Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1879

      

5. Vortrag: Über den Eifer, den die Oblatinnen für die Seelen der Kinder haben müssen

Mittwoch Vormittag, 27. August 1879

Meine Kinder, heute Vormittag nehme ich vorweg, was ich euch in meiner Vortragsreihe eigentlich später sagen wollte, weil wir heute das Fest eines Heiligen feiern, der uns für unsere Werke, für unsere Schulen als Vorbild dienen kann. Der heilige Josef von Calasanz war der Gründer von ähnlichen Werken, wie auch wir sie haben, und ich will diesen Vortrag unter seinen Schutz stellen, damit er die ganze Wirkung hat und alles Gute hervorbringt, das wir uns wünschen.
Dieser große Heilige hatte also in Rom eine Kongregation (Piaristen) errichtet, deren Ziel es war, sich um die Kinder, um die Jugend zu kümmern. Der liebe Gott segnet sein Werk, lässt es wachsen, größer werden, so dass viele Seelen ihr Heil dem Eifer und der Arbeit der Kinder des heiligen Josef von Calasanz verdanken.
Meine Kinder, ich will euch heute Vormittag diese große Frage des Eifers für das Heil der Seelen darlegen, vor allem der kleinen Seelen, die euch ganz besonders anvertraut sind. Im heiligen Evangelium sagt unser Herr, dass derjenige, der in seinem Namen ein kleines Kind aufnimmt und liebt, ihn selbst aufnimmt (vgl. Mt 18,5). Er sagt uns auch: „Was ihr dem Geringsten der meinen tut, das tut ihr mir“ (vgl. Mt 25,40). Und wenn er das für die sagt, die dem Kind das Brot und das Materielle geben, das es braucht, sagt er es noch mehr für jene, die ihm die übernatürlich Nahrung geben, die seine Seele braucht.
Ihr müsst also einen großen Eifer für das Heil der Seelen der kleinen Kinder haben. Vielleicht werdet ihr sagen: „Ja, aber was wird später aus ihnen werden? Sie werden vom Wirbelsturm mitgerissen werden!“ Das ist möglich, vielleicht wird es das Schicksal vieler von ihnen sein, aber seid sicher, dass mehrere dieser Seelen gläubig bleiben und euch ihr Heil verdanken werden. Und wer weiß, ob nicht unter denen, die nicht durchhalten werden, viele sein werden, die im Augenblick des Todes eine Gnade der Bekehrung erhalten werden. Der liebe Gott wird ihnen dann ein Gefühl der Zerknirschung schenken, das genügt, um sie zu retten. Das war die Meinung der Guten Mutter Marie de Sales Chappuis, das ist auch meine. Der liebe Gott gestattet, dass die Personen, für die man viel gebetet hat, in ihren letzten Augenblicken eine Gnade der Bekehrung erhalten, denn wenn man für sie betet, erwirbt man ihnen dadurch ein gewisses Recht auf das göttliche Erbarmen. Ich habe bemerkt, dass unter allen Personen, die zu der Guten Mutter Marie de Sales Chappuis nähere oder entferntere Beziehungen hatten, keine einzige war, die sich nicht bekehrte. Und dennoch gab es welche, die dem lieben Gott sehr fern waren, unter anderem Herr B., der an der Spitze der revolutionären Bewegung stand.
Was müssen wir also vor allem machen? Beten. Das ist das wirksamste Mittel. Möge die, die kocht, für die beten, die essen werden. Mögen die, welche sich um die Wäsche, die Kleidung kümmern, für die beten, die sie tragen werden. Es muss alles, das von euren Händen ausgeht, wie auch aus eurem Herzen kommt, zum Herz derer kommen, die sich dessen bedienen, wie ein Mittel der Gnade der Heiligung. Bei allem, das wir zu machen haben, sollen wir den Blick auf das Heil der Seelen richten. Mgr. Mermillod sagte, dass ihr die Gehilfinnen des Klerus sein sollt, dass ihr den Seelen helfen sollt, unseren Herrn zu lieben, dass dies eure Arbeit ist. Und als er von der Kongregation sprach, fügte er hinzu, dass diese neue Blume, die im Garten der Kirche in Erscheinung tritt, Düfte hat, die die Seelen anziehen und Gott treu machen.
