Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 27.06.1888: Die Erholung

„Geht der Oblate zur Erholung, so bittet er Gott um die Gnade nichts zu sagen oder zu tun, was nicht zu seiner Ehre wäre…“

Bevor der Oblate sich zum Ort der Erholung begibt, soll er im Herzen die Gute Meinung erwecken. Er bittet Gott um die Gnade, diese Zeit der Entspannung gut zu verbringen und sieht ein wenig die Fehler voraus, in die er leicht fällt. Der eine verstößt gerne gegen die Liebe. Er bitte also um die Gnade, sich in der Rücksichtnahme zu üben. Der andere neigt zur Selbstgefälligkeit. Er spricht nur von sich und findet nur sein eigenes Tun gut. Dieser bitte Gott um Demut, die ja unsere Vorzugstugend sein soll, und überwache in dieser Hinsicht seine Worte. Das macht uns begreiflich, dass es auch in der Freizeit für uns genug Arbeit gibt und dass die Vorbereitung auf die Erholungszeit vom Ordensmann nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist, wenn er sein Direktorium ernst nehmen will.

Das gleiche gilt es zu beachten, wenn wir unsere Freizeit mit unseren Schülern oder mit Weltleuten verbringen. Denn auch hier werden unsere Fehler zum Vorschein kommen, und wir dürfen uns von ihnen nicht einfach treiben lassen. Das ist besonders wichtig im Umgang mit Weltleuten, weil diese vom Ordensmann immer einige gute Worte erwarten, an denen sie sich aufrichten können.

Unser hl. Stifter will, dass wir zur Rekreation ein offenes, heiteres Antlitz mitbringen. Hat einer Kummer oder Verdruss, so möge er das nicht seine Mitbrüder fühlen lassen, vor allem nicht die Weltleute. Zeigen wir uns also stets leutselig und sehr höflich. Bringen wir jedem große Achtung entgegen! Denn die wohl verstandene Ehrfurchtshaltung wird dann alle in gehöriger Distanz von uns halten. Die Schüchternen werden sich ermutigt fühlen, wenn sie unsere Hochachtung fühlen, wenn sie unsere Hochachtung fühlen, werden sich in unserer Nähe wohlfühlen und von unserer Gegenwart erbaut sein. Die Zudringlichen werden sich wie von einem Bremsschuh oder von einer unübersteigbaren Mauer zurückgehalten fühlen.

Auch unter uns selbst sollten wir diese gegenseitige Hochachtung wahren und uns nie mit der Vertraulichkeit und Ungeniertheit von Internatsschülern behandeln. Bezeigen wir uns Achtung ohne alle Steifheit, die nur zum Lachen reizen würde. Wir brauchen nur auf unseren hl. Stifter zu schauen und es zu machen wie er. Doch darauf will ich ein andermal eingehen, sobald wir den „Coutumier“ in Händen haben, der euch im Einzelnen sagen wird, was ihr zu tun habt. Und da sich gerade die Gelegenheit bietet, darf ich euch an ein bekanntes Wort des hl. Guizot erinnern: „Die katholische Kirche ist die große Schule der Ehrfurcht.“ Diese Haltung ist aber in der Rekreation ebenso angezeigt wie überall sonst.

In der Rekreation sollen wir gern auch etwas Gutes zu sagen wissen, z.B. einen schönen Gedanken, der uns in unseren Lesungen auffiel oder in der Tischlektüre. Damit wollen wir uns ja nicht zu Erziehern der anderen aufwerfen, denn in der Freizeit genießt jeder das gleiche Recht und die gleiche Freiheit. Niemand hat einen Vorrang und jeder soll zu seinem Teil zu einer kurzweiligen Unterhaltung beitragen. Natürlich soll die Erholungszeit auch kein bloßes Echo dessen sein, was wir in der Welt draußen gehört oder gesehen haben. All das lassen wir lieber draußen, es sei denn es handle sich um erbauliche Dinge. Genauso wie wir Oblaten es anderen überlassen, Politik zu betreiben.

Während der Exerzitien wollen wir, wenn möglich, das Gebräuchebuch austeilen. Es wird uns die Mittel nennen, wie wir gemeinsam die Regel und das Direktorium halten können. Denn gerade die gemeinsame Übung eines jeden Artikels wird uns noch enger zusammenschließen, und wir werden eines Herzens und eines Sinnes die Schwierigkeiten meistern, die uns begegnen. Mit größerer Bereitwilligkeit werden wir dann die Prüfungen auf uns nehmen, die der liebe Gott uns schickt.

Das Ende der Freizeit ist der passende Augenblick, wo wir um die verschiedenen Dinge bitten, die wir zu unserem Amt benötigen. Lasst mich zum Schluss noch eine Tugend für die Zeit der Erholung besonders empfehlen: ich meine die Liebe im Reden. Wir müssen vermeiden, über diesen oder jenen zu reden, besonders in abträglicher Weise. Haben wir etwas gegen einen, so bewahren wir das in unserem Herzen und sprechen darüber mit unserem Herrn, bevor wir zum Ort der Erholung gehen. Reden wir auch nicht über die Oberen und die Leitung des Hauses. Diese Dinge gehen uns nichts an, und es wird uns nicht zum Segen gereichen, im Geringsten an der Autorität der Vorgesetzten zu rühren.

D.s.b.