Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1882

      

12. Vortrag: Über die Heilige Kommunion

Samstag Abend, 9. September 1882

Meine Kinder, der heilige Franz von Sales sagt, dass die Heilige Kommunion die Sonne der geistlichen Übungen ist. Ebenso wie die Sonne die Planeten anzieht, sie erwärmt und ihnen Leben schenkt, müssen alle unsere Übungen zur Heiligen Kommunion streben und sozusagen von ihr belebt werden.
Alles, was wir in unserem geistlichen Leben und vor allem in unserem Ordensleben machen, muss das Ziel haben, uns auf die Heilige Kommunion vorzubereiten. Wenn wir beichten, so um gut zu kommunizieren, wenn wir die Sünde vermeiden, wenn wir beten, wenn wir Betrachtung machen, wenn wir den lieben Gott in uns rufen, so geschieht es, um uns besser darauf vorzubereiten, ihn zu empfangen. Wenn wir die Übungen der Exerzitien machen, geschieht dies wiederum, um uns darauf vorzubereiten, gut zu kommunizieren.
Wenn die Heilige Kommunion die Sonne unserer geistlichen Übungen ist, müssen wir oft daran denken, uns darauf vorzubereiten. Die Ordensregel will, dass wir am Vorabend daran denken, und dass wir am Tag, an dem wir unseren Herrn empfangen haben, in seiner Gesellschaft, seiner Vertrautheit leben. Wir müssen uns gut auf dieses erhabene Sakrament vorbereiten und es mit ganz besonderer Sorgfalt bewahren, damit unser Herz eine lebende Monstranz ist, wo unser Herr bleibt, wo er durch seine substanzielle Gegenwart und auch durch seine Gnade herrscht.
Meine Kinder, der Himmel ist der Anblick, die Gegenwart Gottes. Man betrachtet ihn, man liebt ihn aus ganzem Herzen. Der Himmel auf Erden ist die Heilige Kommunion, ist, unseren Herrn zu empfangen. Wir müssen oft an unseren Herrn im Heiligen Sakrament denken. Der heilige Franz von Sales sagte, dass seine Gedanken den Tabernakel nie verlassen, dass er unserem Herrn, nachdem er durch die Heilige Kommunion zu ihm gekommen war, nicht mehr verlassen könne. Machen wir es wie er, meine Kinder. Denken wir an unseren Herrn am Abend, am Morgen bei der Betrachtung. Rufen wir den lieben Gott in unsere Seele, flehen wir ihn an, er möge geruhen, sie selbst vorzubereiten. Der heilige Bernhard sagt: „Es ist das beste Mittel, die Fülle der Gnaden vom lieben Gott zu erhalten, wenn wir ihm erlauben, das Haus unserer Seele für ihn vorzubereiten.“
Wenn eine angesehene Person zu euch kommen sollte, würdet ihr nicht darauf achten, dass euer Haus gut aufgeräumt und schön geschmückt ist? Wenn man euren Tresor mit Gold füllen wollte, würdet ihr euch sehr beeilen, die alten Kreuzer herauszunehmen. Nicht Gold wird ihn füllen, sondern Gott! Nehmt also aus eurer Seele die Liebe zur Sünde, alles, was unserem Herrn missfallen könne. Legt alle eure Fantasien ab, lasst nichts herumkugeln, das sie belasten könnte, das den Platz des Goldes einnehmen könnte, mit dem Gott sie füllen will, des Goldes seiner heiligen Liebe, des Goldes, das der Reichtum der Erwählten im Himmel ist.
Bereitet euch also am Abend vor eurer Kommunion gut vor, meine Kinder. Macht am Abend eine aufmerksame Gewissenserforschung, um alles zu sehen, das unserem Herrn missfällt, um es verschwinden zu lassen. Die Vorbereitung am Morgen ist unmittelbarer. Beim Erwachen soll dies euer erster Gedanke sein: „O mein Gott, wie bin ich unwürdig, dich zu empfangen! Woher kommt dieses Glück, dass mein Herr zu mir kommt?“ Bereitet sanft eure Seele vor und verbindet euch mit dem Glauben, der Liebe der Heiligen. Als der heilige Aloisius von Gonzaga die Heilige Kommunion empfing, war sein Gesicht ganz entflammt. Meine Kinder, empfangt den lieben Gott nicht wie einen Fremden, wie einen Unwichtigen. Es ist der Herr! Er ist es! Möge alle Macht eurer Seele, euer ganzes Wesen in tiefer Anbetung sein: „Herr, du bist es! Ich komme zu dir, schenke dich mir, bleib in mir.“
