69. Ansprache zur Gelübdeablegung des P. Levassor zum Thema „Der hl. Ägidius (St. Gilles) und die Tugenden des Oblaten“ am 21.08.1899
Meine Kinder, es gibt kein Ereignis, das die göttliche Vorsehung nicht zu unserer Unterweisung zulässt, und sei es noch so unbedeutend. Warum versammelt er uns heute in dieser kleinen Kapelle zu einer Ordensprofess? Die Heiligen waren hier auf Erden, jeder auf seine besondere Art, Mittler zwischen Gott und dem Menschen. Diese ihre Rolle spielen sie auch weiter. Zugelassen zur Teilnahme am göttlichen Licht und Wissen, verfügen sie jetzt über umso mehr Macht, um uns die notwendigen Gnadenmittel zukommen zu lassen, uns armseligen Atomen eines Tages, die nur dank unserer Vereinigung mit Gott Wert haben.
Warum ruft man den hl. Ägidius an. Welches ist seine Rolle in der triumphierenden Kirche? Er ist Ausspender von intimen Gnaden, man ruft ihn an in den Peinen der Seele, in den Heimsuchungen, um Fortschritt in der Frömmigkeit und Hingabe an den göttlichen Willen. Er ist Schutzpatron der Kinder und der Seelen, die die Einfachheit und Gradheit der Kindheit bewahren wollen… Als man an der Restaurierung dieser Kapelle arbeitete, fand man dort eine Menge von Gebeinen toter Kinder, die ganz nah am Altar begraben waren. Das sollte eine Huldigung an den Beschützer der Kindheit und wie ein Blumenbeet dazu bestimmt sein, an diese Wohltaten zu erinnern. Noch heute begegnet man in den Ländern des Glaubens Kirchen, die ihm geweiht sind und deren Stil und Schönheit das Vertrauen der Gläubigen auf seine Fürbitte beweisen.
So ist es kein Zufall, dass wir, meine Freunde, hier zur ersten Weihezeremonie eines von euch zusammengekommen sind. Denken Sie, mein Freund, oft daran zurück im Verlauf Ihres Ordenslebens. Es ist eine gute Einladung an Sie, auf diesem Weg der Einfachheit und Güte voranzugehen, und in Haltung, Sprechweise und Art zu handeln den Frieden, und die Salbung der Frömmigkeit zu verbreiten.
Unter diesen Zügen stellte der Prophet ihn als den Friedensfürsten dar, dessen ganzen Leben darauf abzielte, den Frieden in den Herzen, in den Familien und in der Welt zu begründen. Möge er eines Tages Ihre Seelsorgearbeit mit den reichsten Segnungen der Liebe überhäufen, die Sie befähigen, in Ihrer Umgebung diesen milden und machtvollen Eindruck zu verbreiten, nach dem so viele Gewissen seufzen. Bitten Sie den hl. Ägidius, er möge Ihnen vom Herrn erlangen, was er selber in so hohem Grad besaß.
Vergessen Sie diese Empfehlung nie, es ist der Rat Ihres alten Vaters. Wenn Sie ihm treu bleiben, wird der Rat Ihnen zu einer Prophezeiung. Ich weiß, heute beachtet man kaum noch derlei Dinge. Bewahren wenigstens Sie Ehrfurcht vor heiligen Dingen, versenken Sie sie in den tiefsten Grund Ihrer Seele, um sich damit am Tag der Heimsuchung zu nähern. So tat die selige Jungfrau Maria: „Observabat omnia verba haec, conferens in corde suo.“ (Anm.: „Sie bewahrte all diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen.“). Alles, was sie hörte, war nicht immer an sie direkt gerichtet, dennoch verliert sie nichts davon und beschäftigt damit ihren Geist mit Wonne. Bewahren darum auch Sie diese Dinge nach dem Beispiel Mariens fromm in Ihrem Gedächtnis. Gott hat sie Ihnen in dem für Sie bestimmten Augenblick seiner Vorsehung gegeben. Möge der hl. Ägidius Euer Vorbild sein. Werdet wie er, meine Freunde, Apostel der himmlischen Liebe, Freunde Gottes und des Nächsten. Auf diesem Weg findet ihr Trost in den Schwierigkeiten, Mut in den Traurigkeiten, Ruhe und Heiterkeit im Angesicht des Todes. Und tun sich für euch die Herrlichkeiten der Glorie auf, dann werdet ihr im Verein mit den Seelen, die ihr auf dem Weg geführt habt, die Hymne der Freude und der ewigen Beseligung singen. Amen.
