Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1875

      

8. Vortrag: „Über den Verehrung des hl. Sakramentes“

Freitagabend, 01.10.1875

Meine Kinder, es gibt eine Verehrung, die für uns alle anderen beherrschen muss, es ist die Verehrung unseres Herrn im hl. Sakrament des Altares. Vor ihm machen wir unsere Morgenbetrachtung, zu ihm kommen wir, um die hl. Messe zu hören. Vor ihm machen wir sodann auch unsere Abendbetrachtung. Vor ihm verbringen wir unsere besten Augenblicke. Zu ihm müssen wir unsere Herzen lenken, zu ihm müssen wir unseren Willen leiten. Heute Abend werde ich euch einige Worte über die Verehrung sagen, die die Oblatinnen für unseren Herrn im heiligsten Sakrament haben müssen.

Diese Verehrung, meine Kinder, war die unseres seligen Vaters. In seinen Zuneigungen, in seinem Herzen räumte er dem Heiland in der hl. Eucharistie einen so großen Platz ein, dass er diese Verehrung wie eine Hülle betrachtete, die seine ganze Seele umgeben, durchdringen sollte, um daraus eine ständig unserem Herrn dargebrachte Hostie zu machen. Diese Verehrung war seine gewohnheitsmäßige Praxis. Noch ganz jung sah man ihn tief gesammelt, bereitete er sich lange auf die hl. Kommunion vor. Er bereitete sich darauf schon am Vorabend mit einer großen Frömmigkeit vor. Als Priester hatte er so liebevolle, so fromme, so wunderbare, so glühende Worte für die hl. Eucharistie! Wenn er sehr müde war, nicht mehr konnte und seine Predigten mitten unter den Protestanten hielt, trug er unseren Herrn auf seiner Brust und empfahl sich ihm. So gab er die hl. Kommunion einer der ersten Schwestern der Heimsuchung, die in Genf im Hotel Ecu von Frankreich Kellnerin war, wo er abgestiegen war. Wenn er unseren Herrn bei sich trug, sagte er ihm ständig: „Würde ich dich lassen, ohne dich anzubeten, ohne dich zu lieben, ohne an dich zu denken? … Ich bin mit dir, ich lebe mit dir, ich bin bei dir, ich trenne mich nicht von dir.“ Jedes Mal, wenn dieser selige Vater von der hl. Kommunion sprach, war dies immer mit so schönen, so berührenden Worten! Seine Verehrung für die hl. Eucharistie findet man häufig in seinen Schriften.

Meine Kinder, wie ist diese Verehrung während des Tages zu üben? Ich beharre darauf, dass ihr euch mit den Gefühlen der Maria Magdalena beim Herrn haltet. Möget ihr mit den Gefühlen der hl. Jungfrau, des hl. Johannes am Fuße des Kreuzes sein. Möget ihr mit den hl. Frauen dort sein, die sich an die Brust klopfen. Seid dort mit dem guten Schächer, der sagte: „Herr, gedenke meiner, wenn du in deinem Reiche sein wirst.“ Worauf unser Herr antwortete: „Ich sage dir: Amen, amen, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“

Macht das, meine Kinder, aber häufig, gewohnheitsmäßig. Wenn ihr bei der hl. Messe, und mitten in euren Arbeiten seid, erinnert euch an Jesus in seinem Tabernakel der Liebe. Möge ihm eure Seele in ihren geistigen Kommunionen, in ihren hl. Aufschwüngen sagen: „Oh, mein Gott, ich liebe dich! Komm, um mich zu segnen, komm, um mich zu heiligen.“ Möge eure Seele ihm mit diesen Worten sagen, die das Herz so gut finden kann, die Jesu Herz so gut verstehen kann! „Oh Jesus, ich bete dich in deinem Tabernakel der Liebe an! Oh Jesus, meine Seele will dich, ich will mit dir leben, gib mir alles, was mir fehlt. Ich vereine mich mit dir, ich nehme Zuflucht zu dir, ich komme zu dir! Ich habe heute Morgen die Kommunion empfangen. Wie möchte meine Seele sie wieder empfangen, wie dürstet mich nach diesem Wein, der alle Tugenden keimen lässt!“

