Kapitel vom 23.12.1891: Über die Feier des Weihnachtsfestes
Bereiten wir uns sorgfältig auf das Geburtstagsfest unseres Herrn vor! Es sollte uns eins der liebsten Feste sein und kann uns mehr als viele andere Feste seelischen Gewinn eintragen. Die Engel singen da vom Himmel herab: „Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind.“ Ist das nicht sehr wünschenswert und bedeutsam: voll guten Willens sein, Verstand und Willen auf das Gute hin zu konzentrieren, rechte Ordnung in sein Denken, Fühlen und Handeln bringen? Gerade dahin möchte uns die hl. Kirche mit ihren verschiedenen Festen führen. Die Kirchenfeste wurden ja nicht nur zu unserer Freude eingesetzt, sondern auch zu unserer Vervollkommnung und Heiligung, wenn wir tief in das Festgeheimnis eindringen. Alle früheren Meister des geistlichen Lebens, alle jene, die Bücher über die Gottseligkeit schrieben, so auch der hl. Franz v. Sales, haben diese Wahrheit betont: Die Kirche hat ihre Jahreszeiten, sagten sie, so wie die Erde und die Sonne sie hat. Jede Jahreszeit bringt die ihr eigenen Früchte hervor, oder bereitet sie wenigstens vor. So bietet auch das Kirchenjahr mit jedem Fest besondere Gnaden und Früchte an. Auch Weihnachten könnte uns mit neuen Gottesgaben und Erleuchtungen über unseren Beruf bereichern. Weihnachten sollte zu einer Zeit der unseres Herrn sollte zur Geburtsstunde großer Hingabe für uns werden. Das „Wort“ Gottes wird auch zu uns kommen, um uns zu stützen und zu lenken. Vereinigen wir uns darum unablässig mit unserem Herrn und erwecken wir oft im Herzen das Stoßgebet des hl. Johannes: „Komm, Herr Jesus!“ Ziehen wir durch besondere Treue Gottes Segen und Gnadenhilfe auf uns herab. Jeder von uns hat seine Prüfungen und Schwierigkeiten, Mühen und Arbeiten. Da brauchen wir zwangsläufig das Licht und die Stütze Gottes. Er muss uns zusammenschweißen mit den Menschen unseres Aufgabenbereiches. Auch die Patres der verschiedenen Häuser unserer Kongregation müssen zu ein und demselben Beten und Fühlen zusammenwachsen. Dann kommt auch zu uns der Herr, richtet unsere Seelen auf und erfüllt sie mit Vertrauen. Dann sucht er auch gnädig jene heim, denen wir Führer zum Himmel sein sollen. Daran wollen wir bei der Betrachtung, bei der Kommunion und im ganzen Tagesablauf denken. Wenn wir unsere Seele zu dieser inneren Tätigkeit anhalten, sie zu dieser Treue und Liebe hinführen – welche ungeheure Kraft und Wirksamkeit liegt dann in unseren Händen. Verbringt also in dieser Gesinnung Tage der Treue und haltet euch eng an das geistliche Direktorium.
Ein bestimmtes Amt wurde uns anvertraut: gehen wir mit aller Gewissenhaftigkeit, deren wir fähig sind, an die Erfüllung unserer Standespflicht. Nur so füllen wir unseren Platz wirklich und wahrhaftig aus. Das große Übel unserer Zeit – besteht es nicht gerade darin, dass man sich keinen Zwang mehr antun will? Wenn wir uns aber diesen Zwang in Gehorsam und Treue auferlegen, werden wir Gott in Wahrheit Ehre erweisen. Das will uns Weihnachten lehren. Die hl. drei Könige, die Hirten und Engel, der hl. Josef, waren sie nicht alle vollkommen treu? Und dank dieser gewissenhaften Treue fanden sie den Herrn. Die Pünktlichkeit und Treue möchte ich darum das Kennzeichen des Geheimnisses der Kindheit Jesu nennen.
So lasst uns genau sein in unserem Amt mit all seinen Verpflichtungen, genau in all unseren Handlungen. Auch wir sind ja nicht gekommen, uns bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. Seien wir treu im Gehorsam… und in der Observanz. Wie schön, ja wie göttlich ist doch diese Treue! Ein Gott hat persönlich diesen Weg gehen wollen, hat vollkommen die Bedingungen eines gehorsamen Lebens, der Unterwerfung unter das Gesetz und den Willen Gottes erfüllen wollen.
