Kapitel vom 13.05.1896: Die Lehre der Guten Mutter
Jeder religiöse Orden hat seinen bestimmten Ausgangspunkt, jeder seine Achse, um die er sich dreht: sein Lehrgut, die Grundsätze, Regeln und Aktionen der Kongregation. Wir haben den hl. Franz v. Sales und seine Lehre, in der rechten Weise und in wahrem Sinn verstanden. Mehr noch, wir haben den hl. Franz v. Sales, erklärt und ausgelegt von der Guten Mutter Maria Salesia. Sie hat von seinem Lehrgut ohne jeden Zweifel den besten und genauesten Kommentar geliefert, den man finden kann. Und all das ist, ich wiederhole es, unser Eigentum. Betrachtet die Jesuiten. Was hat ihre Stärke ausgemacht? Ihre Ehrfurcht vor dem Buch der Geistlichen Exerzitien des hl. Ignatius. Nehmt dieses Büchlein zur Hand: es ist nichts anderes als eine Art Katechismus des geistlichen Lebens, ein sehr nüchterner Katechismus, der auf den ersten Blick sich nicht viel über das Niveau anderer Katechismus zu erheben scheint. Es enthält die wichtigen Glaubenswahrheiten, die letzten Ziele und die Grundsätze des geistlichen Lebens, sehr bündig dargestellt. Es sind theologische Kapitel, die für sämtliche Orden und Kongregationen Geltung haben. Indem die Jesuiten sie studiert, sich assimiliert und kommentiert haben, machten sie daraus eine Macht, eine kraftvolle Kriegsmaschinerie, um die Seelen zu erobern. Ich möchte mich bestimmt nicht anmaßen, uns mit irgendjemand zu messen. Aber schließlich ist die Lehre der Guten ebenso vollkommen wie die anderen. Sie entspricht den derzeitigen Bedürfnissen, ist so vollendet, dass man sie für jedermann, alle Orte und Lebensumstände gebrauchen kann: für Ordensleute, Weltgeistliche, Laien, Kinder, Kleine und Große, für jedes Alter und jede Situation. Alle finden darin ihre Nahrung. Es ist genau das, was den Seelen in der Gegenwart nottut. Die äußeren Lebensumstände gleichen heutzutage bestimmt nicht mehr denen, in welchen die Christen vor 200 oder auch vor 50 Jahren leben mussten. In den augenblicklichen Bedingungen des Handels und Verkehrs, der Industrie, des Bankwesens, auch der Gesundheit und des Temperamentes, sehen sich die Theologen gezwungen, mehr als eine Ausnahme von der Regel zuzulassen, die sie früher nicht geduldet hätten. Wie viel zwangsläufige Dispensen in Punkto Sonntagsarbeit, Fast- und Abstinenzgebot, verzinsliche Darlehen, um nur diese paar Punkte zu nennen, in denen das alte Kirchengesetz nicht mehr rigoros beobachtet werden kann oder die Kirche sich gezwungen sieht, Dispens zu erteilen oder die Augen zu schließen!
In der gegenwärtigen Stunde tut den Seelen eine Lehre not, die sie inmitten aller Schwierigkeiten im christlichen Glauben erhält, eine Lehre, die neuartige Mittel anbietet als Ersatz für vergangene. Das Lehrgut des hl. Franz v. Sales sowie der Guten Mutter Maria Salesia liefert diese Mittel, um zu Gott zu finden, mit unserem Herrn trotz der Schwächen unseres Charakters und unserer Mittel verbunden zu bleiben, und das in allen Lebensumständen, in die wir geraten können. Anstelle der körperlichen Abtötungen sowie der schweren Arbeiten, die wir nicht mehr leisten können, bietet sie uns eine mehr innere und konstante Abtötung an, eine ununterbrochene Vereinigung des Geistes und mehr noch des Herzens und Willens. Das sind mehr innerliche und weniger in die Augen springende Mittel, die uns gleichwohl sicher zur Heiligkeit führen. Und diese Mittel benutzen wir ebenso gut für selbst wie auch um sie andere zu lehren. Ja, meine Freunde, es ist so schön, Oblate zu sein.
