Exerzitienvorträge für die Oblatinnen 1875

      

7. Vortrag: „Über den Eifer für das Heil der Seelen“

Freitagvormittag, 01.10.1875

Meine Kinder, angeregt von Gott schlägt uns jeder Tag ein nachzuahmendes Vorbild vor. Und ich finde, dass man für diese Exerzitien vergeblich gesucht hätte, sie mit aufeinanderfolgenden Festen besser anfallen zu lassen, die mehr geeignet sind, uns zu belehren und zu erbauen.

Heute feiern wir das Fest des hl. Remi. Er war so gut zu uns in den Anfängen der Kongregation. Ihm verdanken wir unsere materiellen Quellen infolge der Eingebungen, die er uns gab, als wir die Oblatinnen und vor allem die Oblaten gründen mussten. Der hl. Remi ist durch die Taufe von Clovis der Schutzherr unseres Landes. Wir verdanken ihm also das christliche Frankreich: er hat es zum Glauben bekehrt. Bitten wir ihn um einen Teil seines Eifers und seiner Hingabe für die Seelen.

Die Oblatinnen sind nur Marien, die beten müssen, sie sind auch Marthas, die handeln müssen. An dem Platz, an dem ich bin, sagte euch Msgr. Mermillod, dass ihr die Hilfskräfte des Klerus sein sollt, dass ihr ein apostolisches Amt zu erfüllen habt. Er hat euch gesagt: „Geht, lehret alle Nationen! Lernt gut auszuführen, was ich euch empfohlen habe, lernt gut für das Heil der Seelen zu arbeiten.“

Heute denken wir einige Augenblicke über den Eifer für das Heil der Seelen nach. Wenn ihr wirklich Oblatinnen seid, werdet ihr diesen Eifer haben, der euch von der Familie zukommt, der von unserem seligen Vater so vollkommen geübt wurde. Sein ganzes Leben lang widmete er sich dem Heil der Seelen. Was hat er am Anfang seines Amtes gemacht! Er bewirkte die Bekehrung von 70.000 Häretikern! Diese Bekehrungen kosteten ihm viele Mühen, sie kamen ihm sehr teuer zu stehen. Jeden Abend musste er nach Allinges schlafen gehen. Und jeden Morgen ging er nach Thonon oder in die umgebenden Länder hinunter. Er ging durch Schneegestöber, erklomm schroffe Felsen, nahm seine Knie zu Hilfe, die fast immer bluteten, so unbenutzbar waren die Wege.

Meine Kinder, hört gut zu, was ich euch gleich sagen werde. In diesen letzten Jahrhunderten gab es vor allem zwei Männer, die viele Seelen bekehrten und deren Bekehrungen dauerhaft waren: den hl. Franz von Sales und Fénelon. Der hl. Franz von Sales hat den Chablais bekehrt, er verschaffte die Bekehrung von einem großen Teil Savoyens. 70.000 Häretiker wurden Katholiken. Ihre Nachkommen sind noch heute die besten Katholiken. Fénelon bekehrte den Westen Frankreichs, der ebenfalls eine der katholischsten Gegenden blieb. Nun, wie kommt es, dass der hl. Franz von Sales und Fénelon, sein treuester Nachahmer, so dauerhafte Bekehrungen erhalten haben? Weil sie wahre Apostel waren und sich ganz hingaben. Sie gaben sich Gott rückhaltlos hin mit einer vollkommenen Selbstverleugnung. Das beweist euch, meine Kinder, dass ihr, wenn ihr treu und euch selbst gestorben seid, wahre Apostel sein werdet.

Möge diejenige, die einen schwierigen Charakter hat, die immer glaubt, dass sie Recht hat und die anderen Unrecht haben, also an sich selbst arbeiten. Wenn sie das für das Heil der Seelen gibt, wird was sie machen wird, halten. Möge diejenige, die private Ideen hat, ihre Vorlieben aufgeben, ihr Urteil dem Urteil der anderen unterwerfen und all das dem lieben Gott für das Heil der Seelen schenken und alles, was sie machen wird, wird von Bestand sein. Möge sich diejenige, die mutlos, antriebslos und ohne guten Willen ist, sich zusammennehmen, sich selbst verleugnen und das dem lieben Gott für das Heil der Seelen schenken, und was sie machen wird, wird von Bestand sein.

Um die Seelen sicher zu gewinnen, meine Kinder, müssen wir uns ganz aufgeben und uns dem lieben Gott so vollkommen schenken, dass wir außerhalb von uns selbst handeln. Wir sind wohl verpflichtet, mit uns selbst zu handeln, wir haben unseren Charakter, wir können ihn nicht ändern: aber es möge immer der liebe Gott vor uns hergehen. Verstecken wir uns hinter ihm, lassen wir ihn handeln, lassen wir ihn machen, handeln und werken wir nur mit ihm. Also wird, was wir machen werden, von Bestand sein, dauern. Es wird dieses Wasser der Samariterin sein, dieses kräftigende Wasser, das hervorquellen wird, das Früchte für alle Ewigkeit hervorbringen wird.

