Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 04.01.1893: Über die Dreikönigsgnaden: Gold, Weihrauch und Myrrhe

Wir feiern in Kürze das Fest der Erscheinung des Herrn. Diese hohen Feste sollen uns an die besonderen Gnaden erinnern, die Gott mit diesen Tagen verknüpft. Denn da will er seiner Kirche Vorzugsgnaden erweisen, die den Bedürfnissen der Menschen genau entsprechen. Wir Oblaten sollen darum Gott ausdrücklich um die Gnade bitten, das Fest der hl. drei Könige gebührend zu feiern. Wie die drei Weisen müssen wir dem göttlichen Kinde Gold, Weihrauch und Myrrhe darbringen.

Zunächst Gold: Jeder Oblate verstehe gut, wie er seine hl. Armut üben soll. Keine Anstrengung möge ihm zu groß sein, um seiner Ordensgemeinde jede mögliche Ausgabe zu ersparen und ihr jeden materiellen Vorteil zu verschaffen, zu dem er fähig ist. Das ergibt sich aus eurem Gelübde der Armut. Es will, dass wir uns von allen zeitlichen Geschäften und Gütern losschälen, von ihrem Gebrauch und ihrer Verwaltung, und alles den Händen des Gehorsams überlassen. Läuft es aber dem Armutsgelübde zuwider, wenn die Genossenschaft über das zum Leben Notwendige verfügt oder sogar reich ist? Durchaus nicht, vorausgesetzt, die einzelnen Ordensleute sind arm und praktizieren die Armut. Doch nicht darum wollen wir den lieben Gott zugunsten der Kongregation bitten.

Wir rufen ihn vielmehr an um den Geist der Arbeitsamkeit, um Gesundheit und Kraft zu unermüdlichem Einsatz. Bleiben wir uns stets bewusst, dass es dem Geist der Armut durchaus angemessen ist, wenn eine Kongregation mehr als das Lebensnotwendige besitzt. Geht nur zur Großen Kartause, um euch zu überzeugen, dass der einzelne Kartäuser in äußerster Armut lebt. Mehr als einmal konnte ich das feststellen und wäre darum selber gern Kartäuser geworden, wenn mein Direktor H. Chevalier dies erlaubt hätte. Ich hätte es sehr gern getan. Die einzelnen Kartäuser leben also arm, mag die Kartause selbst sehr reich sein. Hat ein Kartäuser etwa in seiner Zelle eine Erfrischung und Linderung zur Hand, wenn er vor lauter Entbehrung schwach und ohnmächtig wird? Nichts als Wasser und Brot, denn ihre Armut kennt keine Einschränkung. Jeder Religiose dort hat nur sein Gewand und kann sich gerade so viel wärmen, dass er nicht vor Kälte erstarrt. Angekleidet legt er sich auch zu Bett. Seine Genügsamkeit kennt keine Grenzen. Niemals isst er Fleisch, selbst dann nicht, wenn er zu Tode krank ist. Und dabei besitzt das Kloster ein großes Vermögen und spendet alljährlich mehrere Millionen für Almosen. Je tiefer der Einzelne also vom Geist der Armut durchdrungen ist, umso reicher lässt der liebe Gott den Orden werden.

Der Neffe von P. Gilbert, ein angesehener Gerichtsbeamter, sagte eines Tages zu mir: „Man schimpft viel über die Mönche. Ich aber würde von Herzen wünschen, sie wären noch wie im Mittelalter Bankiers. Ich habe nämlich ein kleines Vermögen, das mir Sorgen bereitet, weil ich nicht weiß, wem ich es anvertrauen soll. Wüsste ich es in den Händen der Mönche, wäre ich beruhigt. Wenn die einzelnen Ordensmitglieder die Armut übten, blühten die alten Orden auf. Gewiss kamen manchmal viele Missbräuche vor. Der Reichtum reizte manche Abteien zu Geldgier, sodass man sie in ‚Kommenden‘ (Anm.: „dabei handelte es sich um Ordenspfründe mit einem weltlichen und meist geldgierigen Verwalter.“) umwandelte. Vergleichen Sie damit aber die Wohltaten, die diese Klöster spendeten: Die Nonnen von Foicy ernährten die Armen der ganzen Umgebung.“

