Kapitelvorträge für die Oblaten 1873-1899

      

Kapitel vom 17.07.1879: Die wöchentlichen Verpflichtungen.

Unser Vater liest den Artikel der wöchentlichen Handlungen vor. Es sollte eine Versammlung der Ordensleute stattfinden, die speziell den Verzicht auf das eigne Urteil, den eigenen Willen usw. zum Ziel haben. Dieser Verzicht auf den eigenen Willen meint keineswegs die Zerstörung und Vernichtung unserer Fähigkeit zu wollen. Ganz im Gegenteil: diese Fähigkeit wird dadurch unendlich stärker und großmütiger. Wenn wir in der Tat etwas nur aus uns selbst wollen, stützt sich unser Wille einzig auf unsere natürliche Fähigkeit. Wird unser Wille aber von zehn anderen Menschen gestützt, die das gleiche wollen wie wir, so wird der Wille dadurch zehnmal stärker, und diese Stärke resultiert aus der Zustimmung der anderen ebenso wie aus unserer eigenen Entscheidung. Der Ordensmann nun übergibt sein Wollen Gott, und dadurch erlangt sein auf Gott gestützter Wille göttliche Kraft. Mutter Maria Salesia hatte soeben eine Ordensfrau durch den Tod verloren, die mit ihr eine große Einförmigkeit der Seele erlangt hatte. Sie wirft sich auf den Boden zu Füßen des Gekreuzigten und sagt zu Gott: „Ja, mein Gott, du hast meinen Willen erfüllt, weil es ja mein Wille war, dass dein hl. Wille erfüllt werde.“

So ist der Ordensmann der freieste und glücklichste Mensch von allen, denn er tut jederzeit, was er will… Findet sich in ihm ein Widerwille, so wohnt dieser nicht in seinem Willen, weil er ja Gott gehört. Eines Tages tadelte der Novizenmeister eines Kartäuserklosters einen der Novizen und sagte zu ihm, er sei nur dazu gut, sich in die Dornen zu werfen. Der Novize, der Doktor der Theologie war, warf sich auf der Stelle in ein Dornengebüsch. Und als man sich darüber wunderte, antworte er, für ihn sei das Wort seines Oberen das Wort Gottes.

Ebenso bedeutet der Verzicht auf das eigene Urteil keine Zerstörung derselben. Man befiehlt uns etwas, was uns absurd erscheint. Der hl. Franz v. Sales will nun, dass man sich sofort auf den wahren Standpunkt versetzt, und sagt: Wäre auch meine Ansicht die bessere als die des Oberen, so bleibt es doch sicher, dass ich Gnaden zum guten Handeln nur im Gehorsam erhalte.

Jede Woche sollen Konferenzen gehalten werden über den Glauben (Dogmatik), über Gewissensfälle, und Schwierigkeiten, die uns in der Seelsorge begegnen. Auf diese Weise hilft man sich gegenseitig und wendet den Geist einer Kongregation auf die Praxis an.

Jeder Ordensmann soll auf seiner Zelle jede Woche eine Abtötung üben. (Anm.: „Bemerkung des Übersetzers: Die französischen Patres besaßen noch 1935, als ich [= P. Johannes Ehle OSFS] studierte, eine Geißel für solche freiwillige Bußübungen im Gehorsam. Dann hörte es auf.“). Die Übungen, die uns in der Demut weiterbringen sollen, geschehen im Refektorium (Kulp). Am Freitag begnüge sich der Oblate beim Abendessen mit nur einem Gericht. Schließlich fordert uns unser Vater auf, uns nicht zu fürchten vor den Ereignissen draußen, vorausgesetzt, dass wir viel beten und bemüht sind, gute Ordensleute zu werden.

Gehorsam: An den folgenden Tagen empfiehlt uns unser Vater, viel zu beten und Gott in ganz besonderer Weise treu zu sein, damit er uns inmitten der widrigen Ereignisse beschütze. Er versichert uns, Gott habe mit unserer Treue das Heil nicht weniger Seelen verknüpft.