Erstkommunion-Exerzitien (aus den Jahren 1876-1889)

      

8. Am Abend des Kommunion-Tages

Meine Kinder, wisst ihr genau, was ihr heute zu tun habt? Ihr müsst ein Mittel finden, damit der Tag eurer Erstkommunion immer andauert. Dass er nicht nur bis morgen und übermorgen dauert, sondern bist zu eurem letzten Tag, dem Tag, da der Herr euch die Pforten der Ewigkeit öffnen wird. Wollt ihr das? „Aber, was kann man tun“, sagt ihr, „dass dieser Tag so lang ist? Gott hat nie einen Tag länger als 24 Stunden gemacht. Er wird das nicht ändern. Welches Mittel kann man da anwenden, damit alle Tage eine Fortdauer des einen sind? Wir werden unser weißes Kleid nicht mehr tragen, keine brennende Kerze in der Hand halten, keinen Schleier auf dem Kopf haben.“ Nein, meine Kinder, aber obwohl ihr eure gewöhnlichen Kleider tragt, könnt ihr stets euer weißes Kleid bewahren, dieses Kleid, schön wie das der Engel, die euch in diesem Moment voll Neid betrachten und sagen: „Wie schön ist unsere kleine Freundin!“ Was ist denn dieses Kleid, liebe Kinder? Es ist das Kleid der Gnade, das eure Seele schmückt. Oh, bewahrt dieses Kleid euer Leben lang weiß, damit ihr es rein vor den Thron des Herrn bringen könnt. Dazu müsst ihr den geringsten Makel vermeiden, der die Unschuld trüben könnte. Achtet gut darauf, liebe kleine Freundinnen.

Vor einigen Jahren war ich bei einem kranken Zögling. Sie lag auf dem Sterbebett und war erst 15 Jahre alt. Ihre mageren Hände, ihr fahles Gesicht kündigten ihr nahes Ende an. Ich [fragte sie]: „Leidest du sehr?“ – „Oh ja, aber ich bin nicht unglücklich. Ich bin so glücklich wie am Tag meiner Erstkommunion.“ Warum war sie so zufrieden? Weil sie stets alles getan hat, um den geringsten Fehler zu meiden.

Ihr werdet es machen wie sie, nicht wahr, meine Kinder? Die Last der Sünden drückt sehr schwer! Sollte es euch passieren, dass ihr eine begeht, lasst ihr Gewicht nicht auf euch lasten. Man muss sie sehr schnell am Richterstuhl der Buße abladen. Das ist das Verhalten, an dem alle Christen festhalten müssen. Aber für die Kinder des hl. Franz von Sales, die unter dem Einfluss seines segensreichen Geistes leben, gibt es noch etwas anderes.

Hat euch Gott nicht heute Morgen eines der kleinen Worte gesagt, die das Herz ergreifen, die uns für immer an ihn binden? Eine bestimmte Aufgabe, zu der er euch beruft? …

Der hl. Aloisius von Gonzaga hat bei seiner ersten heiligen Kommunion die Gnade der Berufung erhalten. Eines Tages fragte der Obere während der Freizeit ihn wie seine Kameraden, was er täte, wenn er in diesem Augenblick sterben müsste. „Ich würde in der Freizeit bleiben“, antwortete Aloisius, „denn ich erfülle den Willen Gottes.“ Was ließ ihn diese Antwort geben? Das war die Frucht seiner Treue zur Gnade seit seiner Erstkommunion.

Gestern haben wir das Fest der hl. Angela Merici gefeiert (Anm.: „der römische Kalender datiert dies auf den 27. Januar“), die schon als kleines Kind unseren Herrn sehr liebte. Noch sehr jung wurde sie Waise und ein Onkel nahm sie mit ihrem Bruder und ihrer Schwester bei sich auf. Da starb kurz darauf auch ihre Schwester, die sie sehr liebte. In ihrem Schmerz sagte Angela zu Gott, sie wollte gerne wissen, was aus ihrer Schwester geworden ist. Als sie sich eines Tages ganz traurig auf dem Land erging, gewahrte sie plötzlich ein großes Licht. Dann erkannte sie darin ihre Schwester, umgeben von Engeln und eine Stimme sagte zu ihr: „Angela, halte aus, wie du begonnen hast, dann wirst du eines Tages unser Glück teilen.“ Angela blieb tatsächlich Gott recht treu. Sie empfing ihre Erstkommunion in vorzüglicher Verfassung und erhielt zeit ihres Lebens große Gnaden.

Auch ihr, liebe Kinder, habt gewiss während der paar Tage Exerzitien einen guten Teil der Gaben Gottes empfangen. Ihr werdet an diese Exerzitien denken. Bewahrt stets die kleine Kammer eures Herzens. Sagt Gott oft: „Sage mir, Herr, wie gütig du zu einem Kind bist, das dich liebt. Ich will dir treu sein.“

Als ich in Paris ankam, traf ich einen früheren Zögling der Heimsuchung. Sie ist jetzt 80 Jahre alt. Sie hat die Erinnerung an die Gnaden nicht verloren, die sie im Hause des hl. Franz von Sales empfangen hat. Diese Dame sagte mir: „Ich bin recht froh, dass Sie Exerzitien predigen. Ich will viel für die Kinder beten, die ihre Erstkommunion empfangen, damit sie an diesem Tag die Gnaden erlangen, wahrhaft christliche Frauen zu werden, und einen großen Glauben zu haben. Oh, ich habe alle möglichen Prüfungen durchgemacht, alle Trübsäle. Ich bin durch Wasser und Feuer gegangen, und ich habe mich nur auf den Glauben gestützt.“ Diese Frau ist tatsächlich immer geblieben, was sie am Tag ihrer Erstkommunion war.