Sagt bei der Danksagung dem lieben Gott alles, was ihr das empfindet, ihm sagen zu wollen. Aber wenn ihr nichts sagen könnt, sagt nichts, verweilt in Anbetung: „Herr, ich bin traurig, trocken, ich bitte dich dafür um Verzeihung. Du siehst meine Ohnmacht, aber ich bleibe bei dir, ich bete dich an, liebe mich, segne mich.“ In welchem Zustand ihr auch seid, welche Neigung des Willens ihr auch habt, bleibt da bei unserem Herrn, betet ihn nur mit der ganzen Weite eures Willens an. Ich sage nicht mit Gefühlen, wenn ihr keine habt, aber macht eure Danksagung, wie ich es euch erkläre.
Meine Kinder, gebt euch nicht mit den paar Minuten zufrieden, die die Ordensregel vorschreibt. Setzt eure Danksagung den ganzen Tag über fort. Lasst den lieben Gott nicht ganz allein, leistet ihm Gesellschaft. Die ersten Christen trugen die Eucharistie in ihre Häuser. Sie hatten unseren Herrn bei sich und sie kommunizierten selbst in der Zeit der Verfolgung. Ihr, meine Kinder, bewahrt unseren Herrn in eurem Herzen auf.
Wie! Der Heiland ist zu euch gekommen und ihr habt ihm nichts zu sagen? Ihr habt den ganzen Tag nicht den geringsten Gedanken für ihn? Ihr habt mit ihm ein Bündnis geschlossen, und ihr behandelt ihn wie einen Fremden, ihr sagt ihm nichts? Wo ist er, der liebe Gott? Er ist also nicht mehr mit euch? Er ist also nicht mehr euer Gott, da ihr nicht mehr mit ihm seid?
O, denkt an den Tagen der Kommunion öfter an den lieben Gott. Setzt eure Danksagen den ganzen Tag über fort. Ich sage nicht, ihr sollt ständig in der Betrachtung verweilen, aber unser Herr ist da, in eurem Herzen, denkt daran! Ihr unterrichtet, ihr arbeitet mit ihm. Ihr geht, ihr kommt, er ist mit euch! O, wenn wir unsere Danksagung machen könnten, wenn wir die Gegenwart Jesu in uns nützen könnten, wären wir viel besser, würden wir weniger mit uns bleiben, wären wir weniger bei uns, mit unseren Neigungen, unserem Widerwillen! Wie wichtig sind für uns alle unsere Schwierigkeiten? Wir besitzen den lieben Gott, er ist da, ist er nicht unsere Kraft, unserer Stärke?
So sollt ihr die Heilige Kommunion verstehen, meine Kinder. Wir werden also den Vorsatz fassen, uns schon am Vorabend auf die Heilige Kommunion vorzubereiten, indem wir durch Akte der Reue unser Herz reinigen, uns durch heilige Gedanken, heilige Wünsche, unsren Herrn zu empfangen, darauf vorbereiten. Und am Morgen werden wir von seiner heiligen Gegenwart wie überflutet sein. Wenn er uns bei der Danksagung das Vermögen gibt, zu ihm zu sprechen, sprechen wir zu ihm. Wenn wir aber nichts sagen können, nichts fühlen, bleiben wir da wie die anbetenden Engel. Während des Tages möge unsere Liebe glühend genug sein, um uns ein Gefühl, einer Erinnerung, von Zeit zu Zeit ein Wort einzugeben. Lassen wir ihn, der zu uns kam, nicht allein! Und so wird die Heilige Kommunion die Sonne sein, die unsere Seele erleuchten und heiligen wird.
Meine Kinder, wenn wir während der Exerzitien gelernt haben, die Heilige Kommunion gut zu empfangen, werden wir gute Exerzitien gemacht haben.
Möge euch Jesus, der euch segnen wird, diesen Vortrag verstehen, lieben und ausführen lassen. Er lasse euch fühlen, was er für euch ist, er lasse euch das Geheimnis, den Weg zu seinem Tabernakel erkennen, den Weg, auf dem wir zu ihm gehen müssen.
„O Jesus, komm zu mir. Alle Kräfte meine Seele wünschen dich! Ich bin sehr unwürdig, aber ich fürchte mich nicht. Komm doch, o Jesus, komm immer zu mir, und ich werde immer zu dir gehen. So werden die Tage meines Exils vergehen. Und wenn ich diese Erde verlassen werde, werde ich nicht alleine gehen, du wirst immer bei mir sein, du wirst mich in den Himmel führen, wo ich dich lieben und ewig lobpreisen kann!“ Amen. Amen.