Das, meine Kinder, ist das Versprechen, zu dem ich halte, dass ihr Glauben und Vertrauen habt. Aber damit dieses Versprechen gehalten werden kann, erinnert euch, alles, was ihr macht, alles, was ihr berührt, die Nahrungsmittel, die Wäsche zu heiligen. Heiligt eure Gegenwart inmitten der Mädchen, die Worte, die ihr an sie richtet. Heiligt durch das Gebet alles, was ihr werdet machen und sagen müssen, und ihr werdet viel erhalten.
Ein großer Beweggrund, dass ihr so handelt, ist, dass alle Kinder, die ihr jetzt erzieht, durch sehr große Kämpfe gehen werden. Es ist sicher, dass sie unzählige Schwierigkeiten werden ertragen müssen, sie werden Dinge sehen, die sie erschüttern und den Glauben verlieren lassen können. Bereitet sie gut vor, standhaft zu bleiben. Viele Kinder werden heute ohne Glauben aufgezogen. Ihr wisst es, ihr habt dafür viele Beispiele vor Augen.
Es ist also eure Aufgabe, die Seelen vor den unzähligen Gefahren zu schützen, auf die man heute stößt. Die Kinder, die ihr erzieht, werden wie die Lilien inmitten der Dornen sein. Man muss sie gegen die schlechten Einflüsse, gegen den Hauch des Teufels wappnen, der alle Seelen mehr oder weniger erreicht. Die Lage ist ernst. Ihr müsst also viel für die Kinder beten. Mögen die, die kein Amt haben oder nur indirekt damit betreut sind, uns bei dieser Aufgabe helfen. Warum hat unser Herr gesagt: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf“ (Mt 18,5)? Um uns zu zeigen, dass die christliche Erziehung etwas Hervorragendes ist, etwas Ernstes, Heiliges, zu jeder Zeit und überall, aber vor allem in dieser Zeit. O, betet viel, meine Kinder. Bittet den lieben Gott, dass die kleine Schar, die er euch anvertrauen wird, in seinem Herzen ist, dass sie ihm gehört.
„O, Herr Jesus, behüte sie gut! Hab Erbarmen mit diesen Kindern. Bewahre sie vor der Ansteckung, trenne sie von den Mächten Satans, für die es nur die Hölle geben wird.“ Ich sage euch etwas sehr Starkes. Ich sage es euch, um euch eure Verpflichtung zu zeigen, die Seelen der Kinder zu lieben. Ihr zieht sie so vom Abgrund der Hölle weg, deren Feuer in der Welt schon entzündet sind. Sehr, meine Kinder, wie groß eure Aufgabe ist. Ihr habt nur auf wenige Seelen Einfluss, das ist wahr. Aber unser Herr hatte nur zwölf Apostel und zweiundsiebzig Jünger. Mit ihnen hat er die Welt bekehrt. Auf die Zahl kommt es also wenig an. Wichtig ist, dass der Glaube stark genug ist, um allen möglichen Gefahren zu widerstehen, die ihn erwarten, um sich durch Taten auszudrücken. Deshalb sagte ich neulich den Jugendlichen des Colleges Saint-Bernard, dass wir nur Christen wollen, und dass jene Christen sind, die beichten und die Kommunion empfangen.
