13. Vortrag: Dankmesse: Über die Treue, dem göttlichen Anruf zu entsprechen
Montag, 18. September 1876
Meine Kinder, heute feiern wir das Fest eines großen Heiligen, des heiligen Joseph von Copertino.
Der heilige Joseph war vom Orden des heiligen Franz von Assisi, genannt der serafische Orden wegen des großen Glaubens und der großen Liebe seines Gründers zu unserem Herrn. Wir feierten gestern das Fest seiner Stigmatisierung, einer Gnade, die er während seiner Betrachtung erhalten hat, durch seine große Liebe zum Leiden unseres Herrn. Heute ehren wir seinen geliebten Sohn, den heiligen Joseph von Copertino, der seinem Orden einen neuen Glanz verlieh, in dem er auf den Spuren seines Vaters ging durch seine Abtötung, und durch seine Treue zur Betrachtung, während der Gott im außergewöhnliche Gnaden gewährte.
Es fällt mir heute noch auf, dass die stets vom Geist Gottes inspirierte heilige Kirche in der heiligen Liturgie den Priestern das Evangelium vom königlichen Hochzeitsmahl (Mt 22,1-14; Lk 14,15-24) zu lesen gibt, wo viele berufen, aber nur wenige auserwählt sind. Der Familienvater lädt alle seine Freunde zu seinem Festmahl ein, der eine entschuldigt sich, weil er seinen Handel, seine Beschäftigungen hat; ein anderer wird von seiner Liebe zu den irdischen Gütern zurückgehalten; schließlich finden alle Entschuldigungen, um der Einladung des Familienvaters entgehen zu können. Daher sind die äußerste Finsternis die Strafe für ihre Undankbarkeit.
Meine Kinder, ich komme auf meinen Gedanken zurück. Angesichts eines äußerst heiligen Lebens, eines Lebens, das viele Opfer und so viel Erhabenes einschließt, das die Kräfte des menschlichen Willens übersteigt, warum kommt der Geist Gottes und ließ mich hier dieses Wort wiederholen? Es sind viele berufen, aber wenige auserwählt?
Viele sind berufen. Wäre eure Berufung an alle auf so wunderbaren Wegen zu gehen? Nun, ja! Alle! Ihr seid berufen, ein vollkommenes Leben zu führen. In welchem Stand, unter welchen Bedingungen wir auch sind, wir sind alle zur Vollkommenheit berufen. Ich sage nicht zu einem außergewöhnlichen Leben wie das des heiligen Joseph von Copertino, aber wir sind berufen, Gott vollkommen zu lieben. Wir alle sind zu dieser Vollkommenheit der Liebe berufen, die im heiligen Joseph erstrahlt. Nicht das Außergewöhnliche macht die Vollkommenheit aus. Man kann in den Personen der Welt Seelen von hoher Tugend finden, wie man andere im Ordensgewand finden kann, die darin sehr arm sind.
Was ist also das Geheimnis, das wahre Mittel, zur Vollkommenheit zu gelangen? Es ist das des heiligen Joseph, das heißt mit unserem Herrn vereint zu sein, sich mit ihm zu verbinden, sich daran zu machen mit ganzer Seele, mit ihm unsere täglichen Pflichten zu erfüllen. „Das aber sage ich euch:“, sagt der Familienvater, „Keiner von denen, die eingeladen waren, wird an meinem Mahl teilnehmen“ (Lk 14,25). Ihr, liebe Kinder, die ihr berufen wurdet, seid treu, versteht gut das Evangelium des heutigen Tages. Das Festmahl ist bereit, die Tafel ist eröffnet, der Gemahl lädt euch ein. Entschuldigt euch nicht, bewahrt nicht in eurem Herzen menschliche Zuneigungen! Er ruft euch zum Festmahl, an dem er sich selbst nährte. Nährt euch an seinen Speisen. O Herr, sag deinen Gemahlinnen, welches der Anteil an deinem Erbe ist! Was servierst du ihnen? Die Gerichte, die du selbst gegessen hast, das Brot der Betrachtung, das Brot der Arbeit, das Brot der Abtötung.
Meine Kinder, hört die Stimme des Gemahls! Er ruft euch: „Kommt, die ihr meine Freundinnen, meine Gemahlinnen seid. Ich habe gearbeitet, ich habe geschwitzt vor Mühe, arbeitet auch! Ich habe die Bürde der Hitze ertragen, ertragt sie mit mir!“ O, ja, Herr, es tut gut, die Speisen von deinem Tisch zu essen. Der Heiland ruft euch heute nicht nur, um bei ihm zu sein, sondern um seine Arbeit und seine Leiden zu teilen, um euch eines Tages Anteil an seiner Macht und seiner Ehre zu geben. So ist eure Berufung. Die Ordensfrau muss sich auf tausend Heimsuchungen gefasst machen. Aber haben die Personen der Welt keine? Nehmt also, meine Kinder, alle den Teil an, den der liebe Gott euch vorbereitet hat, den Tautropfen, den Sonnenstrahl des Trostes, den Teil des Kelches der Schmerzen. All das wird der Anteil eures Erbes sein. Gott wird ihn euch für eure Heiligung vorbereitet haben.