Als Beispiel führte ich die Kartäuser an. Mit dem gleichen Recht hätte ich eine ganze Reihe anderer Männerklöster anführen können: die Priester von Saint Sulpice, die Jesuiten natürlich, und viele andere. Um sich den echten Geist der Armut anzueignen, muss man die Armut lieben, soweit sie unsere Person betrifft. Muss man sich ferner für das Wohlergehen der Genossenschaft, der man angehört, liebevoll einsetzen. Mittels seiner Arbeit und seines Fleißes wird man alles in seiner Macht Stehende tun, um die Hilfsquellen der Kongregation unablässig zu vermehren. Rom hat uns erlaubt, eine „Handelsgesellschaft“ zu werden, d.h. wir können Handel treiben und Geld erwerben. Das dürfen natürlich keine leeren Worte bleiben, sonst widersprächen wir den gesetzlichen Bestimmungen des Staates, und unser Orden würde aufgehoben. Wir müssen uns also regen und rühren. Setzen wir darum alle Mittel ein, die uns zu Gebote stehen, um der Kongregation neue Hilfsquellen erschließen. Betreiben wir Handarbeit oder geben wir Nachhilfestunden. Und vergesst nicht, was unsere Satzungen in Punkto Armut empfehlen: Sparsamkeit, Vermeiden aller überflüssigen Ausgaben und Mehrung der Genossenschaft.

So bringen wir dem Jesuskind unser Gold dar, nicht allein das mystische Gold unserer Liebe, sondern auch das materielle. Das ist für uns eine Gewissensfrage. Damit ziehen wir uns die reichsten materiellen wie geistlichen Segnungen zu, ja wir werden auf diese Weise heilig. Tut es aus Liebe zu unserer Genossenschaft, um ihr auch die Möglichkeit zu verschaffen, Gutes zu tun und Almosen zu spenden. Unsere Missionsgebiete, unsere Apostolatswerke und Kollegien sind arm und entbehren vieler Dinge. Geben wir uns Mühe, sie zu bereichern und mit unseren Mitteln die Kirche, den Hl. Vater und so viele Werke, die im Argen liegen, zu unterstützen. Das heißt es wohl begreifen. Der hl. Franz v. Sales hat in den Satzungen, die er der Heimsuchung gab, diese Fragen wohl geordnet, sodass jedes Haus ein gutes Auskommen habe. Was z.B. die Verpflegung betrifft, werden (in der Heimsuchung) Fleischportionen zugeteilt, die etwa doppelt so groß sind wie die euren. Das ist die Regel. Darüber hinaus aber herrscht eine absolute, persönliche Armut. Man besitzt nichts und verfügt über nichts.

Bringen wir also in Gemeinschaft mit den hl. drei Königen unser Gold dar und legen wir es zu Füßen des Jesuskindes nieder. Üben wir eifrig die Armut und Sparsamkeit gleich „dem Kaufmann, der kostbare Perlen sucht.“ Ja, geben wir wie dieser Kaufmann alles hin, um die Perle zu erwerben.

Die Gute Mutter sagte: Im Hl. Geist ehren wir die Gnade. In Gott Sohn verehren wir seine Mysterien, sein Leben, Leiden und Sterben. Womit verherrlichen wir aber Gott Vater? Durch den geziemenden und heiligen Gebrauch seiner Schöpfung, die das Werk seiner Hände ist. Gott Vater hat den gleichen Anspruch auf unsere Huldigung wie die anderen göttlichen Personen. Der Guten Mutter machte es Freude, besonders den folgenden Gedanken auszuführen. Wenn der menschgewordene Herr sich herablassen wollte, die gleiche Speise zu essen wie er und darin sogar eine gewisse Befriedung zu finden, dann tat er es deshalb, weil er mit der Nahrung eine Gnade verbinden wollte, die uns zugutekommt, wen wir uns nähren, und weil er im Vorhinein diese grob-materielle Handlung heiligen wollte.