Einer unserer Patres hat „Die Gedanken der Guten Mutter“ veröffentlicht. Es sind Auszüge aus ihren Briefen und privaten Aufzeichnungen. Sie wurden in den „Annales“ sowie in den Bändchen, die ihr kennt, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das ist eine gute Idee und eine vorzügliche Art, die Gute Mutter bekannt zu machen. Gebrauchen auch wir gern dieses kleine Büchlein, um zu suchen und zu verstehen, was die Gute Mutter gesagt hat.
Am Anfang bietet es Schwierigkeiten. Ihre Ausdrucksweise scheint nicht sehr klar, aber es existiert ein Schlüssel, uns das Verständnis hierfür zu eröffnen: der Schlüssel des Herzens, der Gottesliebe und der Treue zum Direktorium. Praktiziert darum dieses Leben des Direktoriums. Dann könnt ihr es verstehen. Mit diesem Schlüssel öffnet ihr die Tür und tretet ein ins Heiligtum, wo euch das Licht überflutet. Auf dieses Standpunkt müssen wir uns stellen. Wer in der Liebe Gottes steht, lebt in der Gesellschaft Gottes. Und in dieser Gesellschaft versteht man ihn (Anm.: „d.h. Gott“) besser. Gewiss begreift man nicht seine Wesenheit. Er ist unnahbar für unsere schwachen Fähigkeiten, aber wir verstehen ihn doch in seiner Liebe zu uns, in den Wegen, auf denen er uns führt.
Für diese Dinge sollte jedermann große Ehrfurcht und Ergebenheit bekunden. Jeder sollte sich auch mit einem ganz besonderen Vertrauen auf diese Lehre stützen. Ich habe lange Jahre mit der Guten Mutter verbracht, sah und bewunderte, was sich in ihrer Seele abspielte. Es fehlte mir jedoch etwas an Vertrauen. Es stand dermaßen meinen eigenen Lebensplänen entgegen, dass ich mein Urteil nicht unterwerfen wollte. Oft sagte sie mir: „Später werden Sie einsehen, welche Wirkungen das alles hervorbringen wird. Es wird Großes in den Seelen und der hl. Kirche wirken.“ Gerade die Oblaten des hl. Franz v. Sales sind berufen, diese Lehre zu verbreiten und an die Seelen weiterzugeben, sie auf diesen Weg hinzulenken, sie aufzuklären und zu stützen. Dann wird mit Hilfe dieses „Weges“ eine wahre Umwandlung der Seele vor sich gehen mittels der Angleichung und Ähnlichkeit mit dem Erlöser und mit Gott. Und jene, die Gott so ähnlich geworden sind, werden durchaus keine anderen Züge an sich tragen als die Menschheit Christi, sondern eine völlige Ähnlichkeit mit ihr aufweisen.
Dieses kleine Büchlein der „Gedanken der Guten Mutter“ sollten wir alle haben. Wir sollen es lesen und verstehen. Erflehen wir von Gott die nötige Einsicht. Sein Verständnis ist nicht schwer, um es noch einmal zu betonen, wenn man sich etwas Mühe gibt, es demütig und im Geist der göttlichen Liebe studiert.
Es gilt also studieren und sich an die Gute Mutter um Hilfe wenden. Bitten wir sie, sie möge in jedem von uns das Werk fortführen, das Gott in uns begonnen hat, in jedem von uns entsprechend seinen Verpflichtungen, seinem Amt und seinen Fähigkeiten dasselbe wirken, was er in ihr gewirkt hat. In jedem von uns findet sich nämlich die Gabe Gottes, sie wird nur nicht überall auf dieselbe Art und Weise wirksam. Das hängt ab von der Situation, dem Charakter, der Treue, der Zustimmung und Liebe eines jeden Einzelnen. Bitten wir die Gute Mutter, sie möge uns ihrer Sondergnaden teilhaftig machen. Das wird sie mit Sicherheit tun, weil ihr die Heranbildung der Priester, von Priestern also, die nach dem Modell des hl. Franz v. Sales gemäß seinen Weisungen und Lehren leben, so sehr am Herzen liegt. Wir müssen ohne Einschränkung die Kinder der Guten Mutter werden und großen Eifer entwickeln, der genannten Gnaden teilhaft zu werden. Mit ihrer Hilfe werden wir es zu etwas bringen und etwas leisten. Ohne sie aber sind wir nichts.
