Exerzitienvorträge für die Oblatinnen September 1874

      

12. Vortrag: Über die Treue, sich die Gnaden der Exerzitien zu bewahren

Samstag Abend, 19. September 1874

Meine Kinder, da ist das Ende der Exerzitien. Eure Seelen sind diesen heiligen Übungen mit Erbauung und Nutzen gefolgt. Ich werde euch nun einige Hinweise darüber geben, wie ihr euch bewahren sollt, was ihr in diesen acht Tagen empfangen habt.
Wenn die Gnaden Gottes in uns wirken, tragen sie ewige Früchte, und wenn sie nicht in uns wirken, ziehen sie die Kälte Gottes an. Es wird in der heiligen Schrift gesagt: „Wer wird die Härte der Kälte Gottes, die Kälte des Herrn ertragen können?“ Welche Seele ist stark genug, um zu ertragen, dass Gott ihr fremd ist, dass er ihr kein Wort sagt, dass er keinen einzigen Blick auf sie wirft, dass er kein einziges Gefühl der Liebe für sie hat, dass er sie behandelt, als hätte er ihr nie etwas gesagt? O, was müssen wir machen, um diese Kälte zu vermeiden? Was müssen wir machen, um dieses so große Unglück, das schlimmste von allen, zu vermeiden?
Das erste und wirksamste Mittel, um sich die Gnade zu bewahren, das hauptsächliche Mittel ist eine völlige geistliche Sammlung. O, ich bitte euch, verliert nicht, was ihr erhalten habt, denn würde der geringste Hauch, die leichteste Zerstreuung über eure Seele kommen, wären diese acht Tage gänzlich verloren, wären es acht unnütze Tage, und es würde euch wenig, sehr wenig von euren Exerzitien bleiben. Bewahrt euch also, meine Kinder, eine große innere Sammlung, erinnert euch an die frommen, die heiligen Gedanken, die ihr hattet. O, lasst sie nicht entschwinden, erinnert euch an sie nacheinander; lasst sie nicht in euch verblassen, bewahrt euch eine tiefe Sammlung.
Morgen wird euch die Feier Zerstreuung geben, die eure Gedanken zu den verschiedensten Horizonten tragen werden. Ihr müsst sehr ernsthaft über euch wachen. Ihr werdet euch die Grundlagen, den Duft eures Herzens, eurer Seele, den Duft eurer Exerzitien bewahren. Der heilige Franz von Sales sagte: „Wenn ich zerstreut bin, schreie ich lauter zum lieben Gott, damit die Zerstreuung entschwindet.“ Er hatte eine große Gabe zur inneren Sammlung.
O meine Kinder, seid auch sehr dankbar für das, was der liebe Gott für euch macht! Ohne Zweifel sind alle Berufungen, die oder jene Gnaden die Gaben der Liebe Gottes: sie sind in der Ordnung Gottes ein Zeugnis seiner Güte und Liebe; aber die Ordensberufung ist ein einzigartiges Zeugnis von der Güte Gottes, wie es kein größeres gibt. Wenn du uns rufst, Herr, sagst du uns: „Ich brauche euch, nicht zu meiner Ehre, sie ist grenzenlos, ich brauche euch, nicht für mein Glück, es ist unendlich; ich brauche ein Herz, das mich versteht, eine Seele, die mir dient, und ich habe euch erwählt. Ich bin derjenige, der von Ewigkeit zu Ewigkeit herrscht. Das Herz des Menschen hat Anziehungen, die vergehen, ähnlich dem leichten Dampf, der am Horizont erscheint, und der sich sogleich auflöst; und dennoch liebe ich diesen Menschen, der vergeht, dieses Wesen eines Tages; ich will sein Herz erfüllen, ich will den Tribut seiner Liebe, seiner Dankbarkeit belohnen.“
Das sind die Gedanken, die euch einnehmen sollen. O meine Kinder, was wollt ihr? Wollt ihr, dass euch der liebe Gott hier auf Erden eine Krone aufs Haupt setzt? O, eine Krone ist zu schwer, das lässt manchmal den Verstand verlieren! Mit ihrem Perlendiadem tragen die Königinnen meistens nur eine Schmerzenskrone. O meine Kinder, kann man an die menschliche Zuneigung immer glauben? Ich kannte einen jungen Mann, der gerade seinen Anteil in der Welt einnehmen wollte. Er sagte sich: „Bin ich wohl sicher, dass man meiner Zuneigung wird entsprechen können? Werde ich immer meiner selbst würdig sein? Werde ich mein Herz hüten können? Wird mein Wille unwiderruflich sein?“ Und er sagte zu den Personen, die ihm umgaben: „Ich gebe mich entschieden Gott.“
Meine Kinder, was wollt ihr, dass der liebe Gott euch gibt? Reichtümer? Was ist das? Gott ist der Vater aller. Das Vermögen versteckt die Dornen, die Pfeile, die das Herz durchstoßen, die schlechte Gesundheit, die Schmerzen des Herzens, der Seele, des Geistes. Tatsächlich – ich sage es vor dir, o mein Gott – ist unter dem Dach der sehr reichen Frau oft mehr Elend, mehr Schmerz als unter dem Dach der demütigen Arbeiterin. Ohne Zweifel habt ihr, meine Kinder, Verwandte, die euch besonders lieben. Ihr liebt sie auch sehr. Aber was könnten sie am meisten zu eurem Glück erfinden? Wenn ich mich einmischen würde, ihnen meine Meinung kundzutun, würde ich ihnen sagen: „Ah! Lasst sie ihrem Gott; ich versichere euch, dass ihr Stand der glücklichste ist. Ihr möchtet ihnen eine Krone aus Gold geben, ein Diadem der Macht, der Liebe? All das ist nichts, all das ist nicht von Dauer, das ist Staub, das ist ein wenig Schmutz!“ Aber deine liebe dauert, o mein Gott. Und deine Liebe ist immer sicher. In deiner Liebe herrscht die Fülle der Liebe!
O mein Gott, wir lieben dich, wir verehren dich und wir lobpreisen dich ewig! Amen.

Gott sei gebenedeit!