Gehorsam und Pünktlichkeit, das bedeutet Emmanuel, Gott-mit-uns. Ohne das bleiben wir isoliert, auf uns selbst gestellt – und das ist wenig! Um das liebe Ich kreisen: wie beschränkt, erbärmlich und hässlich! Wir müssen Gott dazu holen. Gibt es einen schöneren Anblick als einen demütigen, gehorsamen Ordensmann? Wie sehr fürchtet er, gegen eine Vorschrift zu verstoßen. Aber diese Furcht ist so demütig und ehrfürchtig, und damit der Anfang der Weisheit! Nicht die Furcht vor der Hölle erschreckt ihn, nicht die Angst, der Donner könne auf sein Haupt niedersausen. Nein, es ist die Scheu, Gott zu beleidigen, Gott weh zu tun. Gibt es aber etwas Schöneres als das? Die Glocke läutet, er steht auf, geht zum Unterricht oder zur Aufsicht. Tut er das wie eine Maschine, dann ist er zu beklagen. Fühlt er sich aber von der Stimme Gottes gerufen, sieht er sich als einen Diener seines Herrn, einen Knecht des göttlichen Willens, gibt er sich diesem Willen ohne Vorbehalt hin – wahrlich, welch große, schöne und ausgezeichnete Seelenhaltung! Unser Ich steckt voller Bosheit. Das Gute findet man allein darin, sich mit Gott zu vereinigen: das ist Gottesliebe, großmütige und selbstvergessene Gottesliebe.
Das Wort Gottes gibt in der Menschwerdung gleichsam seine göttliche Persönlichkeit auf, vernichtet sich, macht sich zum unmündigen Kind, zu einem Nichts. Wollt ihr Gott nahekommen, dann müsst ihr ebenso klein und nichtig werden wie er. Die stärksten und ehrwürdigsten Seelen sind jene, die diesen Weg gehen. Sie fürchten, Gott weh zu tun, gegen die kleinsten Vorschriften zu verstoßen, sie handeln mit Furcht und Zittern. Pflegt diese Gewissenszartheit, diesen Herzensakt Gott gegenüber! Begnügen wir uns nicht damit, als Lasttiere uns durch unser Tagewerk zu quälen. Erzeigen wir uns selber mehr Würde und Hoheit. Nur so kann der Herr uns heimsuchen und wir können ihn den anderen weitergeben.
Beobachtet den Teufel, welche Anstrengungen er macht, um unsere Ruhe und Ordnung zu stören. Beobachtet die Freimaurer, ihren rastlosen Einsatz und ihre Ruhelosigkeit! Sie ziehen und zerren und stiften ständig Trubel und Unordnung. Kehrt in euer Herz ein, denn nur im Herzen lässt sich der Herr finden. Er leiht uns seine Mitarbeit und will unsere Liebe. Rufen wir wie die Patriarchen und Propheten den Herrn über uns an. Ziehen wir ihn in unser Herz und in unser Leben herein. Darin soll er herrschen und uns mit sich zum Himmel führen.
Betrachtet das Leben der Heiligen und der alten Mönche. Ein hl. Bernhard z.B., welch wunderbare Gewissenhaftigkeit in jedem Augenblick! Sie färbte auf alles ab. Der hl. Augustinus fragte sich: Warum sollte mir nicht gelingen, was diese und jene vermochten? Dieser Gedanke feuerte ihn an, sich zu bekehren. Legt in alles, was ihr in Angriff nehmt, euer Herz hinein. H. Harmel, der Mann, der mir über alles sympathisch ist, legt sich in Valdes-Bois auf den harten Fußboden schlafen. Er fastet und führt das Leben der bußstrengsten Mönche. Dem, was sein Beichtvater ihm vorschreibt, unterwirft er sich Punkt für Punkt. Würde er bürgerlich dahinleben, dem Schmaus und der Jagd sich ergeben – wie ganz anders sähe ein Einfluss und seine Wirksamkeit aus! Ich denke gerade an ihn, weil ich ihn eines Tages fragte: „Womit schaffen Sie all das?“ – „Mit dem Herzen!“ gab er zur Antwort. Ja, unser Herz sollten wir in all unser Tun legen, sonst wären wir feige Memmen. Beziehen wir auf uns, was die Bewohner von Nazareth unserem Herrn entgegenhielten: „Arzt, heile dich selbst!“
Bitten wir die Gute Mutter, die sich gerade für das Weihnachtsgeheimnis so aufgeschlossen zeigte, um ihre Fürbitte, dass das göttliche Wort auch zu uns komme, sich uns hingebe, sich uns offenbare und durch uns auch anderen.
D.s.b.