Liebe kleine Freundinnen, bleibt auch ihr stets, was ihr heute seid, in der Erziehung, und den Ansichten, im Urteil. Lasst euch recht nach dem Bild des hl. Franz von Sales formen. Das bedeutet, ihr sollt schlicht sein, ohne anderen Ehrgeiz, als gut und immer empfänglich für die Gnade zu sein. Wie schön ist eine Seele, die durch diesen großen Heiligen geformt ist! Welche Würde! Wie zeichnet sie sich aus, nicht durch Reichtum und Hochmut, sondern durch die Tugend der Demut und durch Opfergeist! Sie trägt eine Krone, aber nicht die Krone einer Kaiserin, die vergänglich ist, deren Diamanten oft durch Dornen ersetzt werden, wenn diese Krone nicht zum Tode führt… Eure Krone, meine Kinder, lässt euch der Schwierigkeiten Herr werden, denn ein Kind des hl. Franz von Sales wird immer über den menschlichen Ansichten stehen. Eure Krone ist jene, die die Stirn Mariens schmückt. Folgt eurer Mutter, hört auf sie. „Fürchte dich nicht, meine Tochter“, sagt sie euch, „dein Weg wird vielleicht durch Dornen führen, aber deine Krone wird dich schützen.“

Der hl. Franz von Sales handelte nur nach dem Geist und dem Herzen Gottes. Hört das Lob, das ihm ein großer König spendete. Der Heilige begleitete einen Prinzen von Savoyen an den Hof von Frankreich. Heinrich IV. sagte über ihn zu seinen Höflingen: „Der Bischof von Genf vereinigt in hohem Grad alle Tugenden. Er hat keinen einzigen Fehler. Hätte ich nicht konvertiert, er hätte mich heute in den Schoß der Kirche zurückgeführt. Ihr seht, meine Kinder, der große Heilige hat durch seine Einfachheit, durch sein seltenes Verdienst alle anderen Persönlichkeiten seiner Zeit überragt.

Wenn ihr euch in einem Garten ergeht, liebe kleine Freundinnen, werdet ihr zweifellos unter den Blumen auch einige Lilien finden. Seht, wie sie wachsen, sich entwickeln. Aber sie bleiben immer Lilien. Bleibt also auch ihr recht, was ihr heute seid, für Gott, für eure Eltern. Eure Gedanken, eure Gefühle sollen die ihren sein. Oh, achtet gut darauf! Der hl. Franz von Sales empfahl mit großem Nachdruck die Treue gegen die Gebote Gottes.

Eines Tages brachte eine junge Frau, Madame Olier, ihre Kinder zu ihm, damit er sie segne. Der heilige Bischof empfing alle mit seiner gewohnten Leutseligkeit und umarmte eines nach dem anderen. „Monseigneur“, sagte die Mutter und stellte ihm den Jüngeren vor, „der macht mir viel Kummer. Er ist so schlimm, dass ich mich frage, was aus ihm werden soll.“ Jean-Jacques beginnt zu weinen. Der hl. Franz von Sales segnet ihn und rät Madame Olier, die Vergangenheit zu vergessen. „Er muss versprechen, artiger zu sein“, erwiderte die Mutter. „Nun denn“, antwortete der Heilige. „Ich betrachte ihn als meinen Sohn, und wenn er nicht versprechen will, artiger zu sein, verspreche ich es für ihn, deine Mutter, damit du lange lebest auf Erden.“ Und mit prophetischem Blick fügte er hinzu: „Ändern Sie Ihre Befürchtungen in Danksagung: Gott hat ihn erwählt, dass er eine Zierde seiner Kirche werde.“ Jean-Jacques besserte sich und wurde später der berühmte Mann, der die Kongregation der Priester von Saint-Sulpice gründete.

Meine Kinder, bleibt für eure Eltern das, was ihr heute seid. In unserer Zeit liebt man zwar Vater und Mutter noch, aber respektiert man sie nicht mehr. Liebe kleine Freundinnen, beugt stets euren Willen, euer Herz den Wünschen derjenigen, die euch teuer sind, die so viel für euch getan haben. Fügt euch, was auch ihr Wille sein mag, selbst wenn er nicht mit dem übereinstimmt, was eure Ansicht als Mädchen für besser hält. Ja, liebe Kinder, lernt euren Willen dem eurer Eltern beugen. Wenn ihr das gut macht, versichere ich euch vor Gott, den ihr empfangen habt, der gleich euer Versprechen hören und euch segnen wird, dass ihr ein langes Leben, glückliche Tage hier auf Erden haben werdet, wie es Gott jenen versprochen hat, die ihre Eltern achten und ehren.

Nun werdet ihr aufstehen und, die Hand auf dem Evangelium, den Grundsätzen Satans widersagen und ihr werdet Jesus bitten, dass ihr ihm alle Tage eures Lebens treu dient. Dann werdet ihr euch der heiligen Jungfrau weihen, die euch als ihre Kinder betrachten wird. Sie ist die Hoffnung der christlichen Familien. Sie wird ihre schützende Hand über alle Häuser halten, in denen die hier anwesenden Familien wohnen.

Maria, höre deine Kinder! Empfiehl ihre Eltern deinem göttlichen Sohn und bitte ihn, sie mit seinen Gnaden zu überhäufen. Segne die Mütter und die Väter. Vereinige alle Seelen in einem einzigen Segen. Lass sie die unaussprechlichen Freuden des Friedens verkosten. Gieße die Liebe deines Herzens über alle aus. Möge sie in ihnen bleiben, heute, morgen, immer, und in Ewigkeit. Amen, amen.

DSB – GOTT SEI GEBENEDEIT!