Bringen wir also den materiellen Dingen Achtung entgegen. Pflegen und vermehren wir die Güter Kongregation. Nichts wirkt peinlicher als folgende zwei Erscheinungen: Ein Ordensmann, der ganz und gar unabhängig dahinlebt, der überhaupt keine oder aber eine fremde Leitung sucht, dem also ganz der Geist seines Standes abgeht – und zweitens ein Ordensmann, dem am Wohl und Wehe seiner Genossenschaft nichts liegt. Dem einen fehlt der Geist, dem anderen die richtige Art vorzugehen. Man ist ja ebenso wenig Religiose, wenn man sich um den übernatürlichen Geist seines Institutes nicht kümmert als wenn man kein Interesse für die materiellen Belange desselben bekundet. Wie verhält sich dort der Kirche? Ihr wisst, was eine Abtei ist: man bedient sich dort der materiellen Dinge, um Gott zu ehren und den Seelen zu nützen. Wie bemühte man sich in den alten Abteien um Handarbeit und Studium! Wir erinnern uns an die Kartäuser. Seien wir also gute Kinder der hl. Kirche! Oder liebt ein Kind wirklich Vater und Mutter, wenn es die Interessen des Hauses vernachlässigt? Das bewiese Undankbar oder Unfähigkeit.

Mit den hl. drei Königen lasst uns auch den Weihrauch unserer Gebete und unseres inneren Lebens Gott darbringen. Überallhin wollen wir den Wohlgeruch des Herrn Jesus Christus tragen. In der Kirche wird Weihrauch während der hl. Messe wie beim Segen mit dem Allerheiligsten verbrannt. Das bedeutet, dass die beweihräucherten Gegenstände dem Herrn geweiht, geheiligt, und geopfert werden: „oblata“, d.h. Opfergaben. Auch wir Oblaten müssen ganz Gott angehören und ihm geweiht sein. Darum schicken wir ohne Unterbrechung den Weihrauch unserer Gebete, unseres ganz übernatürlichen Lebens, zum Himmel empor. Die Gebete, die wir sprechen, die Beichten, die wir hören, die Messen, die wir feiern, die guten Ratschläge, die wir geben, alle Verpflichtungen unserer Ämter, all das sollte zu einem Weihrauch werden, der zum Himmel emporsteigt, das Herz Gottes erfreut und die Herzen der Gläubigen mit Wohlgeruch erfüllt. Unsere Gebete dürfen also nicht trocken, gleichgültig und nur persönlich ausgerichtet sein. Sie seien vielmehr wohlduftender Weihrauch. Wie der hl. Franz v. Sales und die Gute Mutter sollen wir Verstand und Worte mit übernatürlichem Geiste durchtränken. In der Seelsorge, in unseren Unterweisungen und Katechesen, in der hl. Messe sollte dieser Wohlgeruch wahrnehmbar durchziehen. Dann finden die Menschen Geschmack am Worte Gottes und werden für die Wege Gottes bereitet. Ihr könnt sie dann auf diesen Weg hinführen und voranschreiten lassen.

Und schließlich von der Myrrhe sagt das Hohelied: „Ihre Hände haben Myrrhe geträufelt.“ So möge auch von unseren Händen die Myrrhe der Abtötung träufeln. Herzhaft sollten wir nach der Abtötung greifen bei allem, was wir tun, und jedes Mal, wenn wir einem kleinen Opfer für Gott begegnen. Ja, unser Brandopfer leide keine Unterbrechung. Prägen wir unserem Geiste ein, dass wir jederzeit die Möglichkeit finden sollten, Gott etwas aufzuopfern, was uns Mühe kostet. Gelegenheit werden sich dazu uns in Überfülle bieten. Erbitten wir von der Guten Mutter die nötige Einsicht in diese Wahrheiten, die das Fundament unseres Ordenslebens sind.

Alles Übel, das in der Welt geschieht, ist die Folge eines schlechten Gedankens. Man will Gott, den Glauben, das Christentum abschaffen. Dieser Gedanke nimmt dann Gestalt an, verwirklicht sich, wird materialisiert, geht vom rein geistigen Bereich in den sinnlich-greifbaren über. So müssen auch wir den Gedanken in uns tragen, der das Gute wirkt und verwirklicht: nämlich den Willen Gottes, das Werk Gottes zu vollbringen. Das werden wir tun, wenn wir mit den drei Weisen aus dem Morgenland unserem Herrn das Gold unserer Armut und Sparsamkeit, den Weihrauch unserer Heiligung, unserer ganz spezifischen Frömmigkeit und die Myrrhe unserer Abtötung darbringen, indem wir jeden Augenblick alle Opfer, Peinen und Heimsuchungen annehmen. Opfern wir all das dem Herrn auf, und er wird uns mit Wohlgefallen in die Gesellschaft der hl. drei Könige und der Hirten aufnehmen.