Ich wiederhole: Wenige religiöse Kongregationen haben meines Erachtens mit bedeutenderen Gnaden, einem solideren Fundament, genaueren Weisungen und Belehrungen begonnen als wir. Ich behaupte: wenn wir gute Oblaten sind, wird das innerliche Leben, der klösterliche Geist niemals in so vollkommenem Ausmaß, innerhalb so weit gesteckter Grenzen Wirklichkeit, niemals in einer so gesunden, gesicherten, ja sogar in einer so wirksamen Theologie angewandt werden wie bei uns. Nehmt euch das tief zu Herzen, und möge man sich in jedem Haus unserer Genossenschaft befleißigen, alles auf dieses Ziel ausmünden zu lassen.
Bitten wir den hl. Franz v. Sales, das gut zu tun, was sie gelehrt haben. Bewahren wir es im Grunde unseres Herzens, schreiten wir beständig in dieser Richtung voran. Beleben wir uns mit diesem Geist, dann wird unser Schaffen jederzeit von Gott mit Wohlgefallen angesehen und gesegnet werden.
Unseres Patres in Afrika, die von Trockenheit und Hungersnot niedergedrückt, vor Hungers sterben, schreiben mir einen Brief. Was sie schreiben, ist bewundernswert und durchaus des hl. Franz v. Sales und der Oblaten würdig. Sie erklären, sie wüssten nicht, wie die schreckliche Lage, in der sie stehen, enden solle. Doch seien sie entschlossen, trotz der dringenden Bitten, die man an sie richtet, das Land nicht zu verlassen. Was sollten auch alle die armen Menschen, die sie nicht mitnehmen können, ohne sie machen? Sie wollen lieber mit ihnen sterben als sie im Stich lassen und bei ihr ausharren. Die Gnade Gottes werde ihnen helfen, sagen sie. Das ist schön, meine Freunde und genau der Geist des hl. Franz v. Sales. Es ist das Werk Gottes, das sie da vollbringen: nicht auf sich selbst Rücksicht nehmen, um einzig den Auftrag Gottes ins Auge zu fassen. Alles Gott übergeben, in unserem Herzen nicht die kleinste Faser zurückbehalten, die nicht für Gott ist.
Unser Heiliger hielt keine großartigen Vorträge über die Abtötung oder über den Eifer. Er setzte seinen verblüfften Zuhörern nicht wunderschöne Pläne und außergewöhnliche Programme vor Augen. All das berührt ihn gar nicht. Was ihn bewegt, das einzige, was er liebt, war, den Willen Gottes zu tun und die Pläne Gottes über seine Person zur Erfüllung zu bringen, Schritt für Schritt dem göttlichen Wohlgefallen zu folgen, im Kraftfeld Gottes zu stehen und zu schaffen. Hier lag sein Geheimnis und das schließt alles in sich ein. Halten wir uns ebenfalls aufs Engste an Gott und lassen wir für ihn alles zurück. Ihr seht, wie weit das führt, bis an die Grenzen der Gnaden. Wenn wir dieser Gnade treu entsprechen, kann sie aus uns alles machen. Sie hat den hl. Franz v. Sales wie die hl. Franziska v. Chantal geformt, ebenso die Gute Mutter. Sie hat auch den hl. Vinzenz v. Paul, den hl. Alfons geheiligt. Alle Heiligen erreichten das Ziel, der eine auf dem, der andere auf jenem Weg, aber alle, indem sie treu mit der Gnade mitwirkten, sich ihrer selbst und von allem entäußerten, um nur noch den Willen Gottes zu erfüllen. Recht verschiedenartige Wege gingen die Heiligen: der hl. Stifter nahm den kürzesten Weg und er wollte auch uns diesen Weg weisen. Da steht ein Berg, ein Felsen vor ihm. Er geht nicht gerade darauf los, stößt und bricht sich nicht an ihm. Er sucht an einer Flanke, in einer Schlucht einen Pfad, über den er den Gipfel erreichen kann. Genau diesen Pfad wählt er und steigt dann ganz einfach und ohne sonderliche Mühe bergan und nimmt mit sich alle seine Kameraden.
