Exerzitien für Jungarbeiterinnen, August 1870

      

3. Die Herzensreinheit

Meine Kinder, im Psalm 118 steht ein Wort, auf das ich eure Aufmerksamkeit lenken, das ich euch Abend auslegen möchte: „Mein Herz soll rein sein, damit ich nicht zuschanden werde.“ Es gibt viele Kinder und sogar junge Mädchen, die sich einbilden, was nur im Geist existiert und sich nicht nach außen überträgt, sei es durch Worte oder Handlungen, das sei keine Sünde. Sind sehr erstaunt, wenn sie ihren Katechismus lernen, festzustellen, dass man durch Gedanken und Wünsche sündigen kann. Stehen wir denn nicht durch das Denken über den Tieren? „Aber ich tue niemanden etwas Böses“, werden sie sagen. Das ist wenigstens scheinbar möglich, aber sie erniedrigen ihr Denken, d.h. was sie über die anderen Geschöpfe erhebt. Ohne das Denken wären wir ihnen unterlegen.

Ihr glaubt euch erlauben zu können, an alles zu denken, was ihr wollt, ohne Gott zu beleidigen und ohne die Sünde zu begehen, die der Apostel in einer Versammlung von Christen nicht zu nennen erlaubt! Aber überlegt: was sind gewöhnlich die Ursachen dieser abscheulichen Sünde, die erniedrigt und die manchmal unauslöschliche Spuren in der Seele hinterlässt? Es beginnt oft unmerklich, manchmal mit einer Unterhaltung zwischen zwei Kindern, mit mangelnder Wachsamkeit seitens der Eltern, mit einer schuldhaften Nachlässigkeit in der Beaufsichtigung der Kinder. Oft ist die Familie nicht mehr ein Heim, wo die Sitten ganz rein sind, und wird für das Kind kein Heiligtum mehr sein, wo seine Tugend geschützt ist. Dann ist es Sache der älteren Schwestern, über die Jüngeren zu wachen, um sie vor dieser schrecklichen Gefahr zu bewahren.

Meine Kinder, ich kann euch nicht genug empfehlen, über euch selbst zu wachen, über euer ganzes Verhalten. Fürchtet das Böse, das ihr bei anderen anrichten könnt, ohne euch darüber zu täuschen. Glaubt ihr wirklich, dass ihr durch euer wenig bescheidenes und aufreizendes Aussehen auf der Straße, durch zu große Freiheit in euren Blicken und eurer Haltung nicht die Ursache von viel Bösem seid? Am Tag des schrecklichen Gerichtes werden die Schutzengel der Seelen, die euretwegen in Sünde gefallen sind, eure Ankläger vor Gott sein. Der eine wird sagen: „Sie war die Ursache eines schlechten Gedankens“. Ein anderer: „Sie hat ein böses Verlangen geweckt.“ Ein dritter: „Sie war die unglückselige Ursache vieler Sünden.“ Ihr werdet sagen: „Aber ich habe davon nichts gewusst, Herr…“ Ach, ihr habt es bis jetzt nicht gewusst? Gut, jetzt sage ich es euch an Gottes statt. Ihr wisst es. Achtet darauf! Der Prophet bittet Gott um Vergebung aller Sünden, die er begangen hat, all derer, die er kennt und all jener, die er nicht kennt. Alle heiligen Väter verstehen übereinstimmend unter diesen Sünden, die man nicht kennt, jene, die man verursacht hat. Beachtet das also gut, meine Kinder.

Wie entsteht diese unglückselige Neigung zum Bösen in einer Seele? Durch schlechte Lektüre, durch leichtfertige Reden, durch zu freie Blicke. Das kleine Kind, dessen Bescheidenheit einen unheilvollen Schaden erlitten hat, sieht diese schlechte Haltung mit sich wachsen. Und später ist sie ein unausrottbarer Fehler, wenn man sich in dieser traurigen Leidenschaft gehen lässt und nicht von Anfang an die sündigen Gedanken unterdrückt, die sich dem Geist und dem Herzen anbieten. Das führt im Bösen soweit, dass man einer Frau nie verzeiht, sich schlecht benommen zu haben, obwohl die öffentliche Meinung inzwischen sehr gesunken ist. Die Männer verzeihen diese Sünde nicht. Es gibt nur einen, der Verzeihung für diese Art der Sünde fand und die sündige Seele rehabilitiert hat, und dieser Mann ist Jesus Christus. Wenn die Seele aus dem heilsamen Bad der Buße für diese Sünde wie für alle anderen hervorgeht, ist sie von neuem bekleidet mit Unschuld und Reinheit, ihr Anrecht auf den Himmel ist wieder hergestellt, obwohl ihr die Menschen nicht die Ehre der Wiederherstellung ihres befleckten Rufes erweisen.

Die schlechte Lektüre, liebe Kinder, ist eine wichtige Ursache von Sünden auf diesem Gebiet. Ein Mädchen liest gern. Ich weiß wohl, dass euch die romantischen Abenteuer gefallen. Aber seid auf der Hut. Wenn ein Mädchen andere Bücher kennt als die Nachfolge Christi oder bestimmte Werke, die geeignet sind, sie zu bilden oder unschuldig zu unterhalten, das impft sich nach einem Wort der Heiligen Schrift das Gift der Sünde ein. Hütet euch recht davor! Das ist eine große Quelle von Sünden.

Eine der großen Gefahren, denen sich die Seele aussetzt, wenn sie sich in Fehlern dieser Art gehen lässt, ist der Verlust des Glaubens. Man hört manchmal Leute darüber klagen, dass sie keinen Glauben haben. Wie könnt ihr zu sagen wagen, dass ihr keinen habt? Und ich antworte euch: Wenn ihr keinen habt, dann deswegen, weil ich nicht keusch seid. Am Tag eurer Taufe, eurer Erstkommunion hattet ihr den Glauben und alle erforderlichen Gnaden, um ihn zu bewahren und euch zu retten. Wenn ihr ihn nicht mehr habt, dann deswegen, weil ihr ihn durch eure Sünde verloren habt. Vor drei Wochen habe ich einen Brief von einem meiner früheren Beichtkinder erhalten, das mir schrieb: „Mein guter Pater, zwischen uns gibt es verschiedene Auffassungen über die Religion. Seit meiner Ankunft in Großbritannien hatte ich Gelegenheit, die Protestanten und ihre Geistlichen kennen zu lernen. Einer von ihnen besucht mich jeden Tag und ich schätze ihre Religion mehr als jede andere. Beten Sie für mich, Pater.“ Vor drei Tagen habe ich geantwortet: „Mein Kind, Ihr Religionswechsel ist ganz natürlich. Nach dem Leben, das Sie während fünf Jahren in Paris geführt haben, ist es ganz einfach, dass Sie protestantisch werden. Sie bitten mich, für Sie zu beten. Dazu fühle ich nicht den Mut, wenigstens solange mir Gott nicht eines Tages zu verstehen gibt, dass er Vergebung für Sie finden konnte.“ Man braucht keinen anderen Ursprung für den Protestantismus zu suchen: hier ist der wahre!

Oh Mutter aller Reinheit und Heiligkeit, bewahre diese Mädchen vor dem unreinen Atem des Teufels. Erhalte sie stets rein, und wie die Lilie des Tales ihre Stängel himmelwärts streckt, wie sie von der Sonne Wärme und Leben empfängt und all ihren Duft zum Himmel sendet, so mögen sie vor allem Bösen bewahrt bleiben und sich damit befassen, deine Reinheit nachzuahmen, heilige Jungfrau.