einer Nonne sein. Sie muss darin leben, wie der Fisch im Wasser, nicht in einem schlammigen Wasser, sondern in einem lebendigen Wasser, das aus einer reinen und klaren Quelle fließt. Sicher ist es das vollkommene Glück, das Leben einer Oblatin zu leben. Nicht glücklich sind die, die dieses Glück nicht fühlen, die das Geistliche Direktorium nicht üben, die innerlich nicht gesammelt sind. Versteht das gut.
Noch einmal, ich heiße unsere Mitschwestern von gestern willkommen. Ich bitten für sie um die Beständigkeit, die Kraft und den Großmut, die sie brauchen werden, um dem lieben Gott zu dienen. Sie müssen die Namen, die ich ihnen gab, mögen, weil sie den Charakter der Aufgabe mitbringen, die zu erfüllen sie berufen sind, und indem sie ihre Namen lieben, werden sie auch ihre Berufung, ihre Oberinnen, ihre Gefährtinnen lieben. Möge die Gemeinschaft nur ein Herz und eine Seele bilden, und dass der liebe Gott dieses Herz und diese Seele lieben und gerne betrachten möge. O meine Kinder, seid vom lieben Gott geliebt und gesegnet, und möge euch dieser Segen eine Gnade für Ausdauer und Treue sein. Erbittet sie vom göttlichen Meister aus ganzem Herzen, und er wird euch erhören. Amen.
Gott sei gebenedeit.