Danken wir dem lieben Gott für die Gnade, die er uns damit erwiesen hat, dass er uns auf diesen Weg stellte. Je weiter ihr auf ihm voranschreitet, meine Freunde, desto klarer stellt ihr die Wahrheit dessen fest, die ich euch da vortrage. Ihr werdet Vergleiche ziehen und eure Beobachtungen machen. Schätzt darum nach ihrem ganzen Wert die Gnade ein, die euch da angeboten wird, dass ihr mit dem Geist des hl. Franz v. Sales genährt werdet. Achtet die Lehre der Guten Mutter hoch. Es gibt nichts Umfassenderes, Aktiveres und Kostbareres zur gegenwärtigen Stunde. Erfüllt all euer Tun mit diesem Geist, dieser Lehrer und diesen Mitteln: eure Studien, eure Arbeiten, euer ganzes Leben nach innen wie nach außen, bis damit zu guter Letzt auch euer Predigen, Beichthören und eure Werke des Eifers für das Heil der Seelen ganz durchtränkt sind.
Ich lege großes Gewicht darauf. Wir haben alles in den Händen, befinden uns auf dem rechten Weg, um zu Tugend und Vollkommenheit zu gelangen. Ich lege deshalb besonderes Gewicht darauf, weil in diesem Augenblick Widerstände und Angriffe erfolgen auf die Lehre der Guten Mutter. Diese Angriffe kommen von Seiten von Priestern und Ordensleuten. Bestimmt sind die Geister nicht alle vom selben Holz geschnitzt und sie sollen auch gar nicht alle den gleichen Weg gehen. Wir müssen denen verzeihen, denen das Verständnis dafür abgeht. Ihr Widerstand scheint umso erbitterter als sie spüren, dass hier eine Kraft und Stärke, ein vitaler Geist am Werke ist, der sich nicht ersticken lässt. Selbst in der Heimsuchung gibt es zurzeit gewisse Geister, die sich dieser Art zu urteilen und zu handeln entgegenstemmen, und dabei ist dies doch genau die Art des hl. Franz v. Sales. Manche Heimsuchungsschwestern begreifen dies aber nicht. Sie befleißigen sich, an uns Fehler zu entdecken, an uns wie an unserer Lehre, d.h. an der Guten Mutter. Nun, an uns kann man leicht Fehler finden, an der Lehre der Guten Mutter ist dies schwieriger. Man hat in Rom ihre Schriften und Briefe geprüft und erklärt, der Fortsetzung ihres Seligsprechungsprozesses stünde nichts im Weg.
Ich freue mich, dass P. Pernin Auszüge aus den Briefen der Guten Mutter herausgibt. Er hat dafür eine gute Methode gewählt: er teilt den Stoff nicht in Kapitel ein oder bietet sie in einem Stück dar, sondern trifft eine Auswahl von herausragenden und ganz praktischen Gedanken, die für die große Mehrzahl der Leser am leichtesten verständlich sind. Das Ganze bringt er in chronologische Ordnung. In Fußnoten fügt er Gedanken des hl. Franz v. Sales und der hl. Franziska v. Chantal bei, die uns zeigen, dass die Gute Mutter daraus und in deren Geist und Denkweise wandelte. Dazu möchte ich bemerken, dass eine gewisse Anzahl von Geistern, intelligent und begabt, ihre Befriedigung über die Veröffentlichung der „Gedanken der Guten Mutter“ zum Ausdruck gebracht hat. Angesehene Männer, Redner, auch solche, die in Apostolatswerken tätig sind, gestehen, dass sie ihre Morgenbetrachtung gern über den einen oder anderen Gedanken aus diesem Büchlein machen. Ihre Gedanken werden somit hochgeschätzt, man bewertet sie als etwas Hervorragendes, etwas, das zum Verstand und zum Herzen redet, das Licht bringt und die Frömmigkeit entfacht. Das ist ein gutes Urteil, eine ernstzunehmende und gerechte Einschätzung. Man kann sie nur unterstreichen.