Die Verehrung des hl. Sakramentes kann euch also die ganze Zeit der Messe und im Laufe des Tages beschäftigen, wenn ihr die geistige Kommunion macht und euer Herz unserem Herrn im hl. Sakrament zuwendet mit dem Wunsche, ihn zu empfangen. Dann, meine Kinder, möge es für euch eine Pflicht sein, nie an der Kirche vorbeizulaufen, ohne einen Akt der Anbetung zu machen. Auf Reisen möge euer Herz Jesus in euch rufen, er sei eure Wegzehrung. Er ist das Brot der Kinder, er ist vor allem das Brot der Reisenden.

Bei der Abendbetrachtung sollt ihr bei unserem Herrn ausruhen. Es tut gut, zu seinen Füßen von den Mühen des Tages auszuruhen. Es tut gut, ihm die Verletzungen unserer Seele anzuvertrauen, wenn man ihn während des Tages, der soeben verging, beleidigt hat. Es tut gut, ihn zu bitten, dass unsere Nacht erholsam sein möge, dass sie heilig sein möge. Es tut gut, ihn zu bitten, dass der zu Ende gehende Tag in den Schatzkammern seiner Liebe verschwinde, in den Schatzkammern seines Herzens.

Ja, meine Kinder, seid zufrieden bei unserem Herrn zu sein. Wenn ihr ihm nichts sagen könnt, sagt ihm nichts. Wenn wir mit ihm nicht sprechen könnt, bleibt da allein, denkt aber, dass er da ist. Und welch unbeschreibliches Glück ist es nicht für euch, bei ihm zu sein! Möge es euer Glück sein zu sein, wo er wirklich gegenwärtig ist, wie er früher in den Armen der hl. Jungfrau Maria war. Oh, ja, Jesus ist in seinem Tabernakel der Liebe gegenwärtig, wie er es in der Krippe war. Er ist da, wie in seinem kleinen Haus zu Nazareth, wo er arbeitete, wohin ich gegangen bin, wo ich die Spuren von so vielen Tränen sah, die aus den Augen der Priester gefallen waren, die vor mir die hl. Messe zelebriert hatten: süße Tränen, die von der Liebe der Pilger zu dem Kind Jesus, zu dem Jüngling Jesus sprachen! Wir arbeiten, er hat gearbeitet. Wir leiden, er hat gelitten. Wir weinen, er hat über unsere Fehler geweint!

Er ist da in seinem Tabernakel der Liebe! Es ist dieser Jesus der Passion, dessen Tränen begossen die Olivenbäume, die wir noch im Garten von Gethsemane sehen, und die an den Schmerz eines Gottes erinnern. Es ist derselbe, tief betrübte Gott, bedeckt mit dem blutigen Schweiß des Todes, in Todesangst, der sich bei seinen Aposteln beklagt, dass sie keine Stunde des Wachens mit ihm ertragen könnten. Ja, meine Kinder, es ist der Jesus vom Kreuz, es ist der Jesus von Kalvaria, der euch einen letzten Blick zuwirft! Wenn ihr dort seid, könnt ihr an vieles denken: es ist der Ort der Opferung. Ihr seid leidend, da ist der Patient von Kalvaria. Ihr könnt ihn sehen, er ist voll Blut! „Oh Jesus, du bist am Kreuz gestorben! Ich sehe dich, ich erkenne dich, du bist wahrhaftig gekreuzigt, du bist geopfert! Du bist für uns gestorben!“

Ihr seht, wie gut diese Betrachtung, dieser abendliche Besuch ist. Wenn euer Herz traurig ist, wenn ihr Schmerzen habt, kommt mit unserem Herrn auf den Ölberg. Wenn ihr Hoffnungen habt, oh, kommt ihn in seiner Krippe besuchen. Wenn ihr müde seid, kommt mit ihm in sein kleines Haus von Nazareth. Wenn ihr leidend seid, kommt mit ihm auf Kalvaria, kommt an den Fuß seines Kreuzes! Oh, meine Kinder, wie ist es gut, in diesem letzten Abschied des Tages, wie ist es gut, bei diesem letzten Besuch, bei diesem letzten Gespräch mit Jesus! Ich empfehle es euch ganz besonders, ganz vertraulich, dieses höchste Gespräch mit dem Gott eurer Seelen. Kommt den Heiland suchen, kommt ihn finden.