Da ist unsere Stärke, da ist unsere Macht. Sie ist sehr groß, weil sie sich an der Stärke und Macht Gottes misst. Wir sind nichts. Unsere Seele bezieht ihre Stärke und ihre Macht vom lieben Gott.

Meine Kinder, versteht wohl, was ich euch gleich sagen werde. Um gute Oblatinnen zu sein, müsst ihr vollkommene Nonnen werden und nichts für euch selbst behalten. Ich weiß wohl, dass es die Arbeit des ganzen Lebens ist. Das kann nicht an einem Tag gemacht werden! Wir haben in uns viel zu verbessern. Um hinzugelangen, bedarf es der Treue zum Direktorium, zur Beobachtung der Ordensregel und allem, was der liebe Gott von uns verlangt. Wenn wir es so machen, wird alles, was wir beginnen werden, sicher von Bestand sein. Das ist das große Geheimnis des Heils der Seelen. Unser Eifer muss groß sein, sehr groß, es ist der Eifer, den wir aus dem Herzen Jesu schöpfen. Es muss der Eifer unseres Herrn sein, der unser Herz belebt und durch und wirkt. Gott spricht, und wir wiederholen ihn. Es geht, und wir kommen in seinen Schritten voran. Er handelt, und wir handeln nach ihm. Indem wir uns im Herzen Jesu verbergen, wird, was wir machen, bleiben, Bestand haben.

Wie schön ist eure Aufgabe! Ihr empfangt große Gnaden, ihr seid zu einem unendlichen Glück berufen! Ich fürchte nicht es vor dem lieben Gott zu sagen, der Zeuge ist, vor den Engeln des Himmels, die mich hören, vor der ganzen heiligen katholischen, apostolischen und römischen Kirche: ihr seid zu vielen großen Dingen berufen, wenn ihr eurer Aufgaben treu seid, weil euer Meister, der hl. Franz von Sales vor Gott sehr mächtig ist und durch euch, ich sage nicht Wunder, aber gute, große, feste und heilige Dinge wirken wird. Eure Aufgabe ist würdig und einfach. Wenn ihr imstande seid, euch auszulöschen, werdet ihr die Instrumente des göttlichen Handelns sein. Ja, ich sage es, meine Kinder, in dieser Zeit ist es eine apostolische Aufgabe. Habt also Vertrauen, habt große Hoffnung aber gegründet auf der Selbstaufgabe und der treuen Beobachtung der Ordensregel. Zählt auf die Treue meiner Worte, habt den beständigen, heldenhaften Eifer der Apostel. Dann werdet auch ihr Apostel sein, und Gott wird in euch und durch euch wirken.

Ich will euch heute Vormittag nicht mehr darüber sagen. Ließe ich meine Seele sich vor euch ausbreiten, würde ich ständig, unendlich sprechen, weil ich fühle und sehe, was der liebe Gott von uns will und was er durch unseren Vater und unsere Mutter, den hl. Franz von Sales und die hl. (Johanna Franziska) von Chantal machen wird. Das Herz dieser hl. Mutter war so begeistert, dass sich Priester gemäß dem Geist des hl. Franz von Sales und ihren Gefühlen in der Welt ausbreiten würden!

Unsere Mutter, Maria Salesia Chappuis, deren Leben der liebe Gott derzeit nur für unsere Werke erhält, sagte mir auf ihrem Schmerzenslager etwas sehr Starkes. Sie hat mir bestätigt, dass die Oblatinnen berufen sind, Großes zu machen, und dass auch eure Berufung sehr groß ist. Sie hat mir bekräftigt, dass die Seelen, die sich als erste geben werden, mehr als anderswo erhalten werden. Sie hat mir sogar gesagt, dass die sich hier geben und treu sein werden, mehr Gnaden empfangen werden als die, welche unter ihrer Führung sind. Und jetzt lebt diese gute Mutter nur mehr für uns, wir sind ständige Beschäftigung (Anm.: „die ehrwürdige Mutter Maria Salesia Chappuis starb am 07.10.1875.“).

Meine Kinder, vertraut auf Gott, er wird euch seine Gnade schenken. Ihr werdet alles bekommen, was ihr für die Reise braucht. Möge sich jede prüfen, möge sie sehen, was sie zu machen hat, um klein und demütig zu sein. Möge sie sehen, ob sie ihren Charakter, ihre Schwierigkeiten bewältigt, ob sie auf sich selbst verzichtet, um im Gefolge unseres Herrn zu gehen, um wirklich in seinem Herzen zu sein, um am Heil der Seelen zu arbeiten.

Oh Jesus, du hast die Seelen geliebt bis zur Liebe deiner Henker, bis zum Gebet für sie! Du schenktest uns bis zum letzten Seufzer deines Herzens, bis zum letzten Tropfen deines Blutes! Und woher kam dieses Blut? Es kam von diesem Herz, von dem, das in dir am meisten liebte! Oh Jesus, lass uns dich verstehen, dich lieben, damit wir Seelen retten, und dass wir dich eines Tages mit ihnen verherrlichen von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.