Heute also, am Fest des heiligen Josef von Calasanz, beten wir für unsere Kinder. Fassen wir den Vorsatz, sie mit aller Sorgfalt zu umgeben, sie zu unterweisen und zu guten Christen zu machen. Dazu lehren wir sie gut den Katechismus. Heute ist die religiöse Unwissenheit die große Wunde. Man spricht viel über die Wissenschaft, das ist sehr gut. Ich bin kein Feind der Wissenschaft, wenn sie zu Gott trägt. Ich bin ein Feind der trockenen und simplen Wissenschaft. Diese Wissenschaft, die man derzeit manchmal lehrt, ist ein Spott der Hölle. Lehrt eure Kinder die Wissenschaft des Glaubens, die Wissenschaft unserer Hoffnungen auf Gott, die Wissenschaft, ihn gut zu lieben, ihm treu zu sein, ihm gut zu dienen, das heißt christlich zu leben. Danach werdet ihr sie die Grammatik lehren und alles, was ihr wollt. Man muss den Herzen der Kinder die Liebe zu Gott geben. Und ihr selbst müsst mit Ausdauer für seine heilige Liebe arbeiten. Legt eure ganze Seele hinein. Und wenn sie arm, trocken, kalt ist, bittet das Herz unseres Herrn, es möge es erleuchten, entflammen. Bittet ihn, euch die Nahrung zu geben, mit der ihr diese kleinen Seelen nähren sollt. Ihr werdet also die Kinder, die ihr über habt, gut pflegen. Ihr werdet ihre Seelen mit liebevoller Fürsorge umgeben, ihr werdet ihren guten Willen ermutigen und ihr werdet sie oft in eurem Gebet unserem Herrn anbieten, damit er sie für das ewige Leben bewahre.
Der heilige Johannes Chrysostomus sagte, wenn man die Bildhauerei, die Malerei schätzt, wenn es schön ist, die Werke Gottes in der Natur nachzumachen, ist es unendlich schöner, Gott in den Seelen nachzumachen, darzustellen. Der Maler nimmt Äußerliches zum Vorbild. Und unser ideal ist Gott selbst! Wir betrachten unseren Herrn, die heilige Jungfrau, die Heiligen, das sind unsere Vorbilder. In der heiligen Jungfrau zum Beispiel betrachten wir diese Frömmigkeit, diese Milde, diese Bescheidenheit, diese Einfachheit, diese Demut, diese vollkommene Harmonie, die wir nachahmen sollen, ums sie dann in der Seele der Kinder zu erzeugen. So ist es nach dem heiligen Johannes Chrysostomus die höchste aller Künste, die Seele der Kinder nach diesem großen Vorbild auszubilden.
Mögen diejenigen, die nicht bei den Kindern beschäftigt sind, oder es nur indirekt sind, denen, die mit ihnen beschäftigt sind, durch ihre Frömmigkeit, ihre Treue bei ihren Beschäftigungen, den Übungen ihres Ordenslebens helfen. Bittet den heiligen Josef von Calasanz an seinem Festtag um das Nötige zu Verbindung der Seelen mit dem lieben Gott, damit die Kinder, die ihr erzogen habt, in den schwierigen Umständen, durch die sie werden gehen müssen, in ihrem Glauben die Kraft finden, gegen das Übel zu kämpfen.
Meine Kinder, man muss also alle Seelen, mit denen ihr betraut seid, vor dem Übel bewahren. Bittet Jesus in seinem Sakrament der Liebe um Sanftmut und Licht. Bittet ihn euch verstehen zu lassen, wie ihr handeln müsst, um die Seelen zu gewinnen und sie mit ihm zu verbinden, damit sie ihn für die trösten, die sich so leicht von ihm trennen. Und so werden wir unseren Lebenslauf gut erfüllen, weil wir gemacht haben werden, was der liebe Gott von uns wollte. Dann wird er uns sagen: „Mut, gute und treue Dienerin, weil du in den kleinen Dingen treu warst, werde ich dich über größere einsetzen“ (vgl. Mt 25,21).
Eines Tages, als Papst Pius IX. betete, erschien ihm der heilige Benedikt Labre umgeben von so viel Glanz, dass ihn der Papst nach dem Grund einer so erhabenen Beleuchtung fragte. Der Heilige antwortete: „Als ich auf der Erde war, versammelte ich die kleinen Kinder. Ich lehrte sie, das Kreuzzeichen fromm zu machen, ich lehrte sie, die Namen Jesu und Marie mit Liebe auszusprechen.“
Meine Kinder, folgt dem Beispiel des heiligen Benedikt Joseph Labre und ihr werdet wie er reich belohnt werden. Amen.