Ist das alles? Nein. Der heilige Joseph von Copertino erhob sich zu einem so hohen Grad der Vollkommenheit nur durch eine große Treue zur Betrachtung. Seine Seele war stets in der Beschauung, und diese Beschauung war er so gewohnt, sie war so tief, dass es schwer war, ihn davon abzulenken. Er war fast immer in Ekstase. Und ihr seid wenigstens wie er immer mit Gott vereint. Werdet ihr Ekstasen haben, werdet ihr außergewöhnliche Wege gehen? Nein, das ist nicht der Weg des heiligen Franz von Sales. Eure Ekstasen werden in der Vernichtung eures Willens, in eurer innigen Verbindung mit dem sein, der die Kraft hat, den hartnäckigen Willen zu unterwerfen, mit dem, der ihn in der Treue zur Berufung hält. Dahin müsst ihr streben. Seid zufrieden in diesem Seelenzustand, der sich ständig dem lieben Gott schenkt. Ihr werdet in der Ekstase sein, die über alles erhebt, über euch selbst, über euer Elend, über alles, was Eigenliebe, Selbstbetrachtung ist. Ihr werdet ganz mit Gott vereint sein: das ist mein Wunsch. Macht es wie der Heilige, den wir heute anrufen.
Meine Kinder, ich segne den lieben Gott, weil ihr an diesem Tag eingekleidet wurdet und Profess hattet, an dem zwei Feste vereint waren, die mir am Herzen liegen. Wir haben viele Freunde im Himmel. Ich bin sicher, dass sie sich über die Wahl freuen, die der liebe Gott für uns getroffen hat, dass sie ihn preisen, weil er uns dieses Familienleben, dieses Leben der vollkommenen Liebe gab, das das wahre Leben im Himmel und auf Erden ist. Bitten wir sie, dass sie uns vermitteln, wessen es bedarf, um es sehr vollständig zu haben. Haben wir Vertrauen zu unseren himmlischen Beschützern. Wir haben unter ihnen mehrere von denen, die mit uns verbunden waren, die uns liebten.
Ich wiederhole es, meine Kinder, ich preise innig die Vorsehung, die machte, dass unsere Zeremonie der Einkleidung und der Profess am Tag des Festes des heiligen Franz von Assisi und an dem Tag stattfand, der uns daran erinnerte, dass unser ans Kreuz geheftete Herr unsere Seelen, unsere Personen betrachtete und zu seiner Mutter sagte: „Hier sind deine Kinder, die du zu mir stellen sollst“ (vgl. Joh 19,26-27)
An diesem Tag wurden eure übernatürlichen geistigen Hochzeiten gefeiert. Erinnert euch an die Prämissen eurer Opferung, an das, was euch der liebe Gott gegeben hat und er gesteigert und fruchtbringend in euch sehen will. Möge euch alles, was er euch in seinem göttlichen Herzen vorbehalten hat, zugeteilt werden!
Meine Kinder, sammeln wir unsere Seelen, rufen wir den Geist Gottes in uns. Mögen die geringsten Bewegungen der Gnade von euch angenommen werden! Der geringste Augenblick gehört dem Herrn, vergesst es nicht! Haltet eure Seelen aufmerksam auf alles, was er euch sagen wird, auf alles, was er euch verständlich machen will. Bewahrt euch diesen heiligen Eifer, setzt dieses vertraute Gespräch fort, und – ich wiederhole es – seid aufmerksam auf alles, was euch der Heiland am Grund des Herzens zu verstehen geben wird.
Handelt so, meine Kinder, und Jesus wird mit euch sein. Er wird euch viel sagen, er wird eure Werke, eure Arbeiten segnen, er wird euren Willen gut behalten. Und wenn ihr manchmal gebrechlich seid, wenn eure Seelen unterwegs schwächer werden, werdet ihr euch an der Erinnerung an diesen Tag eurer Einkleidung, eurer Profess wieder erwärmen. Ihr werdet dann wieder sehen, wie ihr gesehen habt, ihr werdet wieder hören, wie ihr gehört habt, und ihr werdet euch im Opferleben erneuern. Dieses Lieben, liebe Kinder, ist das Leben des Glücks auf Erden. Es wird euch das Leben des endlosen Glücks sichern, das Jesus euch vorbereitet, und das ich euch aus ganzer Seele wünsche. Amen.
Gott sei gebenedeit.