Wenn ihr nicht findet, sprecht so zu ihm: „Man hat mir gesagt, ich soll dich suchen kommen, dass ich dich finden würde, dass ich nicht fehlgeleitet wäre. Da bin ich, ich komme aus Gehorsam. Man hat mir gesagt, du seist zu jeder Tageszeit gut. Aber du bist es vor allen zu dieser Stunde des Abendopfers, zu dieser Stunde, in der du dich auf den Ölberg zurückgezogen hast, weit ab von der Menge, weit ab vom Lärm der Welt. Zu dieser Stunde, in der du zu deinen Aposteln gesagt hast: „Ziehen wir uns abseits in die Stille zurück. Zu dieser Stunde schließlich, in der du ins Grab gelegt wurdest.“

Die Abendbetrachtung, meine Kinder, ist auch zu dieser Stunde, in der die Apostel nach den Wanderungen des Tages kamen, um sich bei unserem Herrn auszuruhen. Sie unterhielten sich mit ihm. Und in diesen so vertraulichen, so liebevollen Gesprächen des guten Meisters informierten sie sich, schöpften sie seine Lehre, verstanden sie, was sie für ihm machen mussten.

Es wird berichtet, dass der hl. Petrus in Rom nie auf gewissen Wegen gehen konnte, ohne reichlich Tränen zu vergießen. Und seine Anhänger fragten ihn: „Meister, warum weinst du, wenn du da gehst?“ Er antwortete ihnen: „Weil mich diese Wege an die von Judäa erinnern. Ich sehe von hier aus den Ort, wo sich unser guter Meister mit uns unterhielt. Ich erinnere mich, dass er, als wir schliefen, sich darum kümmerte, uns mit unseren Mänteln zuzudecken, damit uns nicht kalt war. Wenn es sehr heiß war, breitete er Zweige über unsere Köpfe, um uns vor der Sonnenglut zu schützen, und wenn wir erwachten, fanden wir ihn bei uns: er betete! Wenn ich mich erinnere, was er damals für uns machte, wenn ich an diese Wege von Judäa denke, wenn mir all das wieder ins Gedächtnis kommt, kann ich nicht verhindern, dass ich reichlich Tränen vergieße!“

Hier, meine Kinder, in dieser Kapelle, in diesem kleinen Heiligtum haben wir es noch besser als die Wege von Judäa. Wir haben nicht nur diese Wege, deren Erinnerung den hl. Petrus Tränen vergießen ließ, sondern wir haben die Wege, die Jesus ging, um zu uns zukommen, wir haben ihn gegenwärtig! Bitten wir ihn, er möge sich mit uns unterhalten, wie er sich mit seinen Jüngern unterhielt, wie er sich mit dem hl. Petrus in diesen vertraulichen Gesprächen unterhielt, von denen der Apostel so berührt, so bewegt war, dass ihn die Erinnerung an diese Gespräche noch 25 Jahre später weinen ließ.

Ja, meine Kinder, bewahren wir diese Erinnerungen in unserem Seelen, lieben wir sie, denken wir daran bei unserer letzten Betrachtung des Tages. Machen wir sie noch besser als die andere, wenn es möglich ist.

„Oh Jesus, wie gut ist es bei dir! Ich komme zu dir, in dir erneuere ich meinen Geist, mein Leben! Bald werde ich wieder zu dir kommen, und ich werde dich finden, gib mir eine noch engere Vereinigung mit dir. Ich will das Gesetz deines Vaters einhalten, ich will mehr als alles das Gesetz deiner Liebe erfüllen!“ Amen.