In allem, was die Gute Mutter Maria Salesia gesagt hat, liegt ein Schatz an Gottesliebe verborgen, ein Kern von sehr gewichtiger persönlicher Treue, der sich klar abhebt von dem, was man gewöhnlich in den Büchern finden kann. Die Gute Mutter ist die personifizierte Treue gegen Gott. Was zuerst an ihr aufleuchtet und bei ihr überrascht, ist nicht so sehr die gotterleuchtete Prophetin, die in der Zukunft liest, nicht die Wundertäterin, die Wunder wirkt, nicht die Seele, die mit überraschenden und außerordentlichen Gaben ausgezeichnet ist. Nein, es ist die Treue, und das heißt es wohl erfassen, meine Freunde. Alle eben genannten Gaben hat sie sicher auch besessen, sie waren aber nur der Lohn für ihre Treue. Ja, sie war eine treue Seele, eine ganz treue Seele. In gar nichts sah ich sie je vom Willen und Wohlgefallen Gottes abweichen. Alles, was sie geschrieben, gesagt und getan hat, fließt aus dieser Quelle. Alles, was an Großem, Schönem und Heiligem in ihr lebte, war im Letzten nur der Ausdruck und die Offenbarung der Gnade, die Gott ihr für die Treue erwies. Das möge uns als Lektion, Licht und Nahrung dienen!
Wir müssen fest für die Kongregation beten, dass der liebe Gott uns gute Novizen schicke, damit wir etwas Bedeutsames und Solides gründen können. Ihr erkennt wohl, dass wir alles besitzen, was wir brauchen. Wir haben, wie die Hl. Schrift sagt, unser Familienbrot. Ein Brot, das nur für uns existiert und vielen anderen verborgen ist, uns aber im Überfluss zur Verfügung steht, unser tägliches Brot, die Nahrung der Kinder des hl. Franz v. Sales und der Guten Mutter. Darüber müssen wir uns klar sein. Jeder von uns sehe darin einen kostbaren und fruchtbaren Schatz, den wir klug verwalten wollen. Mit Hilfe dieses Kapitals werden wir etwas leisten und uns auf etwas Unerschütterliches stützen.
Unsere Patres vom Kap haben immer noch kein Wasser, wie ich euch soeben schon berichtete. Die Patres in Ecuador dagegen sind unterwegs nach Kolumbien, denn im eigenen Land herrscht seit mehreren Jahren Revolution mit Erschießungen und Blutvergießen. Die neue Regierung will keine ausländischen Ordensleute im Lande dulden. Einige der Patres gehen nach Montevideo, wo die Heimsuchung nach ihnen verlangt. Ein Bischof von dort schrieb mir und bat mich um Oblaten „wegen der Achtung und Liebe, mit der die Heimsuchungsschwestern von ihnen sprechen“. Das ist das Hauptmotiv für seine Bitte.
Ich hoffe ferner, dass es nächstes Jahr mit St. Quen glückt. Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, garantieren uns den nötigen Nachwuchs für das Kolleg. Es ist ein schweres Problem mit den Kollegien: Zurzeit sind die Erziehungsstätten in Paris und seiner Bannmeile, im mondänen Paris und der ebenso verweltlichten Bannmeile, sehr zahlreich. Es ist aber alles andere als leicht, junge Menschen zu erziehen mit all den Gewohnheiten, die sie haben und mit dem, was sie in ihren Familien hören und sehen. Sie schauen gern von oben herab und verachten ihre Lehrer und Professoren, die ganz und gar nicht aus ihrem Milieu und ihren hochgestellten Familien stammen. Mit dieser Jugend kann man keine Wunder vollbringen. Dagegen in einer bescheidenen (Menschen-)Klasse findet man viel zahlreichere Hilfsquellen unter Kindern und Jugendlichen.
In Morangis z.B. hat P. Perrot viel Erfolg. Die Zahl seiner Schüler wächst von Tag zu Tag und es gelingt ihm, dort ein gutes, kleines Kolleg aufzubauen. Es geht dort voran, weil es einfache, gerade und gute Kinder sind. Sie stellen fest, dass P. Perrot überall selbst Hand anlegt, an die Heugabel und den Rechen ebenso wie an Bücher und Hefte. Sie sehen seine Hingabe und verstehen seine Liebe. Und das verschafft ihm über die Kinder und später über die jungen Leute einen Einfluss und eine Macht ganz besonderer und wertvoller Art.
In England dagegen verlangt man mehr nach Missionaren als nach Professoren, und das mit Recht. Um unterrichten zu können, braucht man dort ein schönes Haus, eine bequeme Einrichtung, eine tadellos organisierte Bedienung, glänzend gewachste Möbel und dazu ein fast ebenso „glänzend gewichstes“ Personal. Ein Haus für Missionare hingegen braucht viel weniger Ausgaben, ist leichter zu unterhalten und kann den Seelen mindestens ebenso nützen wie ein Kolleg